Damit die Assistenten richtig reagieren können, müssen Verkehrsschilder richtig erkannt werden und in der Navigationssoftware richtig gespeichert sein.
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Es wird ernst. Ab 7. Juli 2024 ist für Neuwagen die Intelligence Speed Assistance (ISA) verpflichtend. Die ISA ist tatsächlich aber nur ein Teil eines ganzen Pakets von Assistenzsystemen, das bei sämtlichen erstmals zugelassenen Pkws in der EU ab diesem Zeitpunkt eingebaut sein muss. Dazu gehören etwa auch ein automatisches Notbremssystem, ein aktiver Spurhalteassistent und ein Rückfahrassistent, der das Einparken mit Kamera oder Sensoren unterstützt.

Während viele dieser Punkte nicht zu Diskussionen geführt haben, sorgt ein Assistent sehr wohl für Aufregung: ein verpflichtender Warnton bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Rahmen des ISA. Dieser kann nämlich gegebenenfalls durch eine falsche Verkehrszeichenerkennung sehr fehleranfällig sein, wie mehrere Tests von Automagazinen zeigten. Das führe zu mehreren Problemen, die die Sicherheit im Auto reduzieren würden, sagen die Experten.

Durchsetzung macht Sinn

Die Durchsetzung von Tempolimits macht durchaus Sinn, gehört doch überhöhte Geschwindigkeit noch immer zu den am meisten verbreiteten Unfallursachen. Eine Warnung im Auto, dass man schneller als das erlaubte Limit fährt, macht also durchaus Sinn. Hier greift die neue Vorschrift, der zufolge eine solche Warnung sowohl visuell als auch akustisch dem Fahrer mitgeteilt werden muss, sollte dieser ein Tempolimit überschreiten. Ähnlich wie der Videoassistent beim Fußball kennt auch die neue Sicherheitsvorschrift im Auto keine Toleranz. Egal ob ein km/h zu schnell oder 20 – das System schlägt an.

Experten sehen das System jedoch aus mehreren Gründen skeptisch. So sei etwa die Verkehrszeichenerkennung bei manchen Autos "dysfunktional", wie etwa der Heise-Redakteur Christoph Schwarzer schreibt. "Mal wird eine korrekte Geschwindigkeit erkannt, mal wird das Symbol auf der Plane eines Lkw-Aufliegers als Limit identifiziert – ein Fehlalarm."

Zudem seien die akustischen Warnsignale oftmals nicht einfach abschaltbar, sondern müssten in Untermenüs der Board-Software erst gefunden und dann deaktiviert werden. Bis dahin hätte man einen penetranten und oftmals unangenehmen Ton, der schlecht für die Aufmerksamkeit des Fahrers sei. Das würde die Dichte an Signaltönen, genannt wird etwa der Hyundai Ioniq 6, der auch bei einer simplen Veränderung der Geschwindigkeit schon einen kurzen Piepton erklingen lässt, noch einmal erhöhen. So etwas sei eine "besonders strenge", aber nicht gerade sinnvolle Auslegung, sagt der Experte.

Viele Autos fallen durch

Das Hauptproblem sei aber, dass falsche Tempolimits erkannt und dann von der neuen Software identifiziert werden, was zu regelmäßigen Fehlalarmen führen würde. Nicht aktuelles Kartenmaterial in Navigationssystemen in Kombination mit der erwähnten fehleranfälligen Verkehrszeichenerkennung würde deshalb Frust und Gefahren für Autolenker provozieren.

Experten sehen derzeit nur wenige Autos, in denen diese neue Technologie verlässlich funktioniert. Das Fachmagazin Auto Motor und Sport führte dazu bereits vor mehreren Monaten einen Test mit 146 Fahrzeugen durch. Lediglich 18 Prozent der Autos bekamen überhaupt Punkte für die Funktionalität des Systems, viele erkannten Tempolimits sehr regelmäßig falsch.

Als gefährliches Beispiel wird etwa ein Tempo-40-Schild an einer Ausfahrt erwähnt, obwohl auf der Straße weiterhin 80 km/h gefahren werden dürfe. Erkennt die Software das 40er-Schild als Richtwert, könnte das Auto ohne ersichtlichen Grund massiv abbremsen, was den Folgeverkehr und natürlich das eigene Leben gefährden würde. Derzeit könne man dieses Abbremsen durch Druck auf das Gaspedal noch überstimmen, das könnte in Folgeschritten von weiteren Regelungen jedoch ebenfalls unterbunden werden, so das Fachmagazin.

Diese eigentlich verpflichtenden Hilfen würden deshalb von vielen Fahrern derzeit deaktiviert werden, so der Tenor. Mühsam, da man bei jedem Neustart des Autos diese Assistenzsysteme erneut deaktivieren muss.

Lösung gesucht

Eine Lösung, mit der alle Beteiligten zufrieden sind, zeichnet sich derzeit nicht ab. In einer aktuellen EU-Statistik wird betont, dass mithilfe der verpflichtenden Fahrerassistenzsysteme auf europäischen Straßen im Zeitraum bis 2038 rund 25.000 Menschenleben gerettet und mindestens 140.000 schwere Verletzungen vermieden werden könnten. Dazu müssen diese Systeme allerdings funktionieren und nicht provozieren, dass sie von den Fahrerinnen und Fahrern absichtlich deaktiviert werden. So bleibt die Hoffnung, dass hier noch nachjustiert wird – und das möglichst rasch. (aam, 5.7.2024)