In den Regierungs- und Redaktionsstuben von Westminster drehten sich die Spekulationen in den letzten Tagen um die Besetzung des neuen Labour-Kabinetts. Im Mittelpunkt stand dabei eines der traditionell für wichtig gehaltenen Ministerien: Wer würde im wuchtigen Foreign Office einziehen, das seit der Zusammenlegung mit dem Entwicklungshilferessort nun offiziell FCDO, Foreign, Commonwealth and Development Office, heißt?

David Lammy darf sich Hoffnungen auf das britische Außenministerium machen.
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Im Schattenkabinett hat sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren David Lammy der Sache angenommen, als Kontrahenten erlebte er von Liz Truss über James Cleverly bis zuletzt David Cameron immerhin drei Minister. Der gut mit dem früheren US-Präsidenten Barack Obama bekannte Lammy hat "progressiven Realismus" gepredigt, preist die Nato und den Beitrag des britischen Militärs und stellt gute Beziehungen zum Weißen Haus in Aussicht, "egal mit wem wir es zu tun haben".

Harte Worte gegen Trump

Damit ist natürlich Ex-Präsident Donald Trump gemeint, dem die Umfragen gute Chancen auf eine Wiederwahl im November einräumen. Wie Lammy 2017 über den damaligen Präsidenten dachte, hat er in einem Artikel für das Magazin Time mitgeteilt: "Trump ist nicht nur ein Frauenhasser, Sympathisant von Neonazis und Soziopath. Er ist eine ernsthafte Bedrohung für die internationale Ordnung."

Kann der zukünftige britische Premierminister Keir Starmer einen Mann mit solchen öffentlich geäußerten Meinungen als Chefdiplomaten nach Washington schicken? Nichts bindet den Labour-Chef. An diesem Freitag ist er "so mächtig wie womöglich nie wieder", weiß Andrew Gimson, Autor eines Buches über sämtliche Premierminister der vergangenen gut 300 Jahre. Er muss Lammy nicht zum Außenminister machen, nicht einmal ins Kabinett berufen.

Andererseits gibt es wenige Schwarze im Labour-Schattenkabinett. Starmer hat zu Beginn des Wahlkampfs beim Streit über die schwarze Veteranin Diane Abbott den Eindruck entstehen lassen, die Belange der ethnischen Minderheiten und deren Vertreterinnen seien ihm gleichgültig. Die Degradierung des prominentesten Labour-Abgeordneten mit Migrationshintergrund würde dies verfestigen.

Ehrgeizige Alternativen

Sämtliche Alternativen für den begehrten Posten sind weiße Männer. Infrage käme wohl Hilary Benn, der unter Tony Blair schon Entwicklungshilfeminister war. Eine elegante Lösung wäre auch der frühere EU-Kommissar Peter Mandelson. Freilich sitzt Letzterer im Oberhaus, und Starmer hat ohnehin zu viele Unterhaus-Mandatare, die einen Regierungsjob beanspruchen. Hartnäckig ins Spiel gebracht wurde in den vergangenen Wochen immer wieder Douglas Alexander, auch er ein Veteran des Entwicklungsressorts. Der Schotte gilt als charmant und strategisch begabt, aber auch als illoyal und über alle Maßen ehrgeizig. Zudem kommt er nach neunjähriger Pause gerade erst wieder ins Parlament.

Bei Lammy gibt es immerhin keinen Zweifel, dass er seinen Nordlondoner Wahlkreis Tottenham verteidigen wird. Zwei andere Mitglieder des Schattenkabinetts hingegen müssen um ihre Sitze bangen: Die justizpolitische Sprecherin Shabana Mahmood steht unter hohem Druck eines unabhängigen Palästina-Marktschreiers in Birmingham, Konzertcellistin und Schattenkulturministerin Thangam Debbonaire hat es in Bristol mit der Grünen-Sprecherin Carla Denyer zu tun. Womöglich verliert Starmer zwei prominente Angehörige ethnischer Minderheiten aus seinem Team, gewinnt damit aber Bewegungsfreiheit. (Sebastian Borger aus London, 5.7.2024)