Es scheint, als wäre die indonesische Insel Sulawesi der erste bedeutende Hotspot der steinzeitlichen Künstlerszene gewesen. Die bisher älteste erkennbare Abbildung eines Tieres wurde 2021 in der abgelegenen Leang-Tedongnge-Höhle entdeckt. Die ausladende Darstellung aus roten mineralischen Pigmenten zeigt ein Pustelschwein und ist mindestens 45.500 Jahre alt.

Ein anderes, nur wenige Hundert Jahre jüngeres Gemälde in einer benachbarten Höhle vermittelt eine ganze Jagdszenerie mit menschlichen Figuren und mehreren Schweinen und Rindern als Beutetieren. Die Bilder sind so detailliert, dass man eine plausible Vorstellung von den damaligen Jagdmethoden gewinnt. Die ältesten bekannten Höhlenmalereien Europas entstanden mindestens 10.000 Jahre später.

Höhlenmalerei Sulawesi
Man braucht schon etwas Fantasie, um die prähistorischen Jagdszenen von Sulawesi zu erkennen. Mit einem Alter von 51.200 Jahren sind sie die ältesten gegenständlichen Höhlenmalereien der Geschichte.
Foto: Griffith University

Drei Menschen und ein Schwein

Nun haben Forschende in einer weiteren Höhle dieser Region ein Kunstwerk entdeckt, das die Entstehung der gegenständlichen Malerei noch einmal beträchtlich in die Vergangenheit rückt: Das Team um die Archäologen Adhi Agus Oktaviana und Maxime Aubert von der australischen Griffith University fand eine Jagdszene, die vor mindestens 51.200 Jahren gemalt worden war – was sie nach aktuellem Stand zur ältesten gegenständlichen Malerei der Welt macht.

Zu erkennen sind drei menschliche Figuren und ein großes Wildschwein. Der Fundort liegt ebenso wie die früheren Funde von Sulawesi im Karstgebiet Maros Pangkep, einer von Höhlen durchzogenen Region im Süden der Insel, die zum Welterbe der Unesco zählt. "Die Entdeckung legt nahe, dass sowohl die Darstellung menschenähnlicher Figuren und Tiere als auch die Verwendung komponierter Szenen in der Kunst einen älteren Ursprung in der Menschheitsgeschichte haben als bisher angenommen", berichtet das Team im Fachjournal Nature.

Genauere Methode

Prähistorische Felskunst hat viel über die frühen menschlichen Kulturen zu erzählen. Zum Leidwesen der Forschung lassen sich solche Kunstwerke aber nur selten genau und zuverlässig datieren. Etabliert hat sich in dieser Hinsicht die sogenannte lösungsbasierte Uranreihenmethode. Dabei werden Proben von Kalziumkarbonatschichten genommen, die sich im Laufe der Zeit auf den Kunstwerken abgelagert haben. Aus dem radioaktiven Zerfall von Uran in Thorium innerhalb dieser Ablagerungen können die Fachleute auf ein Mindestalter schließen.

Leang-Karampuang-Höhle im Süden von Sulawesi
Der Eingang zur Leang-Karampuang-Höhle im Süden von Sulawesi. Das Karstgebiet Maros Pangkep ist reich an solchen prähistorischen Fundorten.
Foto: Google Arts & Culture

Bei dieser Technik kann es allerdings aufgrund der komplexen Wachstumsgeschichte des Kalkgesteins zu Ungenauigkeiten kommen. Das führt häufig dazu, dass man das tatsächliche Alter der darunterliegenden Malerei unterschätzt. Um dieses Problem zu umgehen, haben sich die Forschenden aus Australien einer alternativen Methode zugewandt: der Laserablation-Uranreihen-Bildgebung. Bei dieser Technik wird ein mit einem Massenspektrometer gekoppelter Laser verwendet, um Kalziumkarbonatproben bis ins kleinste Detail zu analysieren.

Der Vorgang ist zwar komplex, liefert aber genauere Altersergebnisse, weil er die Datierung von Kalziumkarbonatmaterialien ermöglicht, die physisch näher an der Originalpigmentschicht liegen. Als die Forschenden die Datierung einer schon länger bekannten Jagdszene in der Höhle Leang Bulu' Sipong 4 überprüfen wollten, erlebten sie eine Überraschung: Das Gemälde ist nicht 43.900 Jahre alt, wie bisher angenommen, sondern um mindestens 4000 Jahre älter.

Rekordalter

Im Anschluss wendeten die Wissenschafter die Messmethode bei einer bisher undatierten Malerei in der Leang-Karampuang-Höhle an, an einem in der Nähe liegenden Fundort. Das Bild zeigt drei Figuren mit menschenähnlicher Gestalt, die sich in der Nähe eines Schweins befinden. Hier lieferten die Ergebnisse der Analysen ein Rekordalter von mindestens 51.200 Jahren – die älteste erzählende Szene weltweit.

"Die Ergebnisse zeigen, dass figurative Darstellungen in der frühen menschlichen Kultur schon lange verwendet wurden", sagte Oktaviana. Die neuen Datierungen würden einige frühere Annahmen bei der Erforschung der pleistozänen Kunst erheblich infrage stellen, so der Archäologe. Offensichtlich hat es auf Sulawesi schon in einer frühen Phase der Geschichte des Homo sapiens eine reiche Kultur des visuellen Geschichtenerzählens gegeben. Europäische Künstler waren von solchen narrativen Kompositionen dagegen noch Jahrtausende entfernt. (tberg, red, 5.7.2024)