Fenster mit Sicherung
Ein durch ein Gitter gesichertes Fenster in einem Kindergarten.
dpa-Zentralbild/Michael Reichel

Die gute Nachricht vorweg: Der Vierjährige, der nach einem Fenstersturz in Lebensgefahr schwebte, befindet sich in einem stabilen Zustand. Am vergangenen Montag war der Bub in Weyer (Bezirk Steyr-Land) aus einem Fenster im zweiten Stock auf Asphalt gestürzt und dabei lebensgefährlich verletzt worden. Er wurde am Dienstag noch auf der Kinderintensivstation im Kepler-Uniklinikum in Linz betreut, sollte aber auf eine Normalstation verlegt werden, hieß es am Dienstag aus der Pressestelle. Lebensgefahr bestand bereits nicht mehr.

Das Kind hatte mit seinem sechsjährigen Bruder im Schlafzimmer gespielt. Laut Polizeiangaben war die Mutter gerade auf der Toilette, als er vom Bett aus auf die Fensterbank geklettert sein dürfte. Dort, so wird angenommen, dürfte er sich an das Fliegengitter im geöffneten Fenster angelehnt haben – das hielt jedoch nicht und er fiel rund neun Meter in die Tiefe.

Bereits neun Fensterstürze in diesem Jahr

Es war der mindestens neunte derartige Unfall in diesem Jahr, davon gingen zwei tödlich aus. Das ergeben Beobachtungen sowohl des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) mit Sitz in Wien als auch des Vereins Große schützen Kleine an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz. Beide beziehen sich auf Medienberichte, es handelt sich also um Mindestzahlen. Erst am vergangenen Samstag war ein 19 Monate altes Kind in Schwechat, Niederösterreich, aus dem dritten Stock eines Wohnhauses gefallen. Das Kleinkind erlag seinen Verletzungen. Seine Eltern waren zu dem Zeitpunkt zu Hause, der Bub dürfte in einem unbeobachteten Moment aus dem Fenster gestürzt sein. Gegen die Eltern laufen Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung.

Johanna Trauner-Karner, Leiterin des Bereichs Sport- und Freizeitsicherheit im KFV, spricht von "alarmierenden Zahlen" – zumal zu einem relativ frühen Zeitpunkt. 2023 zählte das KFV insgesamt acht aus Fenstern, Balkonen oder Terrassen gestürzte Kinder, im Jahr zuvor waren es 18. In den vergangenen zehn Jahren waren es zumeist acht bis zwölf derartige Unfälle pro Jahr. Das Risiko für Fensterstürze von Kindern steige üblicherweise vor allem im Frühling und Sommer, wenn aufgrund der milderen Temperaturen Fenster und Balkontüren vermehrt geöffnet werden. Das KFV warnt, dass "nur wenige Momente der Unaufmerksamkeit" für einen solchen Unfall ausreichen würden, weshalb auch "beim kurzen Lüften" Beaufsichtigung der Kinder notwendig sei.

Sicherheitsvorkehrungen

Außerdem: Vermeintliche Maßnahmen seien "nicht immer geeignete Sicherheitsvorkehrungen", sie würden uns "trügerische Sicherheit vorgaukeln". Darunter fallen laut Trauner-Karner beispielsweise Insektengitter. Rund 15 Prozent der Fensterstürze ereignen sich ihr zufolge bei Fenstern mit Insektengittern. Denn diese "sind dafür gemacht, kleine Krabbeltiere draußen zu halten. Diese Maßnahme kann aber das Gewicht von Kindern nicht halten, nachgeben und sehr leicht reißen". Sie rät deshalb dazu, Fenstersicherungen beziehungsweise -sperren als Präventionsmaßnahme zu installieren.

Es sei "kurios", sagt Trauner-Karner, "dass zwar für Katzen geeignete Schutzvorrichtungen gegen Fensterstürze an Fenstern und Balkonen in Österreich verpflichtend sind. Für Kinder gibt es aber keine vergleichbare gesetzliche Regelung." Kinder sollten außerdem nie, auch nicht für sehr kurze Zeit, allein zu Hause gelassen werden. In rund acht von zehn Fällen war das verunfallte Kind nicht allein in der Wohnung. Das geht aus einem Unfallmonitoring des KFV hervor: Darin wurden in den Jahren 2010 bis inklusive 2023 insgesamt 164 Fensterstürze von Kindern unter 15 Jahren erfasst, 18 endeten tödlich.

Größte Gefahr für unter Fünfjährige

Laut Peter Spitzer vom Forschungszentrum für Kinderunfälle des Vereins Große schützen Kleine besteht das größte Risiko, aus dem Fenster zu fallen, für Kinder unter fünf Jahre (75 Prozent). Die meisten davon seien männlich, nämlich 65 Prozent. Jeder zweite Fenstersturz passiere im zweiten und dritten Lebensjahr. Rund jeder sechste Fenstersturz endet tödlich. Entscheidend sind laut Spitzer "hauptsächlich die Fallhöhe und die Beschaffenheit der Aufprallstelle". Der Fenstersturz komme vor allem bei Mehrparteienhäusern vor. Ab dem dritten Stock steige die Todesrate signifikant an, ab dem vierten Stock würden sich 80 Prozent der Kinder tödliche Verletzungen zuziehen.

Im langjährigen Jahresschnitt sterben den Recherchen des Vereins zufolge zwei bis drei Kinder in Österreich pro Jahr durch den Sturz aus dem Fenster. Holger Till, Präsident von Große schützen Kleine und Vorstand der Grazer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie, erklärt, dass Fenster für Kinder "eine große Faszination ausüben": "Sind sie geöffnet, ist der Drang, die Welt da draußen zu entdecken, groß." Bei einem Kleinkind sei der Kopf im Verhältnis zum restlichen Körper doppelt so groß und schwer wie bei einem Erwachsenen. Es bestehe daher "die große Gefahr, dass das Kind über alles, das niedriger als auf Nabelhöhe ist, leicht vornüberkippen kann". (giu, 2.7.2024)