Sonntag war's, die Welt war noch heil, als drei Männer, bei deren Anblick man sich zehnmal überlegt, ob man ihnen einen Gebrauchtwagen abkaufen soll, ein sogenanntes Patriotisches Manifest zum Schnuppern anboten. Wie die Darstellung der patriotischen Dreifaltigkeit auch in diesem Blatt bewies, war die in einem Wiener Hotel stattfindende Veranstaltung eine ästhetische Zumutung, was durch die Behauptung ausgeglichen werden sollte, diese finde an einem "historischen Tag" statt: "Wir treten in eine neue Ära europäischer Politik ein, in eine Ära der Freiheit, des Friedens und des Wohlstands", behauptete der Kleinste der drei, der in der Rolle eines Engels der Verkündigung die Mappe mit dem Evangelium nach Kickl einem rasch zusammengetrommelten Journalistenpublikum vorhalten durfte.

FPÖ-Chef Herbert Kickl, der ungarische Premier Viktor Orbán und der tschechischen Ex-Premier Andrej Babiš bei der Präsentation ihres Patriotischen Manifests.
Haben ein "Patriotisches Manifest" vorgestellt: FPÖ-Chef Herbert Kickl (Mitte), der ungarische Premier Viktor Orbán und der tschechische Ex-Premier Andrej Babiš.
Foto: EPA/ZOLTAN FISCHER/HUNGARIAN PM'

Ob da der Text schon ins Tschechische und Ungarische übersetzt war, die Herren Babiš und Orbán also sinnerfassend genießen konnten, was Kickl da patriotisch manifestiert hatte, blieb offen, ist aber auch nicht wichtig. Hauptsache, sie haben es unter der intellektuellen Patronanz von Harald Vilimsky feierlich unterzeichnet. Bisher hat die Geburt dieses Textes aus dem Geist eines alten Hutes nicht zu einer tieferen Auseinandersetzung mit seinem Inhalt geführt, die Öffentlichkeit hat sich bisher mit der Behauptung zufriedengegeben, er wäre der Bauplan einer "politischen Trägerrakete", nach deren Start Europa nun gebannt darauf wartet, wann welche der drei Stufen – Babiš, Orbán, Kickl – endlich einmal so richtig zündet. Bis 16. Juli ist noch Zeit.

Traurig genug, dass Rechtsextremisten anderswo viel schöner sind als in Mitteleuropa, wo von Primavera di Belezza keine Rede sein kann. Leider stellen sie auch ihre literarischen Ansprüche nicht sehr hoch. Ein Manifest, das nicht mit dem Satz "Ein Gespenst geht um in Europa" beginnt, wenn man sich eine bessere Beschreibung der gegenwärtigen Situation kaum vorstellen kann, ist eine vertane Chance, die Völker, an die es sich wendet, über die wahren Gefahren aufzuklären, die ihnen drohen.

Muffigster Nationalismus

Stattdessen liefert man ein Gebrauchtmanifest, in dem nicht nur muffigster Nationalismus seine Urständ feiert und Marionetten eines russischen Kriegsverbrechers als Verkünder einer Ära des Friedens und der Freiheit auftreten, Korruptionisten und Kleptokraten eine Ära des Wohlstandes versprechen, ohne hinzuzufügen, dass sie dabei sich und ihre Klientel im Auge haben, und Heimatschützer schwanken, ob sie mehr vor einer jüdischen Weltverschwörung oder einer Brüsseler EU-Verschwörung warnen sollen. Das eine schließt das andere ja nicht aus, warum soll man sich die vielen Namen der Weisen von Zion merken, wenn man einen George Soros als Beweis hat.

Interessant ist, dass Kickls Lieblingswahn, das "System" zu zerschlagen, womit nichts anderes gemeint ist als das System der österreichischen Demokratie, im Patriotischen Manifest keine Erwähnung findet. Umso heftiger, aber nicht überraschend wird darin gegen europäische Institutionen gewettert, in denen "stark globalisierte Kräfte die Stimme der Mehrheit und der Volksdemokratie verachten". Die Verwandlung Österreichs in eine Volksdemokratie hat er bisher noch nicht versprochen, das ist schade. Die Leute wären sicher begeistert. (Günter Traxler, 5.7.2024)