Wahlkampf ist. Und wie! Es geht um "seine Versprechen", es geht um "die Menschen". Und das oft. Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer bemüht sich Donnerstagabend in der ZiB 2 bei Margit Laufer redlich, die Phrase "für die Menschen" so oft wie möglich unterzubringen. Und das gelingt ihm gut. Mit "die Menschen haben wieder mehr Geld im Börserl", "den Menschen ist Geld zurückzugeben vom schleichenden Lohnfraß" steigt er beim Thema kalte Progression ins Gespräch ein. "Damit habe ich mein Versprechen gehalten", betont er gleich in den ersten Minuten des Gesprächs. Um "seine Versprechen" wird es freilich auch später immer wieder gehen.

Ihm sei es wichtig, die "Fleißigen und die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger zu entlasten", bemüht er sich um seine potenziellen Wählerinnen und Wähler und erwähnt etwa das höhere Kilometergeld. Denn ihm seien jene Menschen besonders viel wert, die "durch ihre Arbeit zu diesem solidarischen Wohlfahrtsstaat beitragen".

Karl Nehammer in der
Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer stellt sich in der "ZiB 2" gern Fragen, auf die er eine Antwort parat hat.
Foto: ORF On

Nehammers eigene Fragen

Wie ist denn die Stimmung in der Koalition? Laufer zählt die Punkte auf, die diese Stimmung ja trüben. Das wäre einmal Gewesslers Ja zum EU-Renaturierungsgesetz, das Hin und Her beim Klimaplan oder beim Verbrenner-Aus. "Uneinigkeit in Koalitionsregierungen" sei für Brüssel keine Seltenheit, beruhigt Nehammer. Gewessler verstoße hier gegen das Recht und spreche nicht für Österreich. Nehammer gibt sich umweltbewusst, "sie können aus österreichischen Seen trinken, über 50 Prozent der Fläche besteht aus Wald". Er sieht "keine unterschiedlichen Rechtsauffassungen", er wiederholt einmal mehr, dass Einstimmigkeit herzustellen gewesen wäre. Der EU wirft er vor, beim Renaturierungsgesetz "zentralistisch" vorzugehen, die "Bevormundung und Überregulierung" funktioniere nicht.

Er verspricht eine Nichtigkeitsanzeige, die werde "natürlich" eingebracht. Und er bringt an dieser Stelle einen Satz unter, den sein Social-Media-Team zur selben Zeit auf X postet: "Wenn sie mich nach meiner Emotion fragen, hätte ich sofort die Entlassung der Energieministerin vorgeschlagen. Ein öffentlich begangener Rechtsbruch ist zu ahnden." Um sich gleich darauf selbst zu fragen: "Warum habe ich es nicht getan?" Es geht – Sie ahnen es – um "seine Versprechen". Er habe "den Menschen versprochen, dass diese Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode dient". Damit es "Stabilität und kein Chaos gibt". Laufer hört geduldig zu, unterbricht ihn auch nicht, als er sich selbst eine weitere Frage stellt: "Warum ist das wichtig?", will er von sich selbst wissen. Seine Antwort an sich selbst: "Wenn im Parlament das freie Spiel der Kräfte ausbricht, gibt es Milliarden Versprechungen an Wahlzuckerln." Hier kommt dann wieder "sein Versprechen" ins nicht so freie Spiel: "Mein Versprechen war, das zu verhindern. Daran habe ich mich gehalten."

Kanzler Nehammer in der
Karl Nehammer war Donnerstagabend zu Gast bei Margit Laufer in der "ZiB 2".
Screenshot: ORF On

Gewessler "gleiche Einstellung" wie Kickl

Warum er dem Misstrauensantrag der FPÖ gegen Gewessler nicht zugestimmt habe? Diese Frage kommt dann nicht von ihm selbst, sondern wieder von Laufer. Nehammer betont hier, wie verantwortlich er da agiert habe, "Emotion hat oft hintanzustehen gegenüber Verantwortung". Laufer will dann in die Zukunft blicken: Mit wem lässt es sich nach der Wahl zusammenarbeiten? Gewessler habe sich "selbst aus dem Spiel genommen", sagt Nehammer da, "ihr Fehlverhalten wird noch große Probleme für Österreich bereiten". Eine Zusammenarbeit mit Leonore Gewessler schließt er also aus, vergleicht ihre Einstellung mit jener von FPÖ-Chef Herbert Kickl. Herbert Kickl habe einmal gemeint, dass das Recht der Politik zu folgen hat, "die Energieministerin hat offensichtlich die gleiche Einstellung".

Später darf er noch erklären, wie er in der Krisenbewältigung "den Weg der Mitte" gewählt hat, wie der Wirtschaftsstandort Österreichs abgesichert wurde, wie die Kaufkraft der Menschen gestärkt worden sei. Warum sich das in den Umfragen nicht gezeigt habe? Diese Frage stellt er sich freilich nicht selbst, diese Frage kommt wieder von Laufer. Als Antwort referiert er über den "Krieg zwischen Russland und der Ukraine", den Krieg im Nahen Osten, die Menschen hätten Sorgen und Angst. Es gelte, diese Sorgen ernst zu nehmen. "Erster zu werden und so viel Vertrauen als möglich zu bekommen", nennt Nehammer als sein Wahlziel. "Es gibt noch viel zu tun", auch die Pensionistinnen und Pensionisten will er "nicht im Stich lassen".

ZIB 2: ÖVP-Chef Nehammer: "Wir haben unser Versprechen gehalten"
ORF

Nehammers Bemühungen und Modis Wunsch

Als Laufer erwähnt, dass er damit der nächsten Regierung ein "Budgettrümmerfeld" hinterlasse, kostet ihn das ein kleines Lächeln, er sieht darin eine "Zuspitzung" der ZiB 2-Moderatorin, "wir sind hier deutlich besser als viele EU-Mitgliedsstaaten", beruhigt er. Soll ein Sparpaket kommen? Nehammer: "Nein, es braucht ein umsichtiges Vorgehen, damit Investitionen und Mehreinnahmen stattfinden."

Wen schickt Österreich in die EU-Kommission? Eine Antwort darauf gibt es nicht, Nehammer schafft hier den rhetorischen Schwenk, sich selbst zu loben. Der Kanzler freut sich nämlich sehr darüber, dass es gelungen sei, "den indischen Premier Modi nach Österreich zu bringen". Diese Bemühungen dürften nicht allzu schwierig gewesen sein, denn: "Es war sein Wunsch, nach Österreich zu kommen." (Astrid Ebenführer, 5.7.2024)