crowning (Krönung), so heißt jene Skulptur von Esther Strauß, die im Linzer Dom ausgestellt wurde und Maria bei der Geburt Jesu zeigt. Damit wird nicht nur die Krönung der Hl. Maria bezeichnet, sondern Maria wird gerade in dem Moment gezeigt, bei dem das geburtliche "crowning" stattfindet: der Moment, wenn der Kopf des Kindes aus der Mutter heraustritt und der Körper der Gebärenden (genauer gesagt ihre Vulva) den Kopf des Babys wie eine Krone umfasst. Allein schon diese Doppelbedeutung der Krönung ist bemerkenswert, ausgezeichnet, merkenswert und offenbar provozierend.

Bild der Skulptur von Esther Strauß im Linzer Dom vor der Beschädigung.
Die Skulptur von Esther Strauß, bevor sie beschädigt wurde.
Foto: Mariendom Linz / Ulrich Kehrer

Nur wenige Tage nach Beginn der Ausstellung im Linzer Dom wurde diese Marienfigur der Künstlerin von unbekannt brutal geköpft. Pure Zerstörung und rohe Gewalt eines oder mehrerer Menschen gegen das künstlerisch-authentische Abbild einer Frau – und nicht irgendeiner Frau, sondern der Muttergottes – während der Geburt.

Was mich daran so bewegt, sind mehrere Dinge:

Warum verstört die Abbildung einer Frau bei der Geburt, bei der der Intimbereich nicht intim – also unsichtbar – bleibt? So sind wir alle, eben auch der menschgewordene Jesus Christus, auf diese Welt gekommen. Das ist nicht nur für Gläubige interessant. Die Mehrheit der Menschen weiß nicht, wie eine Geburt ausschauen kann. Frauen sehen sich meist nicht bei ihren Geburten. Vielen Vätern und Begleitpersonen wird nahegelegt, an der Schulter der Gebärenden zu stehen, um gerade eben nicht diese Perspektive zu erhalten. Und circa ein Drittel der Kinder kommt überhaupt durch Kaiserschnitte zur Welt. Frauenkörper und Geburt – auch ohne Religion ist das ein Tabu, das der Frauengesundheit nicht zuträglich ist. Wissen über ihren Körper stärkt Frauen.

Kraftakt Geburt

Was löst das Betrachten des Kunstwerks crowning aus? Bleiben die Blicke an den geöffneten Beinen, an der Schutzlosigkeit von Mutter und Kind, hängen oder wenden sie sich der Kraft der Gebärenden, die die Künstlerinnen (geschnitzt wurde die Figur von Theresa Limberger) in beeindruckender Weise durch Gesichtsausdruck, Körperspannung und Körperhaltung herausgearbeitet haben, zu? Wir haben viele Möglichkeiten, diese Skulptur anzuschauen und den Blick an unterschiedlichen Körperteilen haften zu lassen.

Warum soll gerade der Kraftakt Geburt nicht in einer Kirche gezeigt werden? Wo Gläubige in unterschiedlichster Art und Weise durch die Darstellung von Jesus und zahlreichen Heiligen in unerträglichen Foltersituationen doch hinlänglich geprüft darin sind, schmerzhafte und gewaltvolle Darstellungen auszuhalten. Blut, Tränen, Wunden auf nackter Haut sind in den Kunstschätzen katholischer Gotteshäuser absolut keine Seltenheit. Der Hl. Laurentius beispielsweise wurde lebendig an einen heißen Eisenrost gebunden und findet sich in genau dieser Situation überlebensgroß auf Altarbildern.

Mutige Projekte

Gewalt gegen Frauen betrifft sehr viele Frauen in Österreich und weltweit. Von Jänner bis Juli 2024 gab es laut Übersicht der Autonomen österreichischen Frauenhäuser schon 17 Femizide und 26 Mordversuche/Fälle schwerer Gewalt an Frauen in Österreich. In der Diskussion und der brutalen Reaktion auf crowning spiegelt sich diese Gewalt an Frauen wider. Schwangerschaft und die Zeit rund um die Geburt sowie mit einem Neugeborenen sind für gewaltbetroffene Frauen extrem gefährliche Phasen. Die zerstörte Skulptur crowning sollte als Mahnmal dafür weiterhin öffentliche Sichtbarkeit erhalten.

Die katholische Kirche tut gut daran, weiter gerade solche mutigen feministischen Projekte zu ermöglichen und sich mit ihren Frauenbildern zu beschäftigen. Sie tut auch gut daran, dabei nicht nur in der Vergangenheit zu bleiben, sondern für die Zukunft der Geschlechtergerechtigkeit zu bauen. Der Umgang mit crowning muss dafür ein Baustein sein. (Lea Putz-Erath, 4.7.2024)