Unverkennbar ein A24-Film: Mia Goth als Titelheldin Maxine Minx in Ti Wests "MaXXXine".
AP/Justin Lubin

Langsam, ganz langsam öffnet sich ein riesiges Studiotor in Hollywood. Hindurch schreitet selbstbewusst in hautengem Jeansoutfit Maxine Minx. Sie trägt ihren Pornostarnamen mit hocherhobenem, blondiertem Haupt. Und doch möchte sie umsatteln, raus aus der Schmuddelecke, hinein nach Hollywood.

Ti Wests neuer Film MaXXXine greift sein Publikum mit seiner Faszination für eine (womöglich an Ken Russell oder Brian De Palma*) geschulte Neo-Noir-Filmästhetik der 1980er förmlich an. Nach X – dem Texas-Pornstar-Gemetzel im Stil des Texas Chainsaw Massacre (1978) – und Pearl – einem 1918 angesiedelten Prequel zu X in unzeitgemäßem Technicolor – ist es die dritte Zusammenarbeit zwischen dem genrekinoverliebten West und seiner Darstellerin Mia Goth.

Die neue Scream-Queen

Goths Name ist wie gemacht für die Horrorfilmqueen, die sie mittlerweile ist. Wie die Italohorror-Legende Barbara Steele ist Goth Britin, aber very british ist an ihrer Figur Maxine Minx so gar nichts. Sie ist ein goschertes texanisches Bauernmädel, das sich in jedweder Situation zu helfen weiß. Nicht umsonst war sie die einzige Überlebende in X, nicht umsonst hat sie sich in den sieben Jahren seit ihrem blutigen Low-Budget-Einstieg ins Showbusiness zu einem der größten Pornostars der Ära heraufgebückt.

"I will not accept a life I do not deserve", trichterte ihr einst ihr ultrareligiöser Vater ein. Nun mit Mitte zwanzig kombiniert Maxine das Motto mit einem Bette-Davis-Zitat: Ein Star ist man erst, wenn man als Monster berüchtigt ist. Für ihren Traum, Filmstar zu werden, ist Maxine kein Opfer zu klein. Fast ironisch ist es da, dass es auch über den klassischen Weg klappt, denn die Arthouse-Regisseurin des Horrorfilms, für den sie anfangs vorspricht, wählt Maxine für die Hauptrolle aus.

A24

Bemerkenswertes Ensemble

Während sich Maxine auf ihren großen Durchbruch vorbereitet, formiert sich in Hollywood eine religiöse Protestbewegung gegen all das, wofür sie steht. Natürlich geht in der gefährlich abgerockten Stadt auch ein Frauenmörder um, der bald Maxines Stripperkolleginnen auf dem Gewissen hat. Der Kreis um Maxine verengt sich, sie erhält anonym Videokassetten mit inkriminierenden Aufnahmen, ein schmieriger Privatdetektiv klebt ihr an den hohen Hacken, ebenso ein trotteliges Ermittlerduo.

Mia Goth hat als charismatische Hauptdarstellerin ein nicht minder bemerkenswertes Ensemble um sich. Und nein, hier wird nicht lieblos mit Oscarpreisträgern um sich geworfen wie in manch anderen Filmen. Es sind die Auftritte von Charaktergesichtern aus dem Nebenrollenfach, die Freude bereiten. Allen voran Elizabeth Debicki als übercoole The Puritan-Regisseurin, der man zutraut, selbst aus dem größten Schund ein Meisterwerk zu zimmern. Kevin Bacon legt seinen Detektiv als Hommage auf Jack Nicholson in Chinatown an, und Michelle Monaghan liefert im Duo mit Bobby Cannavale einen wunderbaren ersten Auftritt ab – ein wenig klein geraten ist indes die Rolle Giancarlo Espositos als Maxines ruchloser Manager.

Fast stiehlt sie die Show: Elizabeth Debicki als übercoole Horrorfilm-Regisseurin.
AP/Justin Lubin

Ti-West-Fans überschlagen sich bereits wegen des dritten Teils der X-Trilogie, A24 kurbelt mit voller Kraft an der Werbemaschinerie in den USA. Nicht aber für Mia Goth wird geworben, sondern für Maxine Minx – die neue Retro-Scream-Queen am Genrekino-Himmel. Eine Telefonnummer ist auch dabei, man könnte Maxine also auch anrufen. Ins Kino gehen reicht aber völlig aus. (Valerie Dirk, 5.7.2024)