Studierende in einem Hörsaal
Schulungen sind zeitaufwendig, durch den demografischen Wandel geht viel Wissen verloren. KI kann ermöglichen, Inhalte ansprechend aufzubereiten.
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Künstliche Intelligenz (KI) – nur ein Hype oder gekommen, um zu bleiben? Auch wenn viele Beobachter von überzogenen Erwartungen in Bezug auf Tools wie ChatGPT und Google Gemini sprechen, so rechnen Führungskräfte in Unternehmen mit radikalen Umbrüchen: Laut einer Umfrage des Onlineschulungsanbieters Ed X glauben 49 Prozent der CEOs, dass der Großteil ihrer Arbeit durch KI ersetzt werden könnte.

Gleichzeitig haben 87 Prozent Probleme, Arbeitskräfte mit KI-Skills zu finden. Weiters glauben sie, dass fast die Hälfte der Fähigkeiten ihrer Belegschaft schon 2025 nicht mehr relevant sein werden und dass 47 Prozent ihrer Beschäftigten nicht ausreichend für die zukünftige Arbeitswelt vorbereitet sind. Einer Studie von Accenture zufolge sind wiederum 94 Prozent der Beschäftigten bereit, den Umgang mit generativer KI zu erlernen, während aber nur fünf Prozent der Unternehmen ihr Personal im großen Stil schulen. Das wiederum führt dazu, dass die Mitarbeiter die Sache selbst in die Hand nehmen: 78 Prozent der KI-Nutzer in Unternehmen bringen ihre eigenen Tools mit – und verursachen entsprechende Probleme hinsichtlich Compliance und Datenschutz.

KI-Schulungen aus Österreich

Um diese Lücken zwischen Angebot und Nachfrage zu schließen, haben Florian Hasibar (als CEO) und Fabian Hemmerich (CTO & COO) vor genau einem Jahr, im Juli 2023, das Start-up Mytalents.ai gegründet. Dabei handelt es sich um eine Onlinelernplattform, auf der Beschäftigten in Unternehmen Wissen rund um KI in Form von Videokursen vermittelt wird.

Das Erlernte wird durch Quizze abgeprüft, außerdem können die Lernenden ihre Fähigkeiten mit Mytalents GPT ausprobieren: Dabei handelt es sich um einen KI-Bot auf Basis von OpenAI, der jedoch auf einem europäischen Cloudserver betrieben wird. "Für unsere Kunden ist es wichtig, dass ihre Beschäftigten das Wissen in einer geschützten Umgebung testen können", sagt Hasibar. Später würden manche Kunden standardisierte Lösungen wie MS Copilot verwenden, manche eigene Large Language Models (LLMs) in der Cloud betreiben, nur wenige setzen ihr eigenes LLM lokal auf – vor allem weil die dafür nötigen IT-Fachkräfte fehlen.

Mittlerweile besteht das Kernteam von Mytalents.ai aus rund 15 Menschen, rund 15 weitere Personen steuern Inhalte für die Kurse bei. In zwei kleineren Finanzierungsrunden ("Pre-Seed") hat das junge Unternehmen in Summe etwas über 500.000 Euro an Kapital eingesammelt. Über 50 Unternehmenskunden hat Mytalents.ai inzwischen in Österreich und Deutschland, darunter die ÖBB, Mediaprint, Bitpanda und Oeticket.

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Die weitere geografische Expansion soll unter anderem beschleunigt werden, indem mithilfe von KI-Tools die Plattform und die Lerninhalte – inklusive der Stimmen der Vortragenden – in die englische Sprache übersetzt werden, erklärt Hasibar und skizziert in diesem Kontext die Vision für die kommenden Jahre: Mittels generativer KI sollen Unternehmen eigene Kurse basierend auf bestehenden Lernunterlagen erstellen können.

So wäre es denkbar, dass Unterlagen im PDF-Format hochgeladen werden, sodass das LLM die Inhalte extrahieren und zusammenfassen kann. Mit Text-to-Speech- und Text-to-Video-KIs könnten anschließend die Lehrvideos erstellt werden. Das würde erstens zum Beispiel bei Onboardingprozessen zeitaufwendige Präsenzworkshops und das Durchforsten von Handbüchern obsolet machen, zweitens kann damit auf den demografischen Wandel reagiert werden: In den kommenden Jahren gehen viele Menschen in Pension, ihr Wissen geht verloren. Mit dieser Lösung könnten die erfahrenen Kollegen befragt und das unstrukturiert dokumentierte Wissen anschließend vom LLM strukturiert und aufbereitet werden.

Florian Hasibar (CEO) und Fabian Hemmerich (CTO&COO)
Florian Hasibar (CEO) undFabian Hemmerich (CTO & COO) haben Mytalents.ai im Juli 2023 gegründet.
Katharina Schiffl

Damit würde diese Lösung andere Ansätze des KI-basierten Wissensmanagements in Unternehmen ergänzen. So soll das von der FFG geförderte Unternehmen Acadybot das Erstellen von KI-Chatbots auf Basis von Lernunterlagen ermöglichen, diverse LLMs können schon heute längere Dokumente zusammenfassen – allerdings nach wie vor mit dem Risiko der "KI-Halluzinationen", also dass Informationen hinzugedichtet oder im falschen Kontext interpretiert werden.

Laut Hasibar testet das Team von Mytalents.ai diesen Ansatz bereits intensiv gemeinsam mit den ersten Businesskunden, ab Ende 2024 sollen diese in einer ersten Version der Software (Minimum Viable Product, MVP) die Videoschulungen bereits selbst erstellen können.

KI-Wissen für die Praxis

Bis dieses Vorhaben in der breiten Masse umgesetzt wird, liegt der Fokus weiterhin auf Schulungen zum Thema KI – und hier vor allem auf dem Vermitteln von Fähigkeiten, die Fachabteilungen im Alltag einsetzen können. So wird zunächst Basiswissen zu den Möglichkeiten und Einschränkungen generativer KI sowie zu Themen wie Datenschutz und Urheberrecht vermittelt, dann gibt es Spezialisierungen für bestimmte Tools – von Googles Gemini bis zu Adobe Firefly – sowie schließlich Lernpfade für konkrete Fachbereiche, etwa Marketing, Development oder Finance.

Damit unterscheidet sich das österreichische Start-up auch von großen US-Anbietern wie Coursera und Ed X, deren Kurse mit KI-Thematik sich eher an KI-Entwickler richten, die selbst LLMs und andere Lösungen aufsetzen wollen. Insgesamt gibt es rund 70 unterschiedliche Ausbildungen auf Mytalents.ai, die je mindestens 1,5 Stunden dauern. Der Finanzkurs zum Beispiel dauert aber rund sechs Stunden und bietet laut Hasibar über 100 Anwendungsbeispiele.

Nun ist es so, dass zwar wie eingangs erwähnt viele Führungskräfte den Handlungsdruck in Bezug auf KI spüren, viele aber noch zögern. "Allerdings sieht jeder, der mit derartigen Tools schon einmal Kontakt hatte, auch deren Vorteile", sagt Hasibar. Und schon bald würden derartige Qualifikationen auch in österreichischen Stellenausschreibungen immer öfter zu sehen sein. (Stefan Mey, 5.7.2024)