Anfang Oktober des Vorjahres hat die Europäische Kommission eine Antisubventionsuntersuchung hinsichtlich der Einfuhren batteriebetriebener Elektro-Pkws aus China eingeleitet. Nach diesem Schritt blieben neun Monate Zeit, um vorläufige Ausgleichszölle einzuführen, weitere vier, um endgültige Maßnahmen zu setzen. Das Ende der Frist ist am 4. Juli erreicht, eine Einigung mit der chinesischen Regierung über die Zölle trotz einiger Verhandlungsbemühungen und Kompromissvorschlägen nicht. Sollte diese ausbleiben, wird die Europäische Kommission nach Herstellern gestaffelte Einfuhrzölle zwischen 17,4 und 38,1 Prozent einführen.

Denn China fördere den Export von Elektrofahrzeugen mit Subventionen, die gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO verstoßen, so der Vorwurf der Europäischen Kommission, die mit diesem Standpunkt nicht allein ist: Aus dem gleichen Grund hat die US-Regierung im Mai verkündet, bestehende Einfuhrzölle für Elektroautos aus China von 25 auf 100 Prozent zu erhöhen. In den USA ist der Anteil Chinas am Elektroautomarkt mit zwei Prozent allerdings verschwindend gering. Anders ist die Situation in der EU, wo Chinas Marktanteil von 0,5 Prozent im Jahr 2019 auf acht Prozent im vergangenen Jahr gestiegen ist.

Chinesische Elektroautos warten auf die Verschiffung.
Der Marktanteil an chinesischen Elektroautos wächst in Europa stetig.
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In der Industrie und in der Wirtschaftswissenschaft war die Reaktion auf die Ankündigung von Strafzöllen durch die Europäische Kommission gespalten. So bezeichnen Befürworter die Zölle als notwendigen Schritt, damit der heimischen Autobranche nicht das gleiche Schicksal droht wie der untergegangenen Solarindustrie. Sie argumentieren, dass die Zölle keine Strafen darstellen, sondern lediglich unfaire Praktiken auf chinesischer Seite ausgleichen und einen fairen Wettbewerb sichern sollen.

Andere Stimmen aus der Branche und der Wissenschaft warnen hingegen vor Zöllen. Sie argumentieren, dass jede Beschränkung der Einfuhr preiswerter Elektroautos die Dekarbonisierung des Verkehrs behindert, und verweisen auf die große Bedeutung Chinas als Absatzmarkt für europäische Unternehmen, nicht zuletzt für deutsche Automobilhersteller. Darüber hinaus produzieren auch europäische, vor allem deutsche Hersteller in China und exportieren die Fahrzeuge in die EU. Importzölle könnten damit auch europäische Hersteller treffen.

Negative Auswirkungen

Gegenmaßnahmen Chinas sind wahrscheinlich und wurden bereits angekündigt. Als positiven Anreiz könnte China in den anstehenden Verhandlungen etwa verstärkte Investitionen in die Batteriefertigung in Europa in Aussicht stellen, als Option mit negativen Auswirkungen werden offenbar bereits Einfuhrbeschränkungen europäischer Waren geprüft. Im Raum stehen Zölle auf Importe von Autos mit einem Hubraum von mehr als 2,5 Litern, ebenso Lebensmittel und Kosmetika. Erstere würden vor allem deutsche Autohersteller treffen, Letztere auf jene Länder abzielen, die EU-Einfuhrzölle auf chinesische Elektroautos befürworten.

Diese Drohgebärden zeigen die Problematik des Konflikts: Auf die Zölle auf Elektroautos folgend droht eine Spirale von Zöllen und Gegenzöllen, und am Ende gäbe es nur Verlierer. Die volkswirtschaftliche Theorie zeigt, dass, je nach Marktmacht der anbietenden und nachfragenden Länder, die Produzierenden in Form niedrigerer Gewinnmargen und die Konsumierenden in Form höherer Preise Verluste erleiden würden. Darüber hinaus entsteht noch ein allgemeiner Wohlfahrtsverlust, weil die Zuordnung der knappen Mittel nicht mehr optimal wäre. Klar ist, dass Freihandel nur dann zum Wohle aller funktioniert, wenn die Regeln befolgt werden – und natürlich auch, wenn nicht Gewinn auf Kosten der Umwelt oder durch Sozialdumping gemacht werden. Diese Vorteile hat der britische Wirtschaftswissenschafter David Ricardo schon vor rund 200 Jahren erkannt.

Ökonomische Unsicherheit

Einseitige Zölle können die heimische Industrie effektiv vor ausländischer Konkurrenz schützen, sofern die Volkswirtschaft nicht auf Export angewiesen ist. Zwar entstehen auch hier Wohlfahrtsverluste durch höhere Endverbraucherpreise, die Gesamteffekte können aber immer noch positiv sein. Sobald jedoch Gegenmaßnahmen ergriffen werden – und das ist bei einem großen Land wie China wahrscheinlich –, verlieren am Ende alle.

Und selbst begrenzte Zölle können negative gesamtwirtschaftliche Folgen nach sich ziehen, wenn weitere Nebenwirkungen berücksichtigt werden. So können Handelskonflikte die ökonomische Unsicherheit erhöhen, da die Dauer der Auseinandersetzung und ihr Ausgang ungewiss sind, weshalb sich Unternehmen mit Investitionen zurückhalten. Modellsimulationen zeigen auch, dass Zölle darüber hinaus den Wechselkurs beeinflussen und zu Produktivitätseinbußen für exportierende Volkswirtschaften führen können. Am Ende bleibt die Gewissheit, dass ein Handelskrieg, wie jeder Krieg, nur Verlierer kennt. (Klaus Weyerstraß, 4.7.2024)