Polizeichef Brody (Roy Scheider) wurde mit dem Ausruf "We're gonna need a bigger boat" berühmt. Später braucht er dann wohl überhaupt ein neues.
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Filme über Haie gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Manchmal gibt es Haie auch im Sand am Meer, wie die amerikanische Trashperle Sand Sharks beweist. Darin verirren sich ein paar prähistorische Beißer aus einem Unterseekrater zum Spring Break und nagen ein paar feierwütigen Gästen die Extremitäten ab.

Haifilmregisseure wissen: Nach Steven Spielbergs Der Weiße Hai kann man sowieso nur maximal den zweitbesten Haifilm machen. Deswegen versuchen sie erst gar nicht, gute Filme zu machen. Zumindest im klassischen Sinn. Es gilt die Devise: Je mehr Haie man hat oder je mehr Köpfe der Hai hat, desto mehr Profit macht der Film. Das hat uns schon Trash-Feuerwerke wie 6-Headed Shark Attack, Sharktopus und die mittlerweile sechsteilige Sharknado-Reihe beschert.

Netflix

Der neueste Netflix-Hai-Hit Im Wasser der Seine beginnt mit einem Verweis auf Charles Darwin: Nicht die stärkste oder intelligenteste Spezies überlebt, sondern die anpassungsfähigste. Die Hai-Dame Lilith hat sich in die Seine verirrt. Dummerweise soll dort auch ein Triathlon stattfinden, um die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Olympischen Spiele in Paris zu richten. Auch ökologische Themen schwimmen mit, die Weltmeere sind mit Plastik verschmutzt, ein paar Umweltschützerinnen wollen Lilith retten – und werden verspeist. Sharkre bleu! Wie in Hai-Filmen üblich, reagiert auch die Bürgermeisterin von Paris hier reichlich spät. Schmatz, schmatz, Triathletengulasch.

Große Haie, kleine Menschen

"So wird die Geschichte nicht stattfinden können", erklärt Jürgen Kriwet, Professor für Paläobiologie an der Universität Wien, der den Film auch gesehen hat. Hai-Alarm ist bei den Olympischen Spielen, die in zwei Wochen in Paris beginnen, also nicht zu erwarten. Kriwet erklärt, dass Meeresfische wie der Bullenhai zwar durchaus im Süßwasser überlebensfähig wären, der Mensch aber nicht in ihr Beuteschema gehöre. Auch wenn es natürlich seltene Unfälle gäbe. Blockbuster wie The Meg tun dem Wissenschafter im Herzen weh, darin stimme fast gar nichts. "Es sterben jedes Jahr weniger Menschen durch Haie als durch Autounfälle auf dem Weg zum Baden. Selbst die herabfallende Kokosnuss tötet mehr Menschen", sagt er.

Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seiner Forschungsgruppe veranstaltet Kriwet regelmäßig Filmabende. Dort sehen sie sich auch die Sharknado-Reihe an, in der ein Tornado hungrige Haie regnen lässt. Einen Fall gab es wirklich, wo ein Hai während eines Tornados an den Strand gespült wurde, erzählt er. Natürlich hätte dieser aber nicht überlebt. Kriwet fasziniere die Irrationalität dieser Filme – begeistert erzählt er, wie viele dieser Filme es mittlerweile gibt. "6-Headed-Shark oder Mega Shark Versus Giant Octopus kenne ich noch gar nicht – da ist noch viel zu tun", sagt er hingerissen.

Hai-Alarm 

Man kann natürlich nicht über Haie sprechen, ohne über Steven Spielbergs 1975 erschienenen Blockbuster Der Weiße Hai zu sprechen. Die Geschichte eines großen Weißen, der an einem Badestrand Jagd auf Menschen macht, stellte die Schablone für alle danach kommenden Hai-Filme dar. "Leider hat der Film auch sehr viel Negatives ausgelöst. Dass Haie als monströs und gefährlich dargestellt wurden, hat zu einer Hysterie geführt, die teilweise bis heute anhält", sagt Kriwet. Der Film gilt als einer der Gründe für die Dezimierung der Hai-Population durch Sportfischer in den darauffolgenden Jahren. Peter Benchley, Autor der Buchvorlage, wurde dadurch zum Millionär – und fühlte sich sein Leben lang schuldig. Bis zu seinem Tod 2006 engagierte er sich dafür, die menschliche Urangst vor Haien wieder zu minimieren.

"Dass ein Hai auf den Geschmack von Menschenfleisch kommt, passiert so nicht", erklärt Kriwet. Die wenigen Fälle, wo Haie eben doch Menschen verspeisen würden, seien dadurch zu erklären, dass der Mensch in das Nahrungsnetz der Haie eindringt. Dann könne das schon einmal kulinarisch schiefgehen, aber der Hai per se ist nicht böse. "Er wird seiner Rolle im Ökosystem gerecht." Dass Haie als primitive, kaltblütige Killer dargestellt würden, störe den Wissenschafter am meisten, eigentlich seien sie hochintelligent und anpassungsfähig. In den letzten 200 Millionen Jahren hätten sie viele Massenaussterbeereignisse überlebt – zur größten Gefahr habe sich dagegen der Mensch entwickelt.

Der Rückgang der Haie

Mittlerweile habe in der öffentlichen Wahrnehmung schon ein Umdenken stattgefunden, findet Kriwet. Aber um den Rückgang des Hai-Bestands zu erforschen, fehlten auch ökologische Daten. Deswegen sei man auch auf Citizien-Science-Projekte wie Meco angewiesen, wo Taucher, Schnorchler und Fischer ihre Daten einreichen können.

Und auch die jährliche Shark Week auf dem Discovery Channel könne viel Positives bewirken. Sie beginnt am 7. Juli. Das Spektrum der Filme dort reiche von rein wissenschaftlich bis zu reißerisch – aber nie negativ. Gastgeber ist dieses Jahr der Wrestler John Cena. (Jakob Thaller, 3.7.2024)