Stefan Posch wird in der Zukunft des österreichischen Nationalteams eine tragende Rolle spielen, Marko Arnautovic eher nicht.
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Nach – oder leider: während – der EM ist vor der WM-Qualifikation. Je nach Ergebnissen in der Nations League im Herbst könnte Österreich gerade noch in Lostopf eins bleiben und damit eine machbare Gruppe für das 2026 in Nordamerika ausgetragene Turnier ausfassen. Wie wird das ÖFB-Nationalteam in der Qualifikation und einer möglichen Endrunde aussehen? Und was tut sich bis zur EM 2028?

TOR

Patrick Pentz hat sich bei der EM bewährt. Keines der Gegentore ging auf die Kappe des Bröndby-Goalies, mehrere teils famose Paraden gegen Kylian Mbappé oder Baris Alper Yilmaz könnten ihm einen Karrieresprung ermöglichen. Pentz’ hoher Wert für die ÖFB-Auswahl speist sich aber vor allem aus seinem Fuß, mit ihm als erstem Spielmacher lässt sich das Spiel von hinten ganz anders aufziehen.

Auf Patrick Pentz war in Deutschland Verlass.
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Um den Einserposten wird sich Pentz in Zukunft wohl in erster Linie mit Alexander Schlager (28) matchen müssen. Der Vizemeister wäre wohl zwischen den Stangen gestanden, hätte er sich nicht in der Schlussphase der Saison verletzt. Heinz Lindner (33) wird das ÖFB-Team wohl zu keinem Großereignis mehr führen, bei Niklas Hedl (23) und dem vor der EM überraschend ausgebooteten LASK-Fänger Tobias Lawal (24) sind weitere Entwicklungssprünge nicht ausgeschlossen. Ein absoluter Weltklassehandschuh, wie ihn beispielsweise Slowenien oder die Schweiz seit gefühlten Ewigkeiten haben, scheint Österreich mit Blick auf die Nachwuchsauswahlen aber weiterhin nicht vergönnt.

VERTEIDIGUNG

Die Langzeit-Problemposition Linksverteidiger könnte Rangnick mit einem Kunstgriff gelöst haben. Bei Sturm Graz gräbt Alexander Prass das Mittelfeld um, bei der EM bestach er als linker Außenpracker. Insbesondere gegen die Niederlande war zu sehen, dass das Eins-gegen-eins-Verteidigen auf dem Flügel nicht seine Kernkompetenz ist, aber das kann man mit 23 Jahren noch lernen. Nicht auszuschließen, dass ein zahlungswilliger Klub genug gesehen hat, um Prass als Linksverteidiger zu holen und ihn damit auch für das ÖFB-Team auf diese Position zu optimieren. Philipp Mwene ist 30 und ein braver Verteidiger, nach vorn aber etwas limitierter, als es sich der Teamchef wohl wünschen würde. Bei guter Entwicklung könnte auch David Schnegg (25) eine Option sein. Aus den Nachwuchsteams sind eventuell Benjamin Böckle (Rapid) und Oliver Sorg (Sturm II), der eine starke U17-EM spielte, Zukunftshoffnungen.

Kevin Danso könnte ein Transfer zu einem internationalen Topklub bevorstehen.
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Die Innenverteidigung wird Österreich bis auf Weiteres keine Sorgen machen. David Alaba hat sicher noch zwei gute Jahre im Tank, Kevin Danso (25) ist auf dem Sprung in die Weltklasse, auch Philipp Lienhart (27) und Maximilian Wöber (26) kann man guten Gewissens aufstellen. Mit den 20-jährigen Samson Baidoo und Leopold Querfeld kommt starke Konkurrenz nach, auch Paul Koller (22, noch Altach) könnte für das Team ein Thema werden. Gernot Trauner (32) hatte bei der EM hervorragende Momente, der Zahn der Zeit ist aber nicht sein Freund.

Stefan Posch scheint als Rechtsverteidiger einbetoniert. Der Bologna-Profi ist 27 und spielt kommende Saison Champions League. Flavius Daniliuc (23) kam bei der EM zu keinem Einsatz, dürfte angesichts seiner Einberufung aber die Nase vor Stefan Lainer (31) haben. Womöglich schon in der näheren Zukunft könnte auch Nikolas Veratschnig (vier Tore beim 5:0 der U21 gegen Schottland!) eine Option werden, er wechselte im Sommer vom WAC nach Mainz.

MITTELFELD

Das defensive Mittelfeld wird Rangnick in diesem Jahrzehnt keine Sorgen mehr machen. Konrad Laimer ist 27, Xaver Schlager 26, Nicolas Seiwald 23, das Laufmaschinentrio hat im Teamdress insgesamt noch geschätzte fünf Weltumrundungen vor sich. Florian Grillitsch (28) hatte bei der EM nicht nur gute Momente, bringt mit seiner Finesse aber eine zusätzliche Dimension in die Mannschaft und wird deshalb eine sinnvolle Option bleiben. Auch Marcel Sabitzer (30) wäre als Sechser vielleicht noch einen Tick effektiver, wird im Team aber weiterhin weiter vorn gebraucht. U21-Teamkapitän Matthias Braunöder (22, Como) ist eher ein klassischer Achter, müsste in Rangnicks System also erst einen Platz finden. Eher erst für die EM 2028 eine Möglichkeit ist Nikolas Sattlberger (20, Rapid). Liefering-Supertalent Oliver Lukic wird jedenfalls kein Thema, der 17-jährige Wiener hat sich für den kroatischen Verband entschieden.

Zwei Mann aus dem Trio Konrad Laimer, Nicolas Seiwald und dem bei der EM verletzungsbedingt abwesenden Xaver Schlager auswählen zu müssen ist für Teamchef Rangnick ein Luxusproblem.
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Vor Rangnicks Doppelsechs ist Christoph Baumgartner (24) aus dem offensiven Mittelfeld nicht mehr wegzudenken, sofern er aus Mangel an Alternativen nicht zum Pseudostürmer umfunktioniert werden muss. Wenn Patrick Wimmer (23) seine Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt, ist er auf dem rechten Flügel auch in fünf Jahren noch gesetzt. Sabitzer wird es nicht mehr ganz so lang machen, hat sich als Rangnicks Lieblingslösung für links bewährt. Auch der vom Teamchef nur zögerlich entdeckte Romano Schmid (24) wird nach gelungener EM weiterhin eine tragende Rolle spielen. Marco Grüll (25) bekommt in der deutschen Bundesliga eine neue Herausforderung, Florian Kainz (31) könnte die WM auch noch mitmachen. Bochum-Lebensversicherung und Neo-Gladbacher Kevin Stöger war für Rangnick trotz Topform kein Mann für die EM und ist auch schon 30.

Für die Zehner- und Flügelpositionen kommen reichlich Potenzialspieler nach: Thierno Ballo (22, WAC) war im erweiterten EM-Kader, Muhammed Cham (23, Clermont) hatte schon drei Teameinsätze, Matthias Seidl (23, Rapid) deren vier. Salzburgs Dijon Kameri spielte mit 18 schon starke Champions-League-Partien, stagnierte dann, ist aber trotzdem erst 20. Tristan Osmani (19) unterschrieb jüngst einen Profivertrag bei Schalke. Gut möglich, dass einer aus diesem Quintett in den nächsten zwei bis vier Jahren zulegt und beim ÖFB zum Leistungsträger wird.

STURM

Die Mittelstürmerposition ist die größte Baustelle beim ÖFB-Team. Marko Arnautovic ließ seine Zukunft nach dem EM-Aus offen; dass er dem Team bei der WM mit dann 37 Jahren noch nennenswert helfen kann, ist praktisch auszuschließen. Michael Gregoritsch (30) wird seinen Platz im Kader noch länger halten können, ist aber sicher nicht die alleinige Lösung. Andreas Weimann (32) wird auch nicht jünger.

Wer kommt danach, wenn Rangnick nicht einfach jemanden umfunktioniert? Maximilian Entrup (28) wurde binnen eines Jahres vom Regionalligastürmer zum Teamtorschützen, da stellt sich die Frage, ob der rasante Aufstieg weitergeht oder der Plafond erreicht ist. Sasa Kalajdzic (26) wäre eine hervorragende Lösung, sollten seine Kreuzbänder jemals halten. Junior Adamu (23, Freiburg) ist jetzt schon etwas zu lange ein Zukunftsversprechen, Marlon Mustapha (23, Como) hat bei der Einreise womöglich die Militärpolizei im Nacken, Guido Burgstaller (35, Rapid) wird es auch eher nicht mehr richten.

Aus der Fraktion der 21-Jährigen scheint sich niemand aufzudrängen, wobei größere Leistungssprünge nicht völlig undenkbar sind. Unter anderem wären da Elias Havel (Hartberg), Noah Bischof (Rapid) oder Muharem Huskovic (Austria) zu nennen – doch dass in der vergangenen Saison von 13 Toren der U21-Auswahl nur eines ein Stürmer (Bischof) schoss, spricht Bände. Für Salzburgs Luka Reischl (20), Rapids Furkan Dursun (19) oder Sturms Leon Grgic (18) spricht ihre Jugend. In der derzeitigen U17 scheint wieder mehr Stürmerpotenzial zu liegen, Oghenetejiri Kenneth Adejenughure soll vom BVB sehr genau beobachtet werden. Er wird dem Team 2026 aber noch nicht helfen. (Martin Schauhuber, 4.7.2024)