Bis Freitag werden die Abgeordneten noch viel Zeit im Plenarsaal des Nationalrats verbringen.
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Draußen pocht der Verein gegen Tierfabriken lautstark und mit Transparenten wie "ÖVP verweigert Schweinen Stroh" und "Nein zum Vollspaltenboden" auf ein Verbot von Vollspaltenböden. Drinnen drängen zahlreiche Schulgruppen durch die Gänge des Hohen Hauses, auch Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) mischt sich noch vor Beginn der Plenarwoche unter sie und sucht das Gespräch. Im Plenarsaal ratschen die Abgeordneten, mitunter auch fraktionsübergreifend, ehe wenige Minuten nach neun Uhr Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zur Glocke greift und die 270. Sitzung des Nationalrats eröffnet.

Die letzte "Schulwoche" für die Abgeordneten ist angebrochen. Die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause ist zugleich das vorletzte reguläre Plenum vor der Nationalratswahl am 29. September. Und gleich zum Einstand geht es im gut klimatisieren Plenarsaal heiß her. Grund dafür ist das von den Grünen wahlkampftauglich gewählte Thema der Aktuellen Stunde mit dem Titel: "Hitze, Unwetter und Klimakrise gefährden unsere Gesundheit – aktiver Klimaschutz schützt die Bevölkerung".

Maurer ortet "Lügenpropaganda" der FPÖ

"Die Klimakrise ist längst da, die Auswirkungen werden für uns immer stärker spürbar", verweist Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer als Erstrednerin im Hinblick darauf, dass das Vorjahr 2023 das heißeste Jahr der Messgeschichte war und zuletzt hierzulande bis zu 500 Hitzetote jährlich verzeichnet wurden. Die Klimakrise sei eine "Gefahr für Leib und Leben", warnt Maurer, die auch eine Spitze in Richtung immer wieder zwischenrufender FPÖ parat hat: Diese würde "mit ihrer Lügenpropaganda den Klimaschutz leugnen".

Und freilich lässt die Klubobfrau in ihrer zehnminütigen Rede nicht jene Maßnahmen unerwähnt, die in den vergangenen fünf Jahren mit grüner Regierungsbeteiligung realisiert wurden. Sie zählt etwa den Klimabonus und das Klimaticket auf. "Wir reden nicht nur von Klimaschutz, sondern setzen ihn auch um." Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) lobt daraufhin auch die ressortzuständige Ministerin Leonore Gewessler, die "fünf Jahre hart gearbeitet" habe. Wegen ihrer Zustimmung zur EU-Renaturierungsverordnung steht dieser in dieser Plenarwoche noch ein Misstrauensantrag ins Haus.

FPÖ spricht von "Klimahysterie als Geschäftszweig"

Zwischenruferin und FPÖ-Vizeklubchefin Dagmar Belakowitsch lässt die Kritik freilich nicht auf sich sitzen und bezeichnet Maurers Rede als "Kabarettvorstellung". In den Warnungen vor dem Klimawandel ortet Belakowitsch "grüne Ideologie", schließlich sei es im Sommer immer schon heiß gewesen. Besonders stört sie sich daran, dass Maurer sich im Zusammenhang mit der Klimakrise auf die Wissenschaft und ihre Expertinnen und Experten berief. "Spätestens seit Corona wissen alle, was das bedeutet: Wenn man den Leuten etwas aufs Auge drücken und etwas durchdrücken will, redet man sich auf die Wissenschaft aus." Und: "Die ganze Klimahysterie" sei mittlerweile zu einem "Geschäftszweig geworden", meint die blaue Abgeordnete.

Konzilianter zeigen sich wenig überraschend die Rednerinnen und Redner der anderen Parteien. Der ÖVP-Abgeordnete Johannes Schmuckenschlager stimmt seinem grünen Koalitionspartner insofern zu, als dass der Klimawandel eine große Belastung in vielen Bereichen sei. Mit Weltuntergangsszenarien, wie sie Nichtregierungsorganisationen und andere politische Parteien – mitgemeint wohl auch die Grünen – zeichnen würden, könne er allerdings nichts anfangen. SPÖ-Vizeklubchefin Julia Herr betont, dass es "öffentliche Aufgabe" sei, eine "Gesellschaft zu schaffen, wo wir mit dieser Hitze zurechtkommen". Die Menschen dürften in dieser Frage "nicht sich selbst überlassen" werden. Neos-Abgeordneter Michael Bernhard stößt sich wiederum daran, dass in der Klimafrage "alle Alarm schlagen" würden, niemand aber "Lösungen bieten" würde.

Schwarz-grüne Eiszeit

Dass das Klima auch in der Koalition weiter schlecht ist, zeigt sich später in einer anderen Debatte. Streitthema ist just die Klimapolitik. In die Haare bekommen sich Grünen-Abgeordnete Astrid Rössler und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Rössler kritisiert Edtstadler dafür, dass diese den im Vorjahr bei der EU eingereichten Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans zurückgezogen habe und für ihr Nein an der EU-Renaturierungsverordnung. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hatte der Verordnung vor zwei Wochen gegen den expliziten Willen der ÖVP ihre Zustimmung erteilt. "Faktenbefreit" sei die Kritik Edtstadlers an Gewessler gewesen, moniert Rössler.

"Es ist im Rechtsstaat nicht egal, was in der Verfassung steht", setzt sich Edtstadler postwendend zur Wehr und verweist auf die Rechtsposition der ÖVP und des Verfassungsdiensts, wonach Gewessler dem Renaturierungsgesetz nicht im Alleingang hätte zustimmen dürfen. In Sachen Klimaplan betont Edtstadler, dass ein nationaler Plan auch national abgestimmt sein müsse.

Beschlussmarathon steht bevor

Trotz nach wie vor andauernder Koalitionskrise werden noch am Mittwoch bis in den Abend hinein mit den Stimmen von ÖVP und Grünen eine ganze Reihe von Gesetzen beschlossen. Darunter mehr Mittel für die Feuerwehr, das Aus für die Covid-Finanzierungsagentur (Cofag) sowie ein Digitalisierungspaket für die Schulen. Apropos Schulen: Am Nachmittag brachten die Neos einen dringlichen Antrag für einen "Wandel im Bildungssystem" ein. Darin gefordert werden Maßnahmen wie 20.000 zusätzliche Lehrkräfte an den Schulen und Kindergärten, Mehrheit fand der Antrag allerdings keine. Am Nachmittag wurde außerdem das 920-Millionen-Euro-Hilfspaket für die Gemeinden von allen Parteien außer den Neos beschlossen. Schon am Vormittag einigten sich die Abgeordneten einstimmig auf eine Cooling-off-Phase für künftige Höchstrichterinnen und Höchstrichter. Das ist jedoch nur ein Bruchteil der etwa 60 Beschlüsse, die bis Freitag unter Dach und Fach gebracht werden sollen. Am Donnerstag geht es unter anderem mit dem Tierschutzgesetz, der Zivildienstnovelle und der Implementierung des elektronischen Impfpasses weiter.

Video: Regierung will bis Freitag rund 60 Gesetze beschließen
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Die Klubobleute von ÖVP und Grünen geizten jedoch schon vor vollendeter Arbeit Mittwochfrüh im Rahmen eines gemeinsamen Auftritts vor der Presse nicht mit Selbstlob. "Diese Bundesregierung hat in diesen fast fünf Jahren so viele weitreichende Maßnahmen gesetzt wie fast keine davor", sagte August Wöginger. Mit den anstehenden Gesetzesbeschlüssen kröne man "ein weiteres intensives parlamentarisches Halbjahr", meinte Sigrid Maurer. (Sandra Schieder, 3.7.2024)