Kraftwerk und die Roboter
Kraftwerk und die Roboter: Beim deutschen Kulturexportschlager kommen immer auch nostalgische Gefühle auf.
imago images/POP-EYE

Als mithin bekannteste Roboter des Pop gelten wohl jene der deutschen Band Kraftwerk. Das Quartett um Ralf Hütter wird seine "Mensch-Maschinen" nun wieder einmal live in Wien präsentieren. Für den Düsseldorfer Hochadel der synthetisch generierten Musik durchaus passend, wird das Konzert am kommenden Samstag im imperialen Rahmen vor der Kulisse des Schlosses Schönbrunn stattfinden. Dass dabei die visuellen Showeffekte, die auf die Fassade des Gebäudes projiziert werden, überwältigend sind, versteht sich von selbst. Irgendwann werden auch die rüstigen Roboter auf einem unsichtbaren Rollband auf die Bühne tuckern. Die sollten ab 1978 die Musiker bei vermeintlich simultan gegebenen Konzerten in New York, Paris, Tokio ersetzen.

Lieb anzuschauen

Dieses Konzept hat sich zwar nicht wirklich durchgesetzt, irgendwer muss ja auch vor Ort die Gage abgreifen. Es ist allerdings lieb anzusehen, wie der ungelenke und stad schauende Showeffekt noch immer beibehalten wird. Niemand sollte damals wissen, ob er es nun tatsächlich mit Kraftwerk zu tun hatte oder doch nur mit seinen mechanischen Stellvertretern. Die Roboter von Kraftwerk sind heute ebenso in die Jahre gekommen wie die Musiker selbst und ihr interessanterweise noch immer tatsächlich live mit Hand und Textaussetzern aufgeführtes historisches Material. Chefingenieur Ralf Hütter ist immerhin stolze 77 Jahre alt.

Song des Tages

Das letzte Kraftwerk-Album stammt von 2003, bis dahin war 1986 mit Electric Café, das sich heute im Rahmen einer von Ralf Hütter unternommenen Geschichtsbegradigung Techno-Pop nennt, ein kreativer Schlusspunkt gesetzt. Dem gingen zuvor bis heute hochverehrte innovative Arbeiten wie Autobahn, Trans Europa Express oder Die Mensch-Maschine und Computerwelt voran. Im Wesentlichen arbeiten Kraftwerk seit gut 50 Jahren daran, ihre als Hightech-Handwerk definierte, kalt-glänzende wie schwerromantische Maschinenmusik durch ständige technische Verbesserungen und Überholungen zu optimieren und am ewigen Leben zu erhalten. Der einst auf Computerwelt 1981 gefeierte "Musikant mit dem Taschenrechner in der Hand" reiht sich in eine Geschichte des Fortschritts ein, die immer nur nach vorn schauen will, aber sehr bald schon wehmütige nostalgische Gefühle erzeugt. Apropos Taschenrechner. Das war früher einmal eine heiße Sache!

Kybernetisch

Angesichts von 2024 selbstständig agierenden Mordmaschinen wie "denkenden" Bomben, schießenden Roboterhunden und anderem Teufelszeug, das heute alles unter KI läuft, ist eines schon lange klar: Der Kampf gegen das Alter und den Tod als alte Idylle von Maschinenwesen, Avataren, Cyborgs lässt sich nicht immer vom Kampf um den Tod der Feinde oder Roboter-Fantasykitsch vom Reißbrett unterscheiden. Der Roboter sollte ursprünglich dem Menschen neben dem industriellen Einsatz in Fertigungshallen die tägliche (Drecks-)Arbeit abnehmen. Deshalb gehen heute noch sehr, sehr viele Konstruktionen davon aus, dass Roboter menschenähnlich mit so etwas Ähnlichem wie einem Gesicht aussehen müssen. Wobei sich der Sinn von Gliedmaßen abseits des berühmten und für das Menschsein unabdingbaren Daumens nicht ganz erschließt, ganz abgesehen vom physisch doch recht eingeschränkten Sichtfeld mit den Augen vorn am Kopf pappend.

Böse Nazis, gute Hippies

Die Popkultur wurde in der Vergangenheit mit Robotermärchen jedenfalls gut bestückt. Wer kennt nicht die zwei Blechtrottel aus Star Wars, die Cyborgs aus der Alien- und Terminator-Reihe, die diversen nach Ruhe und Frieden suchenden Blade Runners, den Cyberpunk aus Ghost in the Shell, den stummen Riesen aus The Day The Earth Stood Still oder die Roboter aus I, Robot mit Will Smith? Erwähnt werden müssen natürlich auch die mittels Computer-Chips fehlgeleiteten Borg, das medizinische Notfallhologramm von Dr. Lewis Zimmerman oder der unerträglich quasselnde Data aus dem Universum Star Trek. Auch die aktuelle Weltraumschmonzette Rebel Moon auf Netflix mag nicht auf einen bösen Nazi- sowie guten Hippie-Roboter verzichten.

björk

Musikalisch zieht sich die Reise bis hin in ein altes Video von Björk. Sie ließ 1999 in All Is Full of Love zwei Roboter mit menschlichem Antlitz miteinander Liebe machen. Liebe kommt auch beim Elektronikproduzenten Arca vor, der ebenfalls schon mit Björk gearbeitet hat. In seinen Inszenierungen gefällt er sich gern mit mechanischen und metallischen Erweiterungen diverser Körperteile als geiler Cyborg. Im Gegensatz zu Björk setzt er allerdings nicht auf Schmusesex, sondern auf strenge Kammer. Den auch dort verorteten Fesseln und natürlich auch für Maschinenmenschen geltenden homophoben Normen wollte US-Sängerin Janelle Monáe als Roboter 2018 im Video zum Song Dirty Computer entfliehen. Leider entkommt sie nicht, und ihre menschlichen Gefühle und Erinnerungen werden von der Festplatte gelöscht und neu aufgesetzt.

Janelle Monáe

Der quasselnde Androide Data aus Star Trek sagt bezüglich seiner intellektuellen Fähigkeiten übrigens einmal den schönen Satz: "Imitation ist die höchste Form der Bewunderung." Die Rasen- und Staubsaugerroboter, sie leben hoch! Ach ja, der Staubsaugerroboter Fluffy, der 2022 medial vielbeachtet aus einem Lebensmittelgeschäft im niederösterreichischen Wieselburg erfolgreich hinaus auf die Straße in die Freiheit flüchtete, konnte nach einigen Tagen wiedergefunden und seiner Besitzerin zurückgegeben werden. Er arbeitet wieder. Danke der Nachfrage. (Christian Schachinger, 5.7.2024)