Die roten Rücklichter eines Autos
Seit Anfang März können Autos von Extremrasern in Österreich beschlagnahmt werden.
Foto: Christian Fischer

Seit 1. März können durch eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) die Autos von extremen Rasern in Österreich beschlagnahmt werden. In weiterer Folge ist laut Verkehrsministerium auch eine Versteigerung des Raserautos möglich. Zuletzt wurde am vergangenen Wochenende der Fall eines 26-jährigen veröffentlicht, der von Tirol kommend auf der Arlberg-Schnellstraße (S16) in einer 80er-Zone mit 180 km/h in eine Radarkontrolle fuhr. Er hatte das Geschwindigkeitslimit damit um 100 km/h überschritten. Die Vorarlberger Polizei konnte den Lenker wenig später anhalten: Das Auto wurde vorübergehend beschlagnahmt, der Lenker musste seinen Führerschein abgeben. Nach Angaben der Polizei befanden sich auch zwei Kleinkinder, eines davon ein Säugling, sowie die Ehefrau des Mannes im Auto.

Wie viele Fahrzeuge insgesamt in den vier Monaten seit Inkrafttreten der StVO-Novelle in ganz Österreich beschlagnahmt wurden, lässt sich aber nicht so einfach beantworten. Ein Sprecher des ÖVP-geführten Innenministeriums räumt auf Anfrage ein, dass es sich um eine "komplexe Materie" handelt: So gibt es bis dato bundesweit keine Stelle, die diese Gesamtzahl verfügbar hat. Grund ist die Aufsplittung der Kompetenzen im Verkehrsbereich zwischen den Bundesländern, Bezirkshauptmannschaften, den Landespolizeidirektionen sowie dem Wiener Magistrat. Aus dem grünen Verkehrsministerium heißt es, dass Verfahren und Entscheidungen über Beschlagnahmungen und etwaige Versteigerungen von Raserautos "in die Zuständigkeit von rund 80 Landesstrafbehörden in Österreich" fallen.

70 Autos vorläufig beschlagnahmt

DER STANDARD fragte bei Innen- und Verkehrsministerium sowie in den zuständigen Stellen der neun Landesregierungen nach. In Wien wurde diesbezüglich auf die Landespolizeidirektion verwiesen, auch dort wurde nachgehakt. Das Resultat der Recherche: Insgesamt wurden österreichweit seit Anfang März 70 Fahrzeuge temporär beschlagnahmt (siehe Grafik). Die meisten Abnahmen gab es mit 18 Fahrzeugen in Niederösterreich, gefolgt von 15 Beschlagnahmungen in Tirol. Beide Angaben stammen von den jeweiligen Landesregierungen: Die Zahlen decken sich weitgehend mit einer aktuellen Statistik des Innenministeriums, in der Beschlagnahmungen bis Ende Mai angeführt waren. Eine Ausnahme gibt es: Das Land Kärnten bestätigt zwei vorläufige Beschlagnahmungen, die Statistik des Innenministeriums führt sieben. Überschreitungen, die durch stationäre Radarboxen oder in einer Section Control erfasst wurden, sind in der Statistik des Innenministeriums übrigens nicht angeführt.

Grundsätzlich droht die Beschlagnahme eines Fahrzeugs bereits beim ersten Raservergehen, sofern das Tempolimit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h sowie außerorts um mehr als 90 km/h überschritten wird. Voraussetzung ist laut Gesetz, dass die Übertretung "mit technischen Hilfsmitteln" festgestellt wurde, etwa mit einem Lasergerät oder durch geeichte Tachometer in Dienstwägen der Polizei bei Nachfahrten. Bei bestimmten Vorvergehen im Verkehrsbereich, die zu einem Entzug der Lenkberechtigung innerhalb der letzten vier Jahre geführt haben, können Fahrzeugabnahmen auch bei einer Überschreitung ab 60 km/h innerorts und ab 70 km/h außerorts führen.

Temporäre Maßnahme mit 14 Tagen befristet

Die Exekutive kann betroffene Fahrzeuge an Ort und Stelle vorläufig beschlagnahmen, diese Maßnahme ist mit 14 Tagen befristet. Behördlich – und damit längerfristig – kann ein Raserauto nur dann beschlagnahmt werden, wenn die Voraussetzungen wie die massive Geschwindigkeitsübertretung unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit geprüft werden und auch vorliegen. Ist der Lenker nicht Eigentümer des Fahrzeugs, kann dieses ebenfalls nicht dauerhaft beschlagnahmt werden: Das Auto muss demnach dem Eigentümer wieder ausgehändigt werden. Das gilt auch für Leasing- oder Mietautos. Die zuständige Behörde kann dann aber ein Lenkverbot für das entsprechende Fahrzeug erwirken.

Nach Angaben aus den Bundesländern gibt es bisher nur zwei Fahrzeuge, die bestätigt behördlich beschlagnahmt wurden. Ein Fall betrifft Niederösterreich: Dort wurde im März auf der Donauuferautobahn bei Langenzersdorf ein 21-jähriger Lenker mit seinem BMW nach Angaben der Polizei mit gleich 247 km/h erwischt. Hier hat der Bescheid zur Beschlagnahme des Fahrzeugs "nunmehr Rechtskraft erlangt", wie der zuständige Bezirkshauptmann Andreas Strobl auf STANDARD-Anfrage in einer Stellungnahme schreibt. Im Zuge des mehrstufigen Verfahrens wird nun ein Verwaltungsstrafverfahren geführt. Erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens folgt das "Verfallsverfahren", an dessen Ende dann eine Versteigerung des Autos folgen kann. Über Inhalte oder Abläufe der laufenden Verfahren werde laut Strobl nur den beteiligten Verfahrensparteien Auskunft erteilt. Eine weitere dauerhafte Beschlagnahme eines Fahrzeugs gab es im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag in der Steiermark: Ein Versteigerungsverfahren gibt es aber auch hier nicht.

Das Land Tirol gab etwa bekannt, dass von den 15 vorläufig beschlagnahmten Fahrzeugen 13 wieder von den Berechtigten abgeholt werden konnten. In zwei Fällen wird eine behördliche Beschlagnahme von den zuständigen Bezirkshauptmannschaften noch geprüft.

Aus dem Verkehrsministerium unter Ressortchefin Leonore Gewessler (Grüne) heißt es auf Anfrage, dass sich die Möglichkeit der Fahrzeugabnahme bewährt habe. Zudem sei die Zahl schwerer Unfälle aufgrund überhöhter Geschwindigkeit zurückgegangen. Für eine valide Analyse der neuen Regeln brauche es noch Zeit, die ersten Erfahrungen seien aber "durchwegs positiv". (David Krutzler, 3.7.2024)