Taylor Swift in Edinburgh in Aktion – und Publikum am Handy schaut mit.
AP/Jane Barlow

In England hat sie gerade mit einem Schaulaufen von Promigästen entzückt: Thronfolger Prinz William hat auf der Tribüne zu Shake it off seine royalen Pflichten abgeschüttelt, sogar der für manche noch wahrere Royal Sir Paul McCartney hat sich den Konzertstopp von Taylor Swift in London nicht entgehen lassen. Dem Internet den Kopf verdreht hat auch der tanzende Boyfriend, wobei Travis Kelce, Instagram und Tiktok gleichermaßen Glück haben, dass die Footballsaison in den USA vor dem Start der Europatournee der Popmilliardärin zu Ende gegangen ist, sodass er sie jetzt begleiten kann. In den Niederlanden haben die Behörden diese Woche für Fans ohne Ticket zu einem der drei Amsterdam-Konzerte, die noch bis Samstag laufen, ein Campingverbot rund um die Johan Cruijff Arena verhängt. Gewarnt wird vor "Taylor-gating", also dass Swifties ohne Karten sich auf Parkplätzen rund um den Spielort zum Mitsingen treffen.

Welche Szenen sich in einem Monat in Wien abspielen werden, wenn Swift am 8., 9. und 10. August dreimal das Ernst-Happel-Stadion füllen wird, wissen wir noch nicht. Klar ist aber, es wird jene geben, die hineindürfen, und solche, die es nicht dürfen – weil sie keine der 180.000 Karten zwischen 99 und 800 Euro ergattert haben. Ich gehöre zufällig zu den Ersteren. Man muss keine Songs mitsingen können, man muss Taylor Swift nicht in seinen Playlists haben – und kann doch hingehen. Denn man kann trotz alldem dem Hype verfallen, zumindest ein Stück weit. Instagram hat mich dazu gehypt, vor einem Jahr, mit Reels, die es mir aus Nashville, Los Angeles oder Seattle in den Feed spülte.

Gute Laune, Empowerment, Liebe

Aufgenommen manchmal direkt vor der Bühne, ganz oft aber aus hinteren Reihen in so USA-XXL-großen Stadien, dass man auf der Bühne nur mehr Ameisen erkennen kann. Die Sängerin? Wird dabei gern übertönt vom Mitjohlen des Publikums: jungen Frauen, ihren Boyfriends, Pärchen, die einander zu Love Story Heiratsanträge machen, Mädchen im Schulalter, deren Väter als Begleitpersonen für die Liebe der Tochter Swift-Texte auswendig gelernt haben: "It's me, hi, I'm the problem, it's me."

Apropos: Albumeditionen mit drei, vier verschiedenen Covers aufzulegen, um Fans, die gewiss bessere Investitionen tätigen könnten, gleich drei oder vier dieser Erwerbungen anzudrehen – problematisch! Einen Konzertmitschnitt für 20 Euro je Ticket in Kinosälen abzuspielen – absurd! Aber irgendwann habe ich diesem kollektiven Sensationsgefühl nachgegeben. Es ist ja auch alles so schön gute Laune, Empowerment, Liebe auf diesen Konzerten – soweit man es in Reels sehen kann. Manche Videos stammen von Fans, manche von Accounts aus dem Businessuniversum um Swift selbst. Es ist nicht alles nur nett, was glitzert: Plattenlabels können mit der direkten Kommunikation über Social Media ihre eigenen Narrative viel effizienter beim Publikum platzieren. Zugleich spielen klassische Medien immer weniger Rolle in ihren PR-Strategien.

Zwei Wochen nach Swift treten Coldplay sogar viermal in Wien auf. In aktuellen Reels fordert Sänger Chris Martin 100.000 Besucher auf, ihre Handys wegzustecken, die Hände hochzuheben: Lichtermeer, Emotion. Natürlich gibt's dafür keine Karten mehr. (Michael Wurmitzer, 5.7.2024)