Wer ab Herbst in Wien, Graz, Linz oder Innsbruck Medizin studieren möchte, muss sich am Freitag beim MedAT stundenlang den Kopf zerbrechen.
APA/ROBERT JAEGER

Tausende junge Menschen werden dereinst wohl mit Wehmut auf den Freitag zurückblicken. Von der Früh bis in den Nachmittag werden sie sich mit kognitiven Tests, biologischen Fragen und mathematischen Beispielen herumgeschlagen haben – und doch das ersehnte Berufsziel verpasst haben. Am Freitag steht wieder der große jährliche Aufnahmetest für das staatliche Medizinstudium in Wien, Graz, Linz und Innsbruck an – auf 15.158 Anmeldungen kommen heuer 1900 Studienplätze.

Für das Studium der Humanmedizin gilt eine Kontingentregelung, wobei innerhalb jedes Kontingents die Testleistung den Ausschlag gibt. Mindestens 95 Prozent der Plätze müssen an Personen mit EU-Reifezeugnis gehen und mindestens 75 Prozent an solche mit österreichischer Matura. Auch Reifezeugnisse aus Luxemburg und Südtirol zählen in dem Kontext übrigens so wie ein österreichisches. In Zahnmedizin gibt es seit einigen Jahren keine Kontingente mehr, es zählt rein das Testergebnis, egal woher man kommt.
Standard

Im Schnitt wird also nur jeder Achte einen Platz ergattern, wobei die Chancen bei einer Teilnahme etwas höher sind, weil manch Registrierter erfahrungsgemäß doch nicht vor Ort zum Test erscheint. An der grundsätzlichen Ausgangslage und am Testaufbau hat sich seit Jahren nicht viel geändert, obwohl die SPÖ und manche schwarze Landeshauptleute regelmäßig die forsche Forderung nach einer Verdopplung der Studienplätze ventilieren.

Die Unis wehren sich gegen diese Idee und betonen, dass Österreich im internationalen Vergleich ohnehin viele Medizinabsolventinnen ausbildet und eine hohe Ärztedichte aufweist – das Problem sei nicht eine zu geringe Zahl der Studierenden, sondern dass sie nach dem Abschluss das öffentliche Gesundheitssystem meiden beziehungsweise ins Ausland gehen. Das Wissenschaftsministerium unter Martin Polaschek (ÖVP) sieht das ähnlich und betont, dass die Studienplätze ohnedies seit Jahren in kleinen Schritten kontinuierlich erhöht werden, bis 2028 sollen es 2000 sein.

Absolventen fallen aus dem System

Vergangenes Jahr ist dann plötzlich die Debatte über die deutschen Studierenden, von denen es die Mehrheit nach dem Studium in Österreich wieder in die Heimat zieht, neu aufgebrochen. Laut Vereinbarung mit der EU- Kommission müssen derzeit ja zumindest 25 Prozent der Studienplätze auch für EU-Ausländer offenstehen, das sind großteils Deutsche. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) schlug – aufmunitioniert mit einem Rechtsgutachten und der Rückendeckung des Kanzlers – Maßnahmen gegen "Numerus-Clausus-Flüchtlinge" und eine Pflicht für Medizinabsolventen vor, als Ärzte beruflich in Österreich zu arbeiten. Die Ärztekammer konterte mit einem eigenen Rechtsgutachten, wonach das grob verfassungswidrig und EU-rechtswidrig wäre – auch die Grünen sind gegen eine Berufspflicht.

Polaschek ließ die Debatte elegant im Sand verlaufen, indem er erst ankündigte, alle Einschätzungen genau zu prüfen, und sich dann für eine – wohl politisch aussichtslose – EU-weite Reform starkmachte. Real passiert ist nichts.

Pflichten und Vorzüge

Sehr wohl neu ist dieses Jahr allerdings die rege Nutzung der Zweckwidmung von insgesamt bis zu 85 Studienplätzen "im öffentlichen Interesse", die das Gesetz seit 2021 erlaubt. Nicht mehr nur das Bundesheer (zehn Plätze), sondern nun auch die Polizei (drei), die Österreichische Gesundheitskasse (13) und sämtliche Bundesländer versuchen das heuer. Der Deal: Wer sich freiwillig verpflichtet, nach dem Studium einige Jahre für die genannten Institutionen zu arbeiten, braucht kein exzellentes Testergebnis, um sich den Traum vom Medizinstudium zu erfüllen, es reichen weniger Punkte – als zusätzlicher Anreiz wird den meisten von ihrer Institution auch ein ansehnliches Stipendium finanziert. (Theo Anders, 5.7.2024)