Wien – Es ist ein Interview, das Emotionen weckt. Ein Schauspielstar nimmt die Leserschaft in sein Seelenleben mit. "Es gab Zeiten, da war ich auch brutal. Allerdings nicht zu anderen Menschen und am wenigsten zu meinen beiden Kindern. Aber ich kann wütend werden", sagte Patrick Stewart etwa auf die Frage, welchen Einfluss die Gewalttätigkeit seines Vaters auf ihn hatte. Und seinen Vater beschreibt der Brite so: "Er kehrte aus dem Krieg als Alkoholiker heim und war äußerst aggressiv. Freitagabends begann er zu trinken und trank bis Sonntagabend. Dann war er gefährlich. Ich fürchtete mich vor ihm."

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"Die ganze Woche" veröffentlichte im April 2024 ein Interview mit Patrick Stewart.
Faksimile/Die ganze Woche

Stewart veröffentlichte Autobiografie

Das auflagenstarke österreichische Wochenblatt Die ganze Woche veröffentlichte kürzlich dieses Interview mit dem britischen Schauspielstar Patrick Stewart, bekannt und berühmt als Captain Jean-Luc Picard in der Serie Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert, durch die X-Men-Filme oder Star Trek: Picard. Der 83-Jährige plaudert darin frei von der Leber weg offen über sein Privatleben, das er kürzlich in seiner Autobiografie Making It So – Mein Leben verschriftlicht hat.

"Ich vermisse meine Kinder"

Erschienen ist das Interview in der Ganzen Woche am 17. April 2024 als Titelgeschichte, angeteasert mit dem Zitat "Ich vermisse meine Kinder". Ein Autor oder eine Autorin ist nicht angeführt. Stewart erzählt, dass er ein "trauriges Verhältnis" zu seinen Kindern habe. Er denke zwar jeden Tag an sie, sehe sie aber nie: "Leider nahm ich, als ich jung war, meine Arbeit wichtiger als meine Familie." Das Gespräch wirft allerdings Fragen auf. Warum ist Die ganze Woche das einzige österreichische Medium, das ein Interview mit Stewart im Blatt hat?

Patrick Stewart am Cover der
Patrick Stewart auf dem Cover der "Ganzen Woche".
Faksimile/Die ganze Woche

Der Riva-Verlag der Münchner Verlagsgruppe hat Patrick Stewarts Buch im März 2024 nach Deutschland gebracht. Erschienen ist es unter dem Originaltitel Making It So: A Memoir im Herbst 2023 im englischsprachigen Raum, wo es als New York Times-Bestseller verkauft wird.

Stewart gab keine Interviews

Presseanfragen zu dem Buch laufen über den Riva-Verlag sowie Patrick Stewarts PR-Agentur. Dass der zum Sir geadelte Captain der Ganzen Woche tatsächlich ein Interview gegeben hat, schließen beide aus. Es gab schlicht und ergreifend keine mit Stewart in deutschsprachigen Medien. Auch wenn das Interview über eine internationale Agentur organisiert worden wäre, hätte der Verlag das mitbekommen müssen.

Anja Bauriedel, Pressesprecherin der Münchner Verlagsgruppe, hält das Vorgehen des Mediums für "dreist". Im Raum steht der Vorwurf, dass Die Ganze Woche das Interview entweder gefälscht oder von irgendwoher kopiert hat oder Passagen aus dem Buch als "Interview" verkauft, um damit Auflage zu machen. Bauriedel sagt zum STANDARD, dass der Verlag rechtliche Schritte gegen das Wochenblatt prüfe.

Reaktion der "Ganzen Woche"

Die Sätze, die Patrick Stewart gesagt haben soll, könnten theoretisch auch ein Destillat aus Passagen sein, die sich in seinem Buch wiederfinden. Der Inhalt sei aber nicht ident, sagt Bauriedel. Der Riva-Verlag hat Burkhard Trummer, den Chefredakteur der Ganzen Woche, nach der Herkunft des Interviews gefragt, aber keine plausible Antwort erhalten. Auch auf Anfragen des STANDARD reagierte Trummer nicht. Dafür antwortet Noah Falk, Herausgeber der Ganzen Woche: Das Interview wurde "eingekauft", so Falk. Den "Lieferanten" möchte er aber nicht nennen, sagt er auf Nachfrage.

Chefredakteur Trummer soll sich gegenüber dem Riva-Verlag über die Beschwerde gewundert haben, denn immerhin mache er mit dem Interview ja Werbung für das Buch, so seine Argumentation. Der Verlag wird in der Ganzen Woche allerdings mit keinem Wort erwähnt. Online wurde das Interview mittlerweile entfernt. Manche Antworten lesen sich wie eine Übersetzung des Gesprächs, das Stewart im Herbst 2023 mit dem britischen Guardian geführt hat.

Die ganze Woche ist bekannt für Interviews mit internationalen Stars, so finden sich in den vergangenen Wochen etwa die italienische Musikerin Gianna Nannini, die US-Sängerin und -Schauspielerin Barbra Streisand und der Musiker Rod Stewart prominent im Blatt.

Österreichs größtes Wochenmagazin

Die ganze Woche wurde im Jahr 1985 gegründet, sie wird von Noah Falk herausgegeben. Er ist der Sohn von Woche- und Täglich alles-Gründer Kurt Falk. Mit einer Reichweite von 8,5 Prozent ist Die ganze Woche seit Jahren Österreichs größtes Wochenmagazin. Die Zielgruppe sind ältere Leserinnen und Leser. Bei den über 70-Jährigen kam die Illustrierte laut Media-Analyse 2023 auf eine Reichweite von 24 Prozent.

Laut Zahlen der Österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK) druckte das Magazin im Jahr 2023 rund 345.000 Exemplare pro Woche, die verkaufte Auflage lag bei 238.000 Stück. Punkten kann das Heft vor allem beim Einzelverkauf in Trafiken und Geschäften. So setzte das Blatt im Schnitt über den Einzelverkauf 195.000 Hefte ab. Stars auf dem Cover sind da herzlich willkommen. Sie kurbeln den Verkauf an. (Oliver Mark, 5.7.2024)