Blick auf Speicher einer Erzeugungsanlage für grünen Wasserstoff.
Bei der Wasserstoffelektrolyse wird unter Einsatz von Strom das Wasser (H2O) in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespalten. Der so gewonnene grüne Wasserstoff wird im konkreten Fall in speziellen Behältern gespeichert, großvolumig in Porenspeichern unter der Erde.
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Es klingt wie der Beginn eines Fußballspiels mit Stürmern, Libero und Verteidigern, ist aber nach Meinung von Befürwortern ein wirtschaftliches Muss: Es geht um nicht weniger als Planung, Aufbau und Umsetzung einer grünen, sprich CO2-freien Wasserstoffwirtschaft. Wasserstoff, so die Meinung vieler, ist der Schlüssel, um die Energiewende zu einem guten Abschluss zu führen. Zug um Zug formieren sich Allianzen, die in der Forderung übereinstimmen, dass es schnell gehen muss. Die jüngste ist die Hydrogen Import Alliance Austria, kurz HIAA.

Die HIAA ist ein Zusammenschluss von acht österreichischen Unternehmen, zu denen verbrauchsseitig der Stahlerzeuger Voestalpine, der Aluminiumhersteller Amag, RHI, Produzent feuerfester Materialien, und LAT Nitrogen, die frühere Borealis Melamin in Linz, gehören. Vonseiten der Erzeuger sind Verbund, OMV und Wiener Stadtwerke dabei, transportseitig die Verbundtochter Gas Connect Austria. Ihr Ziel: das Bewusstsein stärken, dass an grünem Wasserstoff kein Weg vorbeiführt, wenn man Sektoren wie Stahl- oder Chemieindustrie, aber auch Luft- und Schifffahrt so rasch wie möglich dekarbonisieren will.

Henne-Ei-Problem

Wegen des Henne-Ei-Problems, das sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette rund um grünen Wasserstoff manifestiert, könne dieser Kraftakt nur mit tatkräftiger Unterstützung der öffentlichen Hand funktionieren, finanziell wie regulatorisch. Kein Unternehmen werde in die Umrüstung seiner Produktionsanlagen investieren ohne Gewissheit, dass in absehbarer Zeit ausreichend sauberer Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung steht. Dasselbe gelte für die Produzentenseite, die ohne Aussicht auf verlässliche Abnehmer nie großvolumig investieren könne, sagten Verbund-Chef Michael Strugl, GCA-Geschäftsführer Stefan Wagenhofer und der als COO für das operative Geschäft bei LAT Nitrogen zuständige Manuel Beschließer bei der Präsentation der Initiative am Dienstag.

Und nicht zu vergessen: Der grüne Wasserstoff muss dorthin gebracht werden, wo er benötigt wird, oft hunderte Kilometer weit. Auch dort stellt sich das Henne-Ei-Problem: Niemand investiert in die Umrüstung oder den Bau neuer Pipelines, ohne sicher zu sein, dass die Leitungen dann auch entsprechend genützt werden und die Investition in überschaubarer Zeit wieder hereingespielt werden kann. Speziell hier möchte man, dass der Staat in Vorlage tritt, ein Startnetz finanziert, auf welche Art auch immer, und sei des durch Buchung von Kapazitäten und Weiterverkauf derselben.

Milliardenausgaben

Beim Ausbau der Infrastruktur geht es ersten Abschätzungen zufolge um rund zwei Milliarden Euro, die investiert werden müssten; die beteiligten Unternehmen selbst wollen bis 2030 mehr als 7,0 Milliarden Euro investieren, um die Transformation anzustoßen, bis 2040 insgesamt gut 18 Milliarden. Vonseiten der Regierung wurden 400 Millionen Euro für zehn Jahre als Betriebsförderung in Aussicht gestellt. Damit soll die Transformation heimischer Unternehmen unterstützt werden. Noch fehlt grünes Licht aus Brüssel; die Notifizierung soll aber nicht mehr lange auf sich warten lassen, ein erster Fördercall wird noch heuer erwartet.

LAT Nitrogen könne mit dem Fördergeld, sobald es fließt, die Preisdifferenz zwischen grünem und grauem Wasserstoff ausgleichen, sagte Beschließer. Derzeit koste grüner Wasserstoff zwei- bis dreimal so viel wie konventioneller, aus Erdgas gewonnener grauer Wasserstoff.

Zeitdruck

Zumindest gleich wichtig wie die finanzielle Komponente sei die rasche Klärung regulatorischer Fragen, etwa ob die Betreiber der Erdgasnetze künftig auch die Wasserstoffnetze betreiben dürfen oder welche Behörde für die Zertifizierung zuständig ist. Die Zeit dränge, sagte Verbund-Chef Strugl, auch und gerade was Importkorridore betreffe. Österreich habe jetzt die Chance, sich als Wasserstoffdrehscheibe zu positionieren. Wenn aufgrund zeitlicher Verzögerungen Wasserstoffpipelines an Österreich vorbeigeführt würden, sei dies mit "signifikanten Mehrkosten für heimische Unternehmen verbunden".

Der Großteil des grünen Wasserstoffs müsse aufgrund von Platzmangel und unterdurchschnittlicher Wind- und Sonnentage wohl importiert werden. Als Quellmärkte kämen dabei Länder in Nordafrika infrage, beispielsweise Tunesien. Dort verfolgt Verbund mit Total aus Frankreich ein Projekt zur Gewinnung grünen Wasserstoffs. (Günther Strobl, 3.7.2024)