Patrick Pentz musste zwei Gegentreffer nach Eckbällen hinnehmen.
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Der Traum vom österreichischen EM-Wunder ist geplatzt. Das Team von Trainer Ralf Rangnick unterlag im Achtelfinale der Türkei auf bittere Weise mit 1:2 (0:1). 15 Spieler kamen gegen die Türkei zum Einsatz.

Patrick Pentz: Tja, was soll man über jemanden schreiben, der sich quasi nichts zuschulden kommen ließ, aber dennoch ob seines Berufs irgendwie dafür verantwortlich ist, dass man keine Schulden hat. Pentz klatschte den Ball beim 0:1 aus Überraschung weg, war dann unschuldig beim Gegentor. Beim 0:2 auch nicht in der Verantwortung. Hielt Österreich in der Schlussphase mit einer Parade im Spiel, war sonst cool, sicher und belanglos, weil die Türkei keine Offensivmomente hatte.

Stefan Posch: Eher unauffällige Partie des Bologna-Turms in Halbzeit eins. Nach hinten eh stabil, nach vorn wenig vorhanden. Nach der Pause stemmte sich der Turm in den Himmel: wundervoller Pass zur Arnautovic-Großchance in der 49. Minute, imposante Einbindung in den Offensivverband in Hälfte zwei. Versuchte viel, scheiterte aber oft.

Kevin Danso: Flog vor dem 0:1 mit türkischer Nachhilfe ins Leere, war aber generell ein Mann der Klarheit, weil er in der Frühphase, als das Spiel ein Actionfilm aus den frühen 1990ern war, immer wieder klärte und Ruhe reinbrachte. Zeigte im Spielaufbau immer wieder den richtigen Pass, suchte Risiko im Aufbau, ohne dabei die Sicherheit außer Acht zu lassen. Beim zweiten Gegentor muss man auch ihn in die Verantwortung nehmen, weil man als Innenverteidiger verteidigen muss. Klingt lustig, aber: gute Partie trotz zweier Gegentore.

Merih Demiral schraubte sich zwischen Kevin Danso und Philipp Lienhart in die Höhe.
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Philipp Lienhart (bis 64.): War anfänglich ungemein gefordert, manchmal unter Druck, was er meistens souverän wegspielte. Und doch hatte der Freiburg-Legionär eine durchwachsene Partie, vor allem, wenn sie mit einem 0:1 losgeht. Lienhart hatte defensiv wenig Stress, offensiv entschied er sich im Aufbau oft für die einfachere Variante. Bei Gott nicht schlecht, aber auch nicht auffällig eingreifend. Auch er schwitzte bei den Gegentoren.

Phillipp Mwene (bis 45.): Kurzer Slapstick in der siebenten Minute, als er sich selbst den Ball ans Knie spielte und dann ins Out. Kam offensiv quasi gar nicht zur Geltung, hatte defensiv nicht viel zu tun. Schade, dass er offensiv nicht mehr machte. Auch Rangnick erhoffte sich offenbar mehr. Zur Pause von Prass ersetzt.

Nicolas Seiwald: Ist ein Abläufer vor dem Herrn, heißt, er ist der unangenehme Typ, der sich immer zwischen Ball und dich hineinreklamiert. Er grätscht, er fetzt, er ist nervig, war in Halbzeit eins einer der Besten und in Halbzeit zwei auch. Offensiv im Spielaufbau gut, aber nicht überraschend oder super dynamisch, was auch nicht unmittelbar seine Aufgabe ist. Vielleicht der beste Spieler Österreichs bei der EM.

Konrad Laimer (bis 64.): War Dreh- und Angelpunkt im zentralen Mittelfeld, kämpfte und rackerte, aber vermochte es nicht, den kreativen Vorwärtsflow anzukurbeln. Hatte immer wieder starke Momente, die sich aber vor allem offensiv in Beliebigkeit auflösten. Hackelte dennoch wie ein Wilder. Gut, aber offensiv nicht allzu zwingend.

Marcel Sabitzer: Neue Frisur, altes Talent: Sah auf den ersten Blick so aus wie ein Nebencharakter in einem Onlinerollenspiel. Spielte in der Halbzeit weitgehend leider auch so. Fing sich mit Fortdauer, sorgte immer wieder für tolle Situationen im Offensivspiel, aber es blieben kurze Ausrufezeichen. Auch er litt massiv unter der Dramaturgie des Spiels. Kann viel, zeigte einiges, auch er sitzt nach einer starken EM im Flieger nach Hause.

Marcel Sabitzer sorgte für kurze Ausrufezeichen.
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Christoph Baumgartner: Schloss bei der Hymne die Augen. Und schloss nach dem 0:1 die Augen. Baumgartner hatte kurz nach dem Gegentor, also kurz nach dem Anpfiff, die Chance aufs 1:1, sein Schuss ging aber knapp neben das Tor. Er selbst landete bei einer guten Chance im Tor, während der Ball es nicht tat. Baute in Halbzeit eins fortlaufend ab, um kurz vor dem Pausenpfiff noch einmal den Ball neben das Tor zu schieben. Zeigte nach der Pause aber wieder auf. Der 24-Jährige ist das Um und Auf in Rangnicks Need-for-Speed-Offensivspiel, wenn ihm die Reifen aufgestochen werden, ist es schwierig. Hatte die große Chance aufs 2:2, scheiterte aber am türkischen Goalie, was mehr am türkischen Goalie als an ihm lag. Entschuldigte sich anschließend gebrochen bei "olle".

Romano Schmid (bis 45.): War vor allem defensiv gefordert, wäre aber als Offensivspieler natürlich gefragter gewesen. Da kam wenig. Vor allem wenig Überraschendes, obgleich er der Mann für Überraschungen hätte sein sollen. Nicht schlecht, aber auch nicht schokoladig gut. Musste in der Dusche bleiben, weil für Gregoritsch Platz gemacht wurde.

Marko Arnautovic: Bei der Hymne wie immer der mit Abstand coolste Typ am Platz, auch wenn er nicht wusste, dass das vielleicht seine letzte Partie bei einer Euro oder im ÖFB-Trikot sein würde. Hatte anfänglich etwas Probleme, ins Spiel, also an den Ball, zu finden, wuselte aber so, als ob er um einen Vertrag in China spielen würde. Wollte Stress verursachen, verursachte punktuell Stress, hatte den Ball aber zu selten. Fand punktuell immer wieder in gefährliche Situationen (wie bei seiner Großchance in Minute 51), ohne permanent Gefahr auszustrahlen. Ein bisschen mehr Magie hätte der Partie gutgetan. Sein Blick nach dem Schlusspfiff brach einem das Herz.

Michael Gregoritsch (ab 46.): Bei der Hymne sollte man immer nur Michael Gregoritsch im Bild haben, der Freiburg-Spieler durfte aber erst Mitte der zweiten Halbzeit als Dom die Äcker bepflügen. Gregoritsch setzte sich sofort in Szene, spielte eine gute, gefährliche und aktive Partie. Hämmerte und stand dort, wo man stehen muss, wenn ein Corner dorthin kommt, wo man zukunftsreich eben steht. Das 1:2 sorgte für große Hoffnung, insgesamt reichte es aber für naehschonwissen. Bilanzierte anschließend mit Tränen in den Augen: "Einer der schlimmsten Fußballabende, die ich erlebt habe."

Michael Gregoritsch traf zum 1:2.
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Alexander Prass (ab 46.): Vom STANDARD noch als Prass pro Toto hervorgehoben, prasste Alexander erst ab der zweiten Hälfte. Und das ziemlich gut. Der Sturmspieler ist ein Mann der Körperlichkeit auf der linken Seite, er fetzt rein, bis es keinen Rain mehr in Africa gibt. Prass spielte eine auffällige, ballsichere Partie, war in die Verzweiflung der Ausgleichsbemühungen aktiv eingebunden und hielt defensiv seine Line ohne Probleme. Auch wenn die Zukunft gerade ganz weit weg ist, ist er jedenfalls Teil davon.

Florian Grillitsch (ab 64.): Erstmals bei dieser Euro fand der 28-Jährige keinen Platz in der Startelf, aber er wurde während der zweiten Hälfte eingewechselt. Und wenn ein Spieler einen zugeparkten Strafraum bespielen kann, dann ist es Florian Grillitsch. Der Mann von Hoffenheim dirigierte, passte, zog an und suchte Lücken, die es nicht gab. Daher fand er sie auch nicht. Gutes, umsichtiges Spiel, hätte Christopher Columbus sein können, war aber schlussendlich eher Giovanni da Verrazzano.

Maximilian Wöber (ab 64.): Eingewechselt für Lienhart, spielte ohne große Auffälligkeiten oder Abfälligkeiten. War völlig am Boden zerstört. Sagte nach dem Schlusspfiff: "Es herrscht eine Leere. Niemand weiß, wie es weitergeht." (Andreas Hagenauer, 3.7.2024)