Rhaenyra (Emma D'Arcy) in
Rhaenyra (Emma D'Arcy) in "House of the Dragon": Die Auszeichnung für "Merkwürdigster Plan der Woche" geht an sie.
HBO/Sky

Im Gastblog interpretiert der Psychotherapeut und Psychoanalytiker Timo Storck die zweite Folge der zweiten Staffel der Prequel-Serie zu "Game of Thrones".

In der aktuellen Folge von House of the Dragon werden Fragen dazu aufgeworfen, wer warum wessen Erbe antritt. Anders gesagt: Es ist eine Folge über das Folgen. Außerdem steckt in jedem siebten Ei eine Überraschung.

Merkwürdigster Plan der Woche

Damit das gleich vom Tisch ist: Die Auszeichnung für "Merkwürdigster Plan der Woche" geht natürlich an Rhaenyra. Zwar ist Rhaenys (wieder mal) die stärkste Figur in dieser Folge, aber dass sie letztlich Rhaenyra zum Entschluss führt (neben Mysaria), sich nach King's Landing zu schmuggeln, um inoffizielle Friedensverhandlungen zu führen, erweist sich als problematisch. Sicher, man sollte eine fiktive Serie nicht allzu sehr daran bemessen, ob etwas realistisch ist. Niemand mag jemanden, der ständig so etwas sagt wie: "Oh, aber es gibt Belege dafür, dass im Mittelalter zum Hasenbraten immer aus schweinekopfförmigen Bechern getrunken wurde. Filmfehler!!!" Aber man kann darüber sprechen, ob es plausibel ist. Vor kurzem wurde in King’s Landing ein erfolgreicher Mordanschlag auf den Thronfolger ausgeübt. Jetzt schmuggelt sich eine Person als "einfache Frau" in die unmittelbare Nähe der Königsmutter, mit der sie dann einen Plausch hält? Es klappt ja offenbar, aber wie konnte Rhaenyra davon ausgehen? Es sind doch viel zu viele Unwägbarkeiten im Spiel (ähnlich wie schon beim Vorgehen von Blood and Cheese oder beim Bruderverwechseln).

Darüber hinaus: Wirkt das wie eine erfolgsversprechende Friedensverhandlung? Die eine so: Mein Vater hat gesagt, ich soll Königin werden. Die andere dann so: Ja, nein, aber ganz am Ende hat er das anders gesagt. Was dachte Rhaenyra denn, was dabei rauskommt? Müsste man nicht eher darüber sprechen, dass ein Krieg für beide Parteien (und für die Bevölkerung) Schaden bringt? Statt zu sagen: Ich habe recht, du bist doof?

Wieder einmal wirkt es daher so, als gäbe es diese Unterhaltung, damit Rhaenyra zufällig erwähnen kann, dass Viserys vermutlich einen anderen Aegon gemeint hat. Das ist ähnlich slapstickhaft wie der Moment, in dem Daemon Harrenhal "erobern" will und mehr oder weniger mit den Worten begrüßt wird: "Ah, ja, na gut, das passt schon, wir wollten eh grad essen …"

Aemond im Auge behalten

Ansonsten allerdings erscheint mir die Folge gut gelungen. Die Stärken des GoT-Kosmos treten zutage und zwar insbesondere dann, wenn nicht gehandelt wird. Rhaenys und überraschenderweise Aemond werden hier doch endlich (wieder) denkend gezeigt und müssen nicht immer alles tun oder sagen, was in ihnen vorgeht.

Überhaupt Aemond: Der ist natürlich immer noch nicht sympathisch, und er hat seine Neigung "to lie with his first", wie Aegon, ganz Psychoanalytiker auf den Spuren des Ödipuskomplexes seines Bruders, zu Recht anmerkt. Aber er bleibt einer der spannendsten Figuren, auch weil er schlicht und einfach nach dem Tod seines Neffen der Thronfolger ist! Zwar ist aus altbekannten Gründen strittig, ob nun der Bruder des Königs oder dessen Tochter den Thron einnehmen darf, wenn der König stirbt, aber im Grunde hat Daemon mit seinem zufällig missglückten, also geglückten Mordplan doch besonders einem in die Hände gespielt: Aemond.

Death to false metal!

Damit sind wir schon beim Thema des Folgens in dieser Folge. In einem ersten Wortsinn geht es darum, ob Rhaenyra und Aegon dem folgen, was in ihren jeweiligen Räten so geraten wird. Vereinfacht gesprochen: Männer geben hier nicht die besten Ratschläge. Meist wirken sie wie Figuren in einem Manowar-Song. Oder aber die entscheidenden Ratschläge erfolgen abseits der Konferenztische. Rhaenys redet Rhaenyra ins Gewissen. Larys "Where the wild roses grow" Strong spielt Aegon gegen Aemond aus, mit der Folge, dass er zum "Master of Whisperers" wird. Andere folgen hingegen nicht, vor allem Daemon, His Grace, von dem wir nun allerdings auch wissen, dass er in Harrenhal den Tod finden wird. Außerdem, zweiter psychoanalytischer Moment der Folge: Die Deutung seiner Träume zeigt Schuldgefühle und eine pädophile Inzestfantasie. Er sollte mal mit jemandem darüber reden.

Eine Folge übers Folgen

Aber es geht natürlich noch um das Folgen in einem anderen Wortsinn. Alicent und Rhaenyra erkunden, wen sich Viserys als Nachfolger:in vorgestellt hat. Implizit wird außerdem die Frage aufgeworfen, wer denn eigentlich auf Aegon folgen würde. Wer wird ihm raten, sich kriegerisch in Gefahr zu bringen? Wer wird ihn zu Fall bringen wollen, wer ihn schützen? Rhaenyra schützt auch den Nachwuchs, ihre Kinder und ein paar Dracheneier, auch hier soll es um die Nachfolge gehen, und wir erfahren mehrmals: Traurigkeit ist die Bedingung (also: Folge?) von Mutterschaft. Weiter noch: Rhaenys spricht mit Corlys, interessanterweise in erhöhter Position gefilmt, über dessen Nachfolge: Joffrey oder Baela? Beide können nicht segeln, so Corlys, aber da denkt er nun wirklich etwas eingeengt.

Aber! Aus GoT wissen wir eines: Zwar wird Ehe und Beischlaf unter Verwandten oder zumindest Hochgeborenen gepflegt, aber es gibt immer auch "Kinder" (hier in Anführungszeichen, weil mir ausschließlich Söhne als Beispiele einfallen!) aus Nebenbegattungen der Väter (Jon Snow oder dieser Schmiedessohn zum Beispiel). Und in der aktuellen Folge sehen wir nun einen geheimen Halbbruder von Daemon und Rhaenyra (sein Name ist Ulf). Zwar ist es ein bisschen überraschend, dass dieser einem offenbar beliebigen Fremden von seiner Abstammung erzählt (hätten wir als Zuschauerinnen und Zuschauer das nicht anders erfahren können?). Aber es ist ein spannender Hinweis beziehungsweise eine Erinnerung daran, dass es doch noch eine ganze Reihe unehelicher Halbgeschwister von allen möglichen Leuten geben könnte. Zum Beispiel von Corlys. Wessen Väter von Menschen, die segeln können und eine dunkle Haut haben, kennen wir denn beispielsweise noch nicht? Und: Segeln und Drachenfliegen, das ist ja außerdem auch nicht so weit voneinander entfernt.

House of the Dragon Season 2 | EPISODE 3 NEW PROMO TRAILER | Max
Screen Culture

Operation Silverdragonplate

Natürlich ist der mithilfe von Drachen geführte Krieg weiterhin eine Metapher für die nukleare Bedrohung. Immerhin wird darauf hingewiesen, dass es mehr darum gehen könnte, die Gegenseite in Angst zu versetzen, man könnte sie gebrauchen, als es tatsächlich zu tun.

Lernen konnten wir außerdem: Bevor man in den Krieg zieht, unbedingt noch zum Friseur gehen (Criston). Damit nicht alle immer Aegon Targaryen heißen müssen, lieber dem skandinavischen Weg folgen und den eigenen Nachfolger beispielsweise Viserysson nennen. Nach dem Tod des einzigen eigenen Sohnes ein Auge(!) auf den Bro werfen.

Offene Fragen: Wie lange soll der Rattenfänger da noch hängen? Wie lange muss Daemon auf einen Psychotherapie-Platz warten? Wie schmuggelt Rhaenyra sich wieder aus King's Landing raus? Vernetzen sich die unehelichen Kinder von Hochgeborenen untereinander? Warum kann die Hand des Königs einfach so in die Schlacht reiten, das war doch früher nicht so? (Timo Storck, 2.7.2024)