Mann zieht ein Teraband auseinander und wird von einer Physiotherapeutin dabei angeleitet.
Die slowenische Alma-Mater-Universität will ab Herbst das erste private Physiotherapiestudium in Österreich anbieten.
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Wer schon einmal Rückenschmerzen oder Knieprobleme hatte, musste mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Physiotherapie. In den letzten Jahren ließen sich immer mehr Menschen in Österreich behandeln. Die Nachfrage steigt und damit auch der Bedarf an Physiotherapeutinnen. Nun versucht eine slowenische Privatuniversität als Erste, ein solches Studium in Österreich anzubieten.

Ausbildungsmöglichkeiten

Wer in Österreich zukünftige Physiotherapeutinnen ausbilden darf, ist gesetzlich geregelt. Bisher kann man das Studium nur an einer Fachhochschule absolvieren. "Die Idee dieser Gesetzgebung war, die verschiedenen Studienrichtungen unter den Bildungseinrichtungen aufzuteilen – auch wenn die Grenzen durchlässig sind. Fachhochschulen bieten eher Fächer an, die einen praktischen Schwerpunkt haben. Theoretische Studiengänge sind mehr den Universitäten zugeordnet", erklärt Kurt Koleznik, Generalsekretär der Österreichischen Fachhochschulkonferenz. Seiner Meinung nach ist es sinnvoll, an dieser Zuteilung grundsätzlich festzuhalten.

In anderen Ländern ist die Ausbildungssituation anders. In Deutschland beispielsweise gibt es unterschiedliche Hochschulen, an denen die Physiotherapieausbildung möglich ist. Man braucht für manche auch keine Matura, und es gibt private Einrichtungen, an denen der Beruf erlernt werden kann.

Das erste private Physiotherapiestudium in Österreich

Die slowenische Privatuniversität Alma Mater Europaea versucht nun, ein Bachelorstudium Physiotherapie in Wien anzubieten. Somit wäre das Ausbildungsmonopol der Fachhochschulen zum ersten Mal aufgebrochen. Damit ein solches Studium hierzulande angeboten werden darf, muss die Zulassungsbehörde, die AQ Austria, ihre Zustimmung geben. "Grundsätzlich dürfen laut EU-Recht auch ausländische Institutionen und Universitäten in Österreich ihre Studien anbieten", erklärt Jürgen Petersen, Geschäftsführer der AQ Austria.

Dafür gibt es zwei Wege. Die Alma Mater Europaea hat sich für den ersten Weg entschieden. Dieser sieht folgendermaßen aus: Die Privatuniversität meldet der Zulassungsbehörde AQ Austria, dass sie vorhat, das Studium hier anzubieten. Bei diesem Vorgehen gilt für das Studium und den Abschluss slowenisches Recht. Deswegen muss auch die Berufsberechtigungsprüfung in einer slowenischen Behörde abgelegt werden.

Die AQ Austria prüft dann unter anderem, ob das Studium mit dem österreichischen vergleichbar ist. Nur mit einem positiven Bescheid der AQ Austria darf das Studium in Österreich angeboten werden. Ist der Bescheid negativ und wird das Studium trotzdem angeboten, wird diese Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe geahndet.

Die zweite Möglichkeit wäre, eine Hochschule nach österreichischem Recht zu eröffnen. Dafür müsste sich die Alma Mater hier akkreditieren. Das ist ein weit aufwendigeres Verfahren. Diesen Weg wählte die Alma Mater Europaea nicht.

Noch zu klären

Da die Ausbildung nach slowenischem Recht erfolgt, muss am Ende des dreijährigen berufsbegleitenden Studiums ein sechsmonatiges Praktikum erfolgen. Die Alma Mater Europaea gibt an, hier schon österreichische und slowenische Institutionen gefunden zu haben, an denen dies möglich ist.

Wie erwähnt, muss die Berufsberechtigungsprüfung bei den slowenischen Behörden erfolgen. Diese Prüfung wird laut Aussage der Alma Mater Europaea mit Dolmetschern möglich sein. Erst dann ist man auch vollständig berechtigt, in Österreich zu arbeiten beziehungsweise dafür die Erlaubnis beim österreichischen Gesundheitsministerium einzuholen, die allerdings meist reine Formsache ist.

Die Präsidentin von Physio Austria hat aber noch Bedenken: "Es wird vermittelt, dass man nach dem Studium sofort in Österreich arbeiten kann. Dass man allerdings die Prüfung in Slowenien machen muss, wird auf der Website und in den Bewerbungsunterlagen nicht klar kommuniziert. Deswegen sehen wir das Studium aus Konsumentenschutzgründen momentan noch kritisch."

Wie sinnvoll sind private Ausbildungen?

Was spräche für einen privaten Ausbildungsanbieter? In einer Studie der Physio Austria aus dem Jahr 2024 wurde auch erhoben, in welchem Land die tätigen Physiotherapeuten ihre Ausbildung absolvierten. Nur circa 71 Prozent haben ihre Erstausbildung in Österreich absolviert. Rund 17 Prozent haben die Ausbildung in Deutschland gemacht.

Ein interessanter Fakt ist auch, dass es ein Ost-West-Gefälle in Österreich gibt. Im Westen des Landes gibt es relativ viele Physiotherapeutinnen. In der Studie wird vermutet, dass dies mit der Nähe zu Deutschland und den dortigen diverseren Ausbildungsmöglichkeiten zu tun hat. Im Osten dagegen gibt es im Verhältnis zur Bevölkerung weniger Physiotherapeuten.

Der steigende Bedarf wurde von Seiten der Regierung in den letzten Jahren gesehen. Die Studienplätze wurden vielerorts aufgestockt. Im Jahr 2022/23 gab es 543 Physiotherapie-Studienanfängerinnen in Österreich. Rund 90 Prozent der Studierenden schließen das Studium ab, was eine sehr gute Quote ist und für die Hochschulausbildung spricht.

Robotik im Lehrplan

Bedenken gibt es auch, ob diese hohe Qualität an der Privatuniversität geboten werden kann. "Beim Erstellen des Studiengangs haben wir uns stark an dem österreichischen Lehrplan orientiert", sagt Maximilian-Niklas Bonk, der Universitätsleiter des Physiotherapie-Studiengangs der Alma Mater Europaea. Da der Studiengang in Slowenien in sehr ähnlicher Form seit vielen Jahren existiert und dort akkreditiert ist und die Qualitätssicherung grundsätzlich in allen EU-Staaten gegeben sein muss, sieht Bonk den Studiengang auf dem gleichen Qualitätslevel wie an österreichischen Fachhochschulen. Ein Schwerpunkt der Lehre und Forschung liegt zusätzlich auf Robotik, Künstliche Intelligenz und Augmented Reality.

Im kommenden Ausbildungsjahr könnte das Physiotherapiestudium bei Anwärterinnen noch mehr Anklang finden, da Anfang Juli auch eine neue Novelle des MTD-Gesetzes beschlossen wurde, das medizinisch-therapeutisch-diagnostische Dienste regelt. Darin wird unter anderem auch den Physiotherapeutinnen mehr Handlungsspielraum in der Behandlungsart erlaubt. Constanze Schlegl von Physio Austria hofft, dass die bald neu gewählte Regierung in Zukunft Masterstudiengänge der Physiotherapie ebenfalls öffentlich finanziert. Bisher gibt es nur privat finanzierte Master an den FHs.

Für Anfang Juli war die Entscheidung der AQ Austria geplant, ob das Studium in Österreich zugelassen wird. Diese wurde nun auf September vertagt, da noch ein paar Fragen offen sind. Was bedeutet das nun für das Studium? Die Alma Mater Europaea wirbt weiterhin für das Studium. Denn sie sind guter Hoffnung, dass das Verfahren positiv für sie ausfällt und sie im Herbst die ersten 50 Studierenden in Wien begrüßen dürfen. Falls die Privatuniversität die Zusage bekommt, wird damit ein neues Kapitel in der Physiotherapieausbildung eröffnet. (Natascha Ickert, 4.7.2024)