Guy Herschel Beahm alias Dr Disrespect bei einem Golfturnier.
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Die Anschuldigungen gegen den populären Streamer Guy Herschel Beahm alias Dr Disrespect ziehen weitere Kreise, nun hat Youtube den Kanal von Beahm entmonetarisiert, sprich: Der 42-Jährige wird für seine Inhalte auf der Videoplattform nicht mehr bezahlt. Dort hat Beahm eine enorme Followerschaft von 4,65 Millionen Followern aufgebaut, nachdem er 2020 vorerst ohne Angaben von Gründen von der Streamingplattform Twitch geflogen ist. In der Vorwoche wurden schwere Anschuldigungen gegen Beahm laut. Er soll bereits 2017 intime Nachrichten und Bilder mit einer Minderjährigen getauscht und versucht haben, die Teenagerin zu einem Treffen während der Twitchcon zu überreden.

Seitdem die Vorwürfe bekannt wurden, ist die Karriere von Dr Disrespect im freien Fall, und nicht nur Youtube hat Beahm den Geldhahn zugedreht. Auch Werbepartner wie der Headphonehersteller Turtle Beach, Razer (Gaming-Peripherie), die Erfrischungsgetränkemarke Mountain Dew und der Energydrinkhersteller G Fuel haben ihre Kooperation mit Dr Disrespect eingestellt.

Twitch machte Meldung an Hilfsorganisation

Der Journalist Rod Breslau hat in einem Podcast Hintergründe zu dem Fall aufgearbeitet. So wurde das Verhalten von Beahm gegenüber der Minderjährigen im Jahr 2020 dem National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) gemeldet. Dabei handelt es sich um eine private gemeinnützige Organisation, die vom US-Kongress gegründet wurde, und dient Eltern, Schulen, Gemeinden, aber auch den Strafverfolgungsbehörden als Anlaufstelle für alle Fragen rund um das Thema Kindesentführung und Missbrauch. Ob und wie das NCMEC auf die Vorwürfe gegen Beahm reagiert hat, ist unklar. Was folgte, war aber die permanente Sperre des Accounts des 42-Jährigen, was damals umso erstaunlicher wirkte, zumal sich Beahm und Twitch erst kurz davor auf einen millionenschweren Deal geeinigt hatten.

Beahm selbst bestreitet strafrechtlich relevantes Verhalten seinerseits und betont, dass die Angelegenheit gerichtlich geklärt wurde und beiden Seiten, also Twitch und dem Streamer selbst, kein Fehlverhalten attestiert wurde. Dass Beahm dabei aus einer Einigung zur Vertragsauflösung zwischen ihm und Twitch zitiert und dabei nicht auf strafrechtlich relevantes Material eingegangen wird, bleibt bei dieser Argumentation allerdings unerwähnt.

Dass es auf Twitch offensichtlich ein Problem mit Grooming und Sexting gegenüber Minderjährigen gab, das behauptet der ehemalige Twitch-Mitarbeiter Shane "Rellim" Miller nun auf X. Er glaube nicht, dass die meisten Leute eine Vorstellung davon haben, wie es tatsächlich bei Twitch zugeht. Miller behauptet, in der Abteilung gearbeitet zu haben, die offenbar Meldungen zu privaten Nachrichten bearbeitet hat. "Ich habe jeden Tag Dinge gesehen, von denen ich wünschte, ich hätte sie nie sehen müssen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, ein guter Mensch zu sein. Ich habe in meinen Streams immer mit großer Emotion zum Ausdruck gebracht, dass Twitch jeden Tag Pädophile frei herumlaufen lässt", schreibt Miller. Nachsatz: "Diese kranken Schweine haben es nicht verdient, frei zu sein."

Spielestudio in Turbulenzen

Unabhängig von möglicherweise strafrechtlichen Konsequenzen gerät nun auch das von Dr Disrespect mitgegründete Spielestudio Midnight Society in Turbulenzen. Das Unternehmen hat sich mittlerweile von seinem Mitgründer distanziert und bemüht sich, die Verbindungen zu Beahm möglichst verschwinden zu lassen, wie PCGamer berichtet. So wird Beahm nicht mehr in der X-Bio des Unternehmens erwähnt, und die "About Us"-Rubrik auf der Website ist ebenfalls down. Fast drei Jahre lang war Beahm das Gesicht von Midnight Society und ihrem ersten Spiel Deadrop, einem Extraction-Shooter.

Dr Disrespect war Protagonist im Extraction-Shooter "Deadrop". Die Zukunft des Spiels ist ungewiss.
Screenshot Youtube

Deadrop war aber nicht nur das Spiel von Dr Disrespect, es war das Spiel mit Dr Disrespect. Der Artstyle des Shooters orientierte sich stark an Beahms düsteren Cyberpunk-Grafiken, die er im Stream verwendet, und passt auch gut zu Beahms Merchandise. Ein zentrales Spielelement von Deadrop wurde von Beahms Lieblingsspiel Escape From Tarkov inspiriert. Das Deadrop-Sturmgewehr hat zwei Feuermodi: "Yaya" und "Yayayaya", eine Anspielung auf den Slogan des in Ungnade gefallenen Streamers. Das Spiel nun nachträglich von den Spuren von Dr Disrespect zu befreien sei nahezu unmöglich, heißt es in dem Bericht.

Scam-Vorwürfe

Dabei hatte es Deadrop in der Gaming-Community ohnehin schon schwer, denn das Studio setzte sehr auf NFTs und verkaufte sogar einzigartige Avatare als Bonus für Vorbesteller. Das verärgerte PC-Spieler, die nicht erst seit den diversen Web-3.0-Scams verärgert waren. Dennoch waren viele Menschen bereit, Geld in das Projekt zu investieren: Alle 10.000 Gründerpakete waren kurz nach Verkaufsstart ausverkauft.

Für 50 Dollar bekamen die Vorbesteller auch ein digitales Schmuckstück, das sie später verkaufen konnten, aber der eigentliche Preis war der Zugang zu zukünftigen Deadrop-Test-Builds. Anfang 2024 verkündete Midnight Society kurzerhand über seinen Blog, dass 2024 ein "ruhiges Jahr" für Deadrop werden würde, was an sich schon kein gutes Vorzeichen für einen Gaming-Hit ist. Ob das Werk jemals auf eigenen Beinen stehen kann, zumal das Zugpferd Dr Disrespect abhandengekommen ist, ist aber mehr als zweifelhaft. (pez, 3.7.2024)