15,4 Tage. So lange waren Österreichs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr 2023 durchschnittlich im Krankenstand. Diese Zahl hat das Wiener Wifo erhoben; am Dienstag wurde sie im Rahmen des österreichischen "Fehlzeitenreports" präsentiert. Und: Sie sorgt für Verunsicherung und Ängste in der Wirtschaftswelt. Denn die Anzahl der Menschen, die in den Krankenstand gehen, ist stark gestiegen. Es ist ein Rekordwert, konkret der Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1970.

Blick auf eine erkrankte Frau
Die Krankenstände sind auf Rekordniveau, nicht jedoch die Dauer je Krankheit.
Foto: Imago/Svetlana Karner

Warum? Es hat wohl stark mit der Corona-Pandemie zu tun. Als sie ab dem Jahr 2020 grassierte, waren die Krankenstandszahlen interessanterweise relativ niedrig. Der Hauptgrund: die strengen Hygienemaßnahmen, wodurch die Verbreitung von Infektionskrankheiten stark unterbunden wurde. Ab 2022 jedoch, als die Pandemie allmählich zu Ende ging, stiegen die Zahlen stark an. Das könnte daran liegen, dass die Immunabwehr der Menschen durch ebendiese Hygienemaßnahmen nachhaltig geschwächt worden sei, vermutet Rolf Gleißner von der Abteilung Sozial- und Gesundheitspolitik der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), der den Bericht gemeinsam mit anderen Expertinnen und Experten präsentiert hat. Dazu kommt ein weiterer Grund für den Zuwachs an Krankenständen: Ab August 2022 wurde eine Covid-19-Infektion als Krankenstand wertbar, wodurch die Anzahl der Krankenstände statistisch zunahm.

Nachhaltig erhöhtes Niveau

Was auffällt, ist, dass das Krankheitsgeschehen seit der Pandemie auf einem nachhaltig erhöhten Niveau verblieben ist. Davor lag Österreich mit 13 bis 14 Krankenstandstagen im internationalen Durchschnitt; heute mit 15,4 Tagen deutlich darüber. Das liegt unter anderem auch an der letzten Grippesaison. Diese sei mit rund 4000 Toten äußerst stark ausgefallen, sagt Andreas Huss, Obmann des Dachverbands der Sozialversicherungen (DVSV).

Die Krankenstände seien entlang mehrerer Dimensionen ungleich verteilt, erläutert Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber. So waren es weibliche Angestellte, die im vergangenen Jahr die höchsten Krankenstandsquoten aufwiesen. Auch die Arbeitsorganisation sowie das Arbeitsumfeld seien von Bedeutung. Während Personen, die freiberuflich sind oder flexiblere Arbeitszeiten haben, geringe Krankenstandszahlen aufweisen, finden sich die höchsten Quoten im Gesundheits- und Sozialsektor. Bei jungen Beschäftigten im Alter zwischen 15 und 29 Jahren sei es auffällig, dass diese zwar höhere Krankenstandsquoten aufweisen als andere Altersgruppen, jedoch auch wieder schneller genesen. Vor allem Atemwegserkrankungen seien bei den Jungen stark verbreitet, sie sind laut Fehlzeitenreport der Grund für rund 40 Prozent aller Krankenstände.

Öfter krank, aber nicht so lange

Auffällig ist auch, dass zwar der Anteil der erkrankten unselbstständigen Erwerbstätigen steigt, die Länge der Tage je Krankenstand jedoch kontinuierlich sinkt. Zuletzt betrug die durchschnittliche Länge eines Krankenstandfalls 9,3 Tage. In den 1970er-Jahren waren es noch rund 18 Tage. Heißt, die Menschen gehen öfter in Krankenstand, dafür aber deutlich kürzer.

Für Unternehmen jedenfalls würden die Krankenstände eine "eine enorme Belastung" darstellen, führt Wirtschaftskammer-Experte Gleißner aus. Rund 250 Euro fallen pro Krankenstandstag für sie an, durch die Entgeltfortzahlung ebenso wie durch die verlorene Wertschöpfung. Allerdings: Dass Unternehmen künftig nicht mehr voll für den Krankenstand aufkommen, ist für Gleißner keine Option. Zuletzt hatte die Wirtschaftskammer Salzburg mit einem ebensolchen Vorschlag für Aufsehen gesorgt. Der erste Tag des Krankenstands solle nicht mehr bezahlt werden, so der Vorstoß. (Laurenz Lauffer, Joseph Gepp, 2.7.2024)