Was tun, wenn das Windrad lahmt und dicke Wolken den Solaranlagen die Sonnenstrahlen stehlen? Bisher hieß die Antwort meist: Gas geben. Vor allem wenn der Energiebedarf groß ist, erneuerbare Energieanlagen aber wenig Strom produzieren, springen oft Gaskraftwerke ein, die sich vergleichsweise schnell hoch- und runterfahren lassen.

Doch das soll bald der Vergangenheit angehören. Bis 2030 soll Österreich seinen Strombedarf ausschließlich aus erneuerbaren Energien decken, so hat es sich die Bundesregierung vorgenommen. Zwar soll das Ziel vorerst nur bilanziell erreicht werden – das heißt, dass übers Jahr gleich viel Grünstrom produziert wird, wie insgesamt Strom verbraucht wird –, doch langfristig sollen fossile Kraftwerke so gut wie vollständig aus dem Stromnetz verschwinden.

Bisher wird Strom vor allem mithilfe von Pumpspeicherkraftwerken gespeichert.
APA/CLARA HOFER

Preisverfall bei Batterien

Wenn die Energiewende gelingen soll, braucht es also Speicher, welche die Spitzen und Tiefen der erneuerbaren Energie ausgleichen. In Österreich übernehmen diese Funktion praktisch ausschließlich Pumpspeicherkraftwerke – doch nicht jedes Land hat die Berge und Täler, die sich für solche fluten lassen.

Hier kommen Batteriespeicher ins Spiel. Der Preis für Lithium-Ionen-Batterien ist in den vergangenen zehn Jahren um über 80 Prozent gefallen, weshalb sie zunehmend nicht nur in Fahrzeugen, sondern auch als Stabilisator für die Stromnetze eingesetzt werden.

Alternative zu Lithium

Doch diese Speicher haben auch Nachteile: Einige wenige Nationen sitzen auf einem großen Teil der Ressourcen wie Lithium, Kobalt oder Nickel, die derzeit vor allem für die Elektromobilität gebraucht werden. Die fertigen Zellen sind zudem leicht brennbar und haben eine beschränkte Lebensdauer.

Eine Alternative sind sogenannte Redox-Flow-Batterien. Hier sind die Elektrolyte flüssig und lagern in großen externen Tanks. Wird Strom gespeichert oder benötigt, drücken Pumpen die Flüssigkeiten durch Membranen, wo die eigentliche Energiespeicherung und -entspeicherung stattfindet. Durch diese Funktionsweise sollen insbesondere größere Anlagen leicht skalierbar und modular aufbaubar sein.

Redox-Flow-Batterien könnten in Zukunft verstärkt das Stromnetz stabilisieren.
Cellcube

Einfach erweiterbar

"Wenn ich mehr Speicher brauche, erweitere ich einfach die Tanks. Wenn ich mehr Leistung brauche, erweitere ich die Membranflächen", erklärt Thomas Lüth, Chief Commercial Officer von Cellcube. Das Unternehmen aus Wiener Neudorf forscht bereits seit Anfang der 2000er-Jahre an Flow-Batterien und liefert seine Speicher in die ganze Welt, etwa an Krankenhäuser oder das Militär. Allein am Hauptstandort sind 50 Menschen beschäftigt. Auf dem bisher noch kleinen Markt für Flow-Batterien sieht sich Cellcube inzwischen unter den Marktführern.

Zu den Kunden zählen neben Energieversorgern und Netzbetreibern auch Unternehmen, die ihren selbst produzierten Strom speichern wollen. Bisher sind es noch Kleinanlagen, die nur Megawattstunden im einstelligen Bereich speichern können. Doch die Vorteile der Technologie seien auch dort sichtbar. "Wir haben Systeme, die seit 15 Jahren stabil laufen“, sagt Lüth. Kapazitäts- oder Leistungsverlust wie bei Lithium-Akkus gebe es praktisch nicht. Auch dass der Elektrolyt – es bestehen zu drei Vierteln aus Wasser – nicht brennbar sind und sich beim Entladen sogar abkühlen, erweise sich insbesondere in heißen Gebieten als Vorteil.

Ohne Konfliktrohstoffe

Stolz ist Lüth außerdem darauf, dass seine Redox-Flow-Batterie komplett frei von Konfliktrohstoffen sei. "Da ist nichts drin, wovor man Angst haben muss", sagt der promovierte Elektrotechniker. Denn 85 Prozent des weltweit verwendeten Vanadiums stamme aus Restprodukten der Stahlindustrie. Da das Elektrolyt nicht fest mit der Zelle verbunden ist, lasse es sich zudem wiederverwenden. Überhaupt verursache das Produkt um rund 70 Prozent weniger CO2-Emissionen als Lithium-Akkumulatoren.

Doch es geht noch ökologischer – meint zumindest Stefan Spirk. Er und sein Team von der Technischen Universität Graz forschen an einer Redox-Flow-Batterie auf Basis von Vanillin. Der künstliche Aromastoff wird derzeit vor allem als günstiger Ersatz für die echte Bourbon-Vanille eingesetzt – und gibt etwa Vanillekipferln oder -eis ihren namensgebenden Geschmack.

Dass organische Verbindungen wie Vanillin auch als Elektrolyt für Flow-Batterien taugen, ist grundsätzlich bereits seit Jahren bekannt. Spirk und seine Leute haben den Prozess aber in den vergangenen acht Jahren immer weiter optimiert, patentiert und inzwischen auch das Start-up Ecolyte gegründet. "Die Inspiration war die Natur", sagt Spirk – auch dort finden andauernd Reduktionen und Oxidationen statt, die man sich nun für die Energiespeicherung zunutze machen will.

Die Wertschöpfungskette für das Vanillin kann vollkommen regional gestaltet werden, versichert Spirk. Denn hergestellt wird die Chemikalie bereits seit den 1930er-Jahren aus Lignin, einem Nebenprodukt der Papierindustrie.

Stefan Spirk forscht mit seinem Start-up Ecolyte an Redox-Flow-Batterien auf Basis von Vanillin.
TU Graz/Lunghammer

Skalierungseffekte erwartet

Zwei bis drei Jahre würden bis zur Serienproduktion wohl noch vergehen, schätzt Spirk. Den ersten Demonstrator außerhalb des Labors will das Unternehmen im obersteirischen Langenwang in Betrieb nehmen. Dort soll ab Herbst eine Vanillebatterie mit einer Leistung von zehn Kilowatt rund 30 Kilowattstunden einer Photovoltaik-Anlage speichern. Das ist etwa so viel, wie ein Zweipersonenhaushalt in drei Tagen verbraucht.

Als Alternative zur heimischen Lithiumbatterie, die immer öfter zusammen mit der Solaranlage am Dach verbaut wird, eignen sich Redox-Flow-Batterien übrigens nur bedingt. "Je größer die Systeme sind, desto effizienter sind sie", erklärt Spirk. Bei größeren Wohngebäuden, die ihre selbst produzierte Energie speichern wollen, sehe die Sache aber vielleicht anders aus. Primär gehe es aber mal um Stromspeicher im großen Stil.

Warum nicht längst schon die ganze Welt ihre Stromnetze mit Flow-Batterien stabilisiert, lässt sich sehr einfach beantworten. Denn derzeit sind diese in der Anschaffung noch teurer als Lithium-Akkus. Die Speicherkosten würden über 15 Jahre aber bereits unter jenen von Lithium liegen. Thomas Lüth von Cellcube erwartet sich mit höheren Stückzahlen zudem Einsparungen durch Automatisierung der Fertigung. Viele Kunststoffteile würden sich etwa im Spritzgussverfahren kostengünstig herstellen lassen. "Momentan ist noch alles handmade in Austria. Das ist eben noch teuer." (pp, 5.7.2024)