Regisseur Robert Carsen baut die Fassade des Doms in die "Jedermann"-Neuinszenierung ein.
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Um den Jedermann auf dem Domplatz wird bei den Salzburger Festspielen traditionell im Vorhinein ein Riesentheater gemacht. Er ist das Stück, das für die breite Masse am zugänglichsten ist und das daher auch viel debattiert wird. Nachdem die mahnende dritte Inszenierung von Michael Sturminger, die ein düsteres Bild der Klimakatastrophe zeichnete, im Herbst nach nur einer Saison abgesetzt wurde, ist heuer Robert Carsen mit der Regie betraut worden. Der Kanadier gilt als Hofmannsthal-Enthusiast, ist in Salzburg bisher mit Opernproduktionen beauftragt gewesen und hat bereits fünf der sechs Opern, die Hofmannsthal mit Richard Strauss geschrieben hat, auf die Bühne gebracht. Am Dienstag sprach er im Festspielhaus erstmals über seine Jedermann-Neuinszenierung.

Carsen sieht das Regieteam als Brücke zwischen der Bühne und dem Publikum. Der Jedermann sei eine enorme Herausforderung für einen Regisseur, weil es um die Menschlichkeit gehe, sagte Robert Carsen. "Wir wissen, dass wir alle sterben müssen, aber Jedermann ist ein Stück, wo wir von Anfang bis Ende darüber sprechen." Der Jedermann beschäftige sich mit der Unausweichlichkeit des Todes, aber auch mit seiner Unvorhersehbarkeit. "Deshalb mündet die Auseinandersetzung mit dem Tod letztlich in ein Nachdenken darüber, wie wir unser Leben leben sollten."

Dom kein zufälliger Hintergrund

Hofmannsthal thematisiere in dem Stück die Geldbesessenheit der Gesellschaft, in der er sich bewegte. "Den Jedermann, dem er den Untertitel 'Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes' gab, schrieb er aus Sorge vor dem zunehmenden Materialismus und dem damit einhergehenden Verfall der geistigen Werte." Ins Heute transferiert wäre die Titelrolle ein Neureicher. "Er hat das Geld sehr schnell gemacht, wie ein Investmentbanker", sagte der Regisseur und fragt: "Ist es René Benko? Ist es Samuel Bankman-Fried?" Ob nun Philipp Hochmairs Darstellung des Jedermanns an den gefallenen Kryptounternehmer oder den Ex-Milliardär und Signa-Gründer angelehnt sein wird, ließ Carsen offen.

Wie genau er das Stück anlegen wird, darüber hielt sich der Regisseur ebenso bedeckt. Jedenfalls werde der Dom eine wichtige Rolle spielen. "Der Dom ist kein zufälliger Hintergrund. Wir nutzen den Dom." Die imposante Fassade des Gotteshauses werde zum Haus des Jedermanns und wieder zum Dom.

90 Mitwirkende auf der Bühne

90 Menschen werden auf der Bühne stehen, erzählte Dramaturg David Tushingham und verriet damit wohl mehr, als dem Regisseur lieb war. Mit der Tischgesellschaft und den Allegorien wirken normalerweise rund 30 Personen mit – "wir haben ein paar mehr", sagte Carsen beiläufig. Christoph Luser wird als Jedermanns bester Freund, der gute Gesell, gleichzeitig den Teufel spielen. Damit habe der Jedermann von Anfang an einen Teufel an seiner Seite, sagte Carsen. Als Gegenstück dazu werde der Arme Nachbar, der als Bettler gezeigt werde, in eine Doppelrolle mit den Guten Werken gegossen. "Ich empfinde das als einen ausgewogenen Gegensatz."

Intendant Markus Hinterhäuser ist von der Neuinszenierung jedenfalls überzeugt: "Es geschieht etwas mit dem Jedermann, das mir große Freude bereitet." Die Neuproduktion sei für die Festspielleitung "keine ganz einfache Geschichte" gewesen, aber das Stück sei "viel zu lang in einer halbfolkloristischen Anmutung über die Bühne gegangen". (Stefanie Ruep, 2.7.2024)