Es ist eine umstrittene Forderung, mit der der Präsident der Wirtschaftskammer Salzburg diese Woche aufhorchen ließ: Wer in Krankenstand geht, soll sich den ersten Tag davon selbst bezahlen. Hintergrund zu dieser Forderung ist, dass die in heimischen Unternehmen zuletzt auf ein Rekordniveau angestiegen sind, DER STANDARD hat berichtet. Demnach verbrachten laut dem aktuellen Fehlzeitenreport von Wifo und ÖGK unselbstständig Beschäftigte 2022 durchschnittlich 14,9 Tage im Krankenstand, vergangenes Jahr dann 15,4 Tage. Das ist der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1970.

Buchmüller begründet den Vorstoß einerseits mit hohen Entgeltfortzahlungen, die zur Gänze beim Unternehmen liegen – laut Fehlzeitenreport kostet ein Krankenstandstag rund 250 Euro. Andererseits habe das abschreckende Wirkung für Missbrauch von Krankenstand. Die Wirtschaft würde entlastet, und es käme zu weniger Krankenständen, vor allem Kurzzeitkrankenstände würden reduziert.

Ein Mann schnäuzt sich und hat eine Decke um die Schultern.
15,4 Tage waren Österreichs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr 2023 durchschnittlich im Krankenstand.
IMAGO/Tanya Yatsenko

In der Wirtschaftskammer selbst herrscht Uneinigkeit. Rolf Gleißner, Abteilungsleiter für Sozial- und Gesundheitspolitik, distanziert sich von der Idee. Das sei nicht der Ansatz der Wirtschaftskammer Österreich, sagte er am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Man erwarte jedoch von allen Beteiligten korrektes Verhalten.

In der Salzburger Kammer hält man dennoch an dem Vorschlag fest. "Wir wollen niemand pauschal verunglimpfen, der Großteil der Leute verhält sich korrekt. Und wer krank ist, soll sich unbedingt gut auskurieren", heißt es auf STANDARD-Anfrage. Dennoch werde Missbrauch von Krankenstand ein größeres Thema, und vielen seien die hohen Kosten nicht bewusst. Zudem sei es unfair den Kollegen gegenüber, "blauzumachen, obwohl man gesund ist". In Schweden gebe es ein solches Modell schon lange Zeit. Zudem fordere man, dass nachweislicher Missbrauch unter Strafe gestellt wird.

Strikte Ablehnung

"Müssten Arbeitnehmer:innen jeweils den ersten Tag Krankenstand selbst bezahlen, wird das viele kranke Beschäftigte dazu zwingen, arbeiten zu gehen anstatt zum Arzt oder zur Ärztin. Vor allem Niedrigverdiener:innen, die das Geld brauchen, werden sich stattdessen krank in die Arbeit schleppen", sagt Oliver Picek, Chefökonom am gewerkschaftsnahen Momentum-Institut dem STANDARD. "Auch wenn wir als Gesellschaft wollen, dass die Menschen bis zum gesetzlichen Pensionsalter von 65 Jahren arbeiten können, müssen wir ihnen die nötige Zeit zur Genesung lassen, wenn sie der Körper braucht." Es gibt kaum etwas Schädlicheres für den Genesungsprozess als körperliche Anstrengung oder Arbeitsstress, wenn man krank ist. Die meisten Krankenstandstage fielen bei mehrwöchigen Erkrankungen an und nicht bei kurzen Krankenständen. Um die Dauer dieser Erkrankungen zu verringern, brauche es mehr Geld für die Gesundheitsversorgung.

Wenig überraschend lehnt auch die Arbeiterkammer die Forderungen der Wirtschaftskammer strikt ab. "Der Missbrauch von Krankenständen ist die Ausnahme, in vielen Unternehmen werden ohnehin ab dem ersten Tag ärztliche Bestätigungen verlangt", sagte AK-Salzburg-Präsident Peter Eder dem ORF. Wer im Krankenstand etwas mache, das die Heilung nicht fördert, dann sei das schon jetzt ein Entlassungsgrund und Strafe genug. (Andreas Danzer, 3.7.2024)