Hurrikan Beryl, gesehen von der Internationales Raumstation ISS aus
Hurrikan Beryl – hier ein Blick von der Internationalen Raumstation ISS auf das Ungetüm – tobt aktuell in der Karibik. La Niña ist es zu verdanken, dass im Atlantik heuer mit mehr Wirbelstürmen als sonst zu rechnen ist.
Foto: REUTERS/INTERNATIONAL SPACE

Fast ein Jahr lang hat El Niño der Erde zusätzlich eingeheizt. Seit sich "das Christkind" im Juni 2023 erstmals im Ostpazifik geregt hat, riss die Serie von Temperaturrekorden nicht ab. Doch der Bub schwächelt inzwischen – und seine Schwester La Niña hat energisch das Ruder übernommen. Ihr überraschend plötzliches Erscheinen nährt die vage Hoffnung auf eine kleine Verschnaufpause für das Klima unseres Planeten. Doch die kommt wohl nicht ohne einen hohen Preis.

Das Geschwisterpaar bespielt gleichsam einen Nebenschauplatz der großräumigen pazifischen Wetterküche. Was sich vor der Westküste Südamerikas tut, hat dennoch Folgen für das weltweite Wettergeschehen. Meist tritt El Niño als Erster auf. Sehr vereinfacht gesagt erwärmt er das Meer im östlichen tropischen Pazifik, was lokal mehr Niederschläge bringt, in Ostafrika, Südostasien und Australien aber zu Dürren führen kann. Sein Pendant La Niña gibt den kühleren Gegenpol: Kaltes Wasser steigt vor der Küste Perus aus der Tiefe empor und verdrängt das warme Wasser nach Westen.

Plötzlicher Rollentausch

Das Mädchen hat keine Zeit verloren, das Regiment zu übernehmen. Die Weltmeteorologie-Organisation WMO berichtete schon im Juni von einer "rapiden Veränderung". Mit 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit würde sich La Niña demnach ab Juli bemerkbar machen. Ab Herbst rechnen Fachleute jedenfalls global mit einer leichten Abkühlung. Diese Linderung könnte freilich einige Regionen der Erde teuer zu stehen kommen: Weil sich der Rollentausch ungewöhnlich schnell vollzieht, drohen vielerorts Extremwetterereignisse.

Gewappnet sein sollten vor allem die Bewohner der US-Ostküste und der Küsten am Golf von Mexiko, denn die sinkenden Temperaturen im Pazifik befeuern auf Umwegen die diesjährige Hurrikansaison. Es ist ein explosives Zusammentreffen von La Niña und menschengemachter Klimaerwärmung: Die Oberfläche des Nordatlantiks war noch nie so warm wie in den vergangenen 16 Monaten, eine Energie, die sich in heftigen Stürmen entladen kann. Die US-Klimabehörde NOAA rechnet heuer mit deutlich mehr tropischen Wirbelstürmen.

Für genaue Prognosen lässt sich La Niña allerdings noch nicht recht fassen. Klar ist nur, dass selbst eine leichte Abkühlung durch sie für den fiebrigen Planeten allenfalls der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein ist. An der Gesamtentwicklung ändert das praktisch nichts. (Thomas Bergmayr, 2.7.2024)