Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) steht ein Misstrauensantrag der FPÖ ins Haus.
APA/HELMUT FOHRINGER

All jene, die die Parlamentsdebatte am Mittwoch verfolgt haben, konnten sich selbst ein Bild davon machen: Um das Koalitionsklima in der Regierung ist es auch gut zwei Wochen nach dem Alleingang von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) in Luxemburg nicht zum Besten bestellt.

Zwar kam es in den Morgenstunden noch zu einem Paarlauf der Klubobleute von ÖVP und Grünen: August Wöginger und Sigrid Maurer stellten sich gemeinsam vor die Presse, um eine Vorschau auf die Sitzungswoche vor der Sommerpause zu geben, und sparten dabei nicht mit Eigenlob. Später im Plenarsaal zeigte sich jedoch durchwegs ein anderes Bild. Da gerieten sich etwa die Grünen-Abgeordnete Astrid Rössler und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) in die Haare. Rössler kritisierte Edtstadler unter anderem für ihr Nein zur EU-Renaturierungsverordnung. Gewessler hatte der Verordnung vor zwei Wochen gegen den expliziten Willen der ÖVP ihre Zustimmung erteilt. "Faktenbefreit" sei die Kritik Edtstadlers an Gewessler gewesen, monierte Rössler. "Es ist im Rechtsstaat nicht egal, was in der Verfassung steht", setzte sich Edtstadler postwendend zur Wehr und verwies auf die Rechtsposition der ÖVP und des Verfassungsdiensts, wonach Gewessler dem Renaturierungsgesetz nicht eigenmächtig hätte zustimmen dürfen.

Die ÖVP brachte deshalb auch eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Gewessler und eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof ein. Dennoch entschied sich Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) dafür, in einer aufrechten Koalition mit einem Partner zu bleiben, dem er "Rechtsbruch" vorwirft – aus staatspolitischer Verantwortung und um das Land nicht in ein Chaos zu stürzen, wie er sagte.

Aussichtsloser Antrag

Donnerstag Nachmittag werden die Abgeordneten der Volkspartei noch einmal ordentlich Koalitionsräson an den Tag legen müssen. Die FPÖ wird den vorletzten Sitzungstag im Parlament vor der Sommerpause nämlich dafür nutzen, ihren angekündigten Misstrauensantrag gegen Gewessler wegen ihrer Zustimmung zur EU-Renaturierungsverordnung einzubringen.

FPÖ-Chef und -Klubobmann Herbert Kickl bezeichnete den Antrag diese Woche als "Gewissensentscheidung" für jeden einzelnen der 71 ÖVP-Abgeordneten. Dieses "Bauernvernichtungsgesetz" sei nicht nur Verrat an den Bäuerinnen und Bauern, sondern auch an den Konsumentinnen und Konsumenten und stelle für die Versorgungssicherheit im Zusammenhang mit heimischen Lebensmitteln ein Problem dar. Der Antrag werde jedenfalls zur "Nagelprobe" für die ÖVP, heißt es seitens der Freiheitlichen.

Trotz Koalitionskrise gilt eine Mehrheit dafür jedoch als so gut wie ausgeschlossen. Aktuell sieht es danach aus, als würde keine der anderen Parlamentsparteien dem Antrag zustimmen. Rund 90 Tage vor der Wahl werde man das Land "nicht in ein Chaos stürzen", erklärte Wöginger diese Woche. Und: "Die Mandatarinnen und Mandatare des Klubs haben sich einhellig dafür ausgesprochen, dem Misstrauensantrag der Opposition nicht zuzustimmen." Der ÖVP-Klub stehe für Pakttreue, durch das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten werde ein freies Spiel der Kräfte verhindert, betonte Wöginger.

Und auch die SPÖ erklärte, dem Misstrauensantrag nicht zustimmen zu wollen. Bei den Neos hat man sich bislang in dieser Frage noch nicht eindeutig positioniert. Vizeklubchef Nikolaus Scherak zeigte sich diese Woche jedenfalls zurückhaltend, betonte aber: "Dass aber unser Vertrauen in Gewessler nicht unbedingt groß ist, ist nachzuvollziehen."

Misstrauensanträge beliebtes Instrument

Misstrauensanträge sind jedenfalls ein beliebtes parlamentarisches Instrument. Laut dem STANDARD vorliegenden Zahlen der Parlamentsdirektion gab es in dieser Legislaturperiode bislang 28 solcher Anträge, die allesamt mit Mehrheit abgeschmettert wurden. Dasselbe Schicksal wird am Donnerstag Misstrauensantrag Nummer 29 gegen Gewessler ereilen.

Unter stabilen politischen Mehrheitsverhältnissen finden Misstrauensanträge praktisch nie eine Mehrheit, auch wenn sie von der Opposition immer wieder eingebracht werden. In der Zweiten Republik zeitigte bislang nur ein Misstrauensantrag Erfolg: Am 27. Mai 2019 entzog eine Mehrheit im Nationalrat der Bundesregierung das Vertrauen, nachdem die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ infolge des Ibiza-Videos zerbrochen war. Kanzler Sebastian Kurz und sein Regierungsteam bestehend aus Ministerinnen und Ministern der ÖVP wurden damit aus dem Amt gejagt. (Sandra Schieder, 4.7.2024)