Zu sehen ist die schwedische Musikerin Fever Ray auf der Bühne.
Karin Dreijer alias Fever Ray gastiert mit einer tendenziell unchristlichen Show am Sonntag, 7. Juli, auf dem Domplatz in St. Pölten.
AFP/Anna Kurth

Dass ausgerechnet ein nonbinärer queerer Mensch wie Karin Dreijer alias Fever Ray aus Schweden im Dezember 2023 im Rahmen einer langjährigen Unterstützung der Israel-Boykottkampagne BDS auf Instagram zur Auslöschung des israelischen Staats mit dem Spruch "From the river to the sea" und zum Ende der "Besetzung" des Gazastreifens aufrief, ist bedauerlich wie blöd. Allerdings gehört das in Skandinaviens Kulturszene offenbar zum guten Ton. Man konnte das auch jüngst im Vorfeld des Eurovision Song Contest in Malmö feststellen. Hunderte schwedische Kunstschaffende forderten den Ausschluss der israelischen Kandidatin. Wie auch immer, Kunst ist immer auch politisch zu lesen. Manchmal wäre es aber auch okay, wenn Leute einfach den Mund halten.

Schauerlich kalt trotz Höllenfeuers wird es auch am Sonntag in St. Pölten auf dem Domplatz zugehen, wenn dort Fever Ray im Rahmen des Festivals Tangente bei "Pop am Dom!" einen Auftritt im Anschluss an den freundlichen Soul- und Folkpop der britischen Sängerin Arlo Parks oder die heimischen Dancefloor-Sounds von HVOB absolviert.

Fever Ray

In tausend elektronisch harsch bearbeiteten fremden Zungen wird sich Karin Dreijer in den einzelnen Songs von einer quengelnden Barbiepuppe mit Mordlust in den Augen über eine neuerliche Belastungsstörung von Björk als Satans älteste Schwester bis zum führenden Bassbariton aus dem Opernhaus in Mordor und zurück verwandeln. Das aktuelle Album Radical Romantics kreist über pumpenden Tribal- und Technobeats nicht nur um etwas verstörende Texte zum Thema Liebe. Der synthetische Pop Fever Rays beschäftigt sich, inhaltlich geschult etwa an Judith Butler, auch mit den Themengebieten Rassismus, Sexismus, Gender-Studies und überhaupt mit dem Leben als Randgruppe oder Alien außerhalb heteronormativer Kleinfamilienzwänge in Schweden. Schweden als Weltmeister in Sachen repressive Toleranz: "Free abortions and clean water/ Destroy nuclear (family)/ Destroy boring!" Und: "This country makes it hard to fuck."

Fever Ray

Von den Nullerjahren herauf bis zur Arbeit Shaking The Habitual von 2013 arbeitete sie sich an diesen Themen schon als Duo The Knife gemeinsam mit ihrem Bruder Olof Dreijer ab. Am bekanntesten dürfte der Titelsong If I Had a Heart aus der Serie Vikings sein. Die dort recht drastisch zwischen Fjorden, Paris oder Sizilien und Island ausgelebten Rachefantasien des wilden nordischen Volks brechen sich auch auf dem teilweise wieder von Bruder Olof produzierten Album Radical Romantics ihre Bahn. Wenn die zweifache Mutter etwa über ihren in der Schule von einem Klassenkollegen gemobbten Sohn singt und dem Übeltäter damit droht, ihn zu verfolgen und niederzumetzeln, wird die Borderline entschieden überschritten. Komödie oder Tragödie: Was dort auf der anderen Seite liegt, muss man selbst entscheiden. Wie sagte einmal ein weiser Mensch: Große Kunst kommt aus der Wildnis. Dort leben keine Schafe. (Christian Schachinger, 5.7.2024)