"Wir haben den Krieg gegen Disketten am 28. Juni gewonnen!", sagte der japanische Digitalminister Taro Kono gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Dem Hightech-Ruf von Japan stolpert die Verwaltung hinterher: Bisher benötigten Japanerinnen und Japaner für manche Amtswege noch immer Disketten. In den vergangenen Monaten hat die Digitalagentur unter Kono mehr als 1000 Vorschriften gestrichen, die sich auf Disketten bezogen. Mit einer Umweltvorschrift für Fahrzeugrecycling existiert nur mehr eine. Nach den Disketten sollen laut Taro als nächstes Faxgeräte abgeschafft werden.

Digitalminister Taro Kono setzt sich gegen veraltete Technologien in der Verwaltung ein.
IMAGO/Yoshio Tsunoda

Japans Digitalagentur wurde zu Corona-Zeiten 2021 gegründet. Damals benötigten die meisten Amtswege noch Papier. Das erschwerte der japanischen Verwaltung die Pandemiebekämpfung: Landesweite Corona-Tests, die Impfstoffverteilung und Quarantänebestimmungen für Einreisende gestalteten sich chaotisch. Taro Kono war für ebenjene Impfstoffverteilung zuständig. Der ehemalige Außen- und Verteidigungsminister nahm nach einer gescheiterten Kandidatur als Premierminister 2022 seine jetzige Rolle als Digitalminister an.

Veraltete Technologie

Taro kündigte 2022 mit seinem "Krieg gegen Disks" (DER STANDARD berichtete) nicht nur Disketten, sondern auch CDs und Minidisks (ein magneto-optisches Speichermedium, das ähnlich wie CDs funktioniert) den Kampf an. Disketten werden seit 2011 nicht mehr in Japan hergestellt. Das Speichermedium, das viele nur mehr als das "Speicher"-Symbol in diversen Programmen kennen, hat schlicht ausgedient: Die rund 55 Jahre alten Disketten können nur maximal 2,8 MB speichern (wobei eigentlich 1,44 MB Standard sind). Zum Vergleich: Bei Festplatten sind aktuell Modelle mit bis zu 32 TB im Handel. Für dieselbe Kapazität bräuchte man fast 11 Millionen Disketten.

Dass mit verlorengegangenen Disketten auch wichtige Daten verschwinden, bewies die Tokioter Polizei. Berichten der japanischen The Mainichi zufolge gingen im Dezember 2021 zwei Disketten verloren, die Daten von Bewerberinnen und Bewerbern für Sozialwohnungen enthielten. Die Polizei sollte die Bewerberinnen und Bewerber auf kriminelle Hintergründe prüfen, entsorgte die Datenträger laut eigener Aussage aber versehentlich.

Disketten: längst von anderen Speichermedien abgelöst.
Wikipedia/George Chernilevsky

Disketten werden auch heute noch in weiten Bereichen der Industrie eingesetzt – unter anderem bei Fluglinien, DER STANDARD berichtete. Da die Hälfte der Flotte vieler Airlines mehr als 20 Jahre alt ist, arbeitet die Bordelektronik teils noch immer mit Disketten. Die US-Nuklearstreitkräfte kamen Japan zuvor und ersetzten bereits 2019 die Floppy-Disks in ihren Computersystemen.

Widerstand gegen Digitalisierung

Die Digitalisierung in Japans Verwaltung verläuft schleichend. Bereits 2021 sollte die Nutzung von Fax untersagt werden, Beamtinnen und Beamte weigerten sich aber. Statt sich über einfachere Kommunikationswege zu freuen, bezeichneten sie den Umstieg Berichten des Hokkaido Shimbun zufolge als "unmöglich". Sie befürchteten, dass die Kommunikation über E-Mail sensible Daten gefährde. Die neue Vorgabe wurde zurückgezogen und E-Mail empfohlen, Fax aber nicht explizit untersagt. Fax-Nachrichten werden standardmäßig unverschlüsselt über Telefonleitungen versendet. Sie können aber schwerer abgefangen werden als E-Mails, die mehr Angriffsfläche bieten.

Neben langen Amtswegen bleiben die traditionellen Hanko-Siegel ein weiteres Hindernis. Die Siegel, mit denen in Japan offizielle Urkunden anstelle einer Unterschrift beglaubigt werden, sollten bereits 2020 ersetzt werden. Der damalige Premierminister Yoshihide Suga kam mit seinem Vorhaben nicht durch: Obwohl von vielen Unternehmen befürwortet, regte sich Widerstand. Hankos seien Teil der kulturellen Identität Japans und sollten nicht aufgegeben werden. Japans Widerwille in Sachen Digitalisierung zeigt sich auch im World Digital Competitiveness Ranking des Institute for Management Development: Dort belegt Japan aktuell Platz 32 von 64 und liegt damit zwei Plätze vor Kasachstan. (jsa, 5.7.2024)