Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verabschiedete Freitagabend die Abgeordneten in die tagungsfreie Zeit vulgo Sommerpause.
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Hatte die Sitzung des Nationalrats am Donnerstag noch stimmungsvoll mit einer Gesangseinlage des Parlamentschors – bestehend aus Mitgliedern mehrerer Parteien – begonnen, zeigte sich Freitagmorgen ein ganz anderes Bild: Nachdem der Plenartag am Vortag bis 1 Uhr Früh gedauert hatte, konnte man vielen Mandatarinnen und Mandataren die kurze Nacht an ihren müden Gesichtern ablesen.

Einer jener Abgeordneten, die schon in aller Früh zugegen waren, war der Vorarlberger Neos-Mandatar Gerald Loacker, der nach der Wahl das Parlament verlassen wird. Bei einem Kaffee erklärte er einem an einem Neos-Listenplatz interessierten Mann das Prozedere der pinken Listenerstellung – und warum es mittlerweile zu spät ist, auf einer der Listen einen Platz zu ergattern. Zu seiner persönlichen beruflichen Zukunft sagt der scheidende Abgeordnete im STANDARD-Gespräch, dass es "nicht leicht" sei, "etwas zu finden, denn wer will schon einen Politiker in der Firma haben". Dennoch zeigt er sich zuversichtlich, elf Jahre im Parlament sind für ihn jedenfalls genug. "Es war gut, aber es ist auch gut aufzuhören."

Wahlkreisarbeit im Sommer

Andere wiederum hegen zwar keine Pläne, dem Hohen Haus als Parlamentarier den Rücken zu kehren, freuen sich aber ebenso schon auf die tagungsfreie Zeit. Insgesamt ist die Stimmung im Parlament am Freitag ein wenig wie am letzten Schultag vor den Ferien. Denn ab sofort haben nicht nur alle Schülerinnen und Schüler des Landes große Ferien, auch den 183 Abgeordneten steht eine Sommerpause bevor.

"Es wird Zeit für ein paar Wochen Urlaub", sagt der ÖVP-Mandatar und Bauernbund-Präsident Georg Strasser im Gespräch mit dem STANDARD. Der Spitzenkandidat des Wahlkreises Mostviertel in Niederösterreich ist wie Loacker seit 2013 Abgeordneter und plant eine weitere Legislaturperiode. Im Sommer freue er sich schon "auf die Wahlkreisarbeit im Mostviertel", schließlich werde im September gewählt. Schon am Freitag hat er eine kleine Gruppe von Besucherinnen und Besuchern aus der Gegend durch das Parlament geführt. Er nehme sich "gerne Zeit, um das Haus der Demokratie herzuzeigen und einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen".

"Indizienlast erdrückend"

Noch einmal spannend wurde es erst am Ende der fast neunstündigen Sitzung. Der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer verdächtigt FPÖ-Chef Herbert Kickl, gegen das Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz verstoßen zu haben. Bis Ende Juni mussten alle Abgeordneten etwaige zusätzliche Einkünfte an das Parlament melden. Kickl, der als Klubobmann einem Berufsverbot unterliegt, hat gemeldet, keine Einkünfte zu beziehen. In einem Brief an den Obmann des Unvereinbarkeitsausschusses, den Grünen-Abgeordneten David Stögmüller, erklärt Krainer, dass ihm "konkrete Hinweise" vorliegen würden, dass die Meldungen Kickls nach dem Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz "unvollständig" und "unrichtig" seien. Etwa in Bezug auf seine ehrenamtliche Tätigkeit als Parteiobmann und bereits im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" thematisierte Treuhandverträge im Zusammenhang mit der mittlerweile in Signs unbenannten Werbeagentur Ideenschmiede.

Am Freitag wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und Neos beschlossen, dass der Unvereinbarkeitsausschuss auch über den Sommer tagen soll, um sich dieser Thematik anzunehmen. Der Ausschuss hat die Möglichkeit, ein Nachfrageverfahren einzuleiten, bei dem Kickl verpflichtet ist, weitere Unterlagen vorzulegen. Außerdem ist dieser dazu berechtigt, selbst Erhebungen durchzuführen.

Dem vorausgegangen war eine Debatte im Nationalrat. Krainer erinnerte daran, dass Politiker gesetzlich dazu verpflichtet seien, "klar auf den Tisch zu legen, ob ihnen eine Firma gehört und welches Einkommen sie haben". In seltener Einigkeit pflichtete ihm ÖVP-Mandatar Andreas Hanger bei, der davon sprach, dass die "Indizienlast mehr als erdrückend sei, dass Meldepflichten an das Parlament verletzt worden" seien. Im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" habe Kickl hierzu zahlreiche Fragen unbeantwortet gelassen, weshalb er diese nun im Unvereinbarkeitsausschuss aufklären müsse.

Skeptisch zeigte sich Neos-Vizeklubchef Nikolaus Scherak: "Mir erschließen sich die Indizien noch nicht", sagte er, sprach sich aber ebenfalls dafür aus, die Vorwürfe aufzuklären. Der Grünen-Abgeordneten und Obmann des Ausschusses Stögmüller plädierte jedenfalls dafür, "schnellstmöglich Aufklärung zu betreiben". Von "haltlosen Behauptungen" sprach schließlich der FPÖ-Abgeordnete Harald Stefan. Was hier passiere, sei "eindeutig dem Wahlkampf geschuldet". Man werde aber "Auskunft erteilen und dann wird sich alles auflösen."

Nehammer nennt blauen Antrag "Aktionismus"

Gestartet hatte die Sitzung am Freitag mit einer "Fragestunde" an Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Der Regierungschef stellte sich eineinhalb Stunden lang allen möglichen Fragen der Abgeordneten. Noch einmal aufs Tapet kam der mit großer Mehrheit abgelehnte Misstrauensantrag der FPÖ gegen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) vom Donnerstag. Grund für den Antrag war Gewesslers Ja zur EU-Renaturierungsverordnung – und zwar gegen den expliziten Willen der ÖVP und der meisten Bundesländer.

Und obwohl die Volkspartei der grünen Ministerin in diesem Zusammenhang "Rechtsbruch" und "Verfassungsbruch" vorwirft, hatten die Abgeordneten der ÖVP geschlossen gegen den blauen Misstrauensantrag gestimmt. Nehammer ortete in dem Antrag "Aktionismus", denn dieser hätte auch nichts gebracht, "um das EU-Renaturierungsgesetz aufzuhalten". Einmal mehr betonte der Kanzler, an der Koalition mit den Grünen festzuhalten, um ein sogenanntes freies Spiel der Kräfte im Parlament, das in der Vergangenheit teure "Wahlzuckerln" zur Folge gehabt habe, zu verhindern und das Land nicht ins "Chaos" zu stürzen.

60 Gesetze sind durch

Im Anschluss wurden am letzten Tag vor der Sommerpause noch eine ganze Reihe von Beschlüssen gefasst. Darunter eine massive Erhöhung des Kostenersatzes für Strafverteidigung bei Freisprüchen, eine neue Form von Verbandsklagen und ein Medienpaket, das unter anderem eine Förderung für Podcasts beinhaltet. Die etwa 60 in diesen Tagen beschlossenen Gesetze werden kommende Woche noch vom Bundesrat behandelt.

"Wirklich happy" zeigten sich so manche Abgeordnete der Regierungsfraktionen, dass die Zusammenarbeit trotz der schlechten Stimmung in der Koalition, aus der niemand ein Hehl macht, funktioniert. "Die Enttäuschung ist groß, der Diskurs ist ein sachlicher", sagt etwa der schwarze Mandatar Strasser. "Wir haben drei intensive Tage hinter uns, in denen wir einiges durchgebracht haben", ergänzt die Grünen-Abgeordnete Barbara Nessler.

Planmäßig tritt der Nationalrat erst wieder am 18. September zusammen. Angesichts der Nationalratswahl am 29. September wäre es aber keine Überraschung, wenn es davor noch zu einer Sondersitzung kommt. Auch mehrere Abgeordnete rechnen mit einer solchen. Etwa Nessler: "Schauen wir einmal, wie lange die plenarfreie Zeit wirklich geht."

Am Ende der Sitzung kurz vor 18 Uhr hielt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) schließlich noch eine Dankesrede, ehe er die Abgeordneten in die Sommerpause verabschiedete. Er sprach von einem "intensiven Arbeitsjahr", in dem viele Beschlüsse gefasst und zahlreiche Diskussion geführt wurden. "Vielen herzlichen Dank für Ihre Arbeit. Die Sitzung ist geschlossen", sagte er. (Sandra Schieder, 5.7.2024)