Eine Zahnärztin ist im Einsatz.
Private Krankenversicherungen werden etwa für den Bereich der Zahnmedizin angeboten. Jetzt dürfte es zu zahlreichen Gerichtsprozessen kommen.
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Wer bei einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus im Einzelzimmer schlafen oder bestimmte Zahnbehandlungen in Anspruch nehmen will, kommt über eine private Krankenversicherung kaum herum. Die Verträge für die Versicherungen werden meist über eine lange Dauer abgeschlossen, und die Preise (Prämien) erhöhen sich laut Vertragsbestimmungen je nach Inflation. Doch viele dieser Wertsicherungsklauseln könnten unzulässig sein. Der Prozessfinanzierer Padronus will nun breitflächig gegen Versicherungen ins Feld ziehen und die – aus seiner Sicht – verbotenen Preiserhöhungen zurückverlangen.

Hintergrund ist eine Vertragsklausel, die von Gerichten zuletzt in mehreren Mietverträgen als unzulässig beurteilt wurde. Zwar darf sich der Preis eines dauerhaften Vertrags laufend erhöhen, wenn die Kriterien dafür genau definiert sind. Laut Konsumentenschutzgesetz darf es allerdings innerhalb der ersten zwei Monate der Vertragslaufdauer keine Anpassung geben. Dieser Umstand ist in vielen Verträgen derzeit aber offenbar nicht ausreichend berücksichtigt. Das könnte dazu führen, dass die Wertsicherungsklausel als unzulässig beurteilt wird und zu viel bezahlte Gelder nachträglich zurückgefordert werden können.

"Müssen sich gefasst machen"

"Krankenversicherungsverträge enthalten regelmäßig nicht die Klarstellung, dass innerhalb der ersten zwei Monate keine Entgelterhöhung stattfinden darf, wie es das Konsumentenschutzgesetz vorsieht. Aus unserer Sicht führt die Argumentation des OGH daher auch zur Unwirksamkeit von Indexklauseln in sehr vielen Krankenversicherungsverträgen. Krankenversicherer müssen sich auf zahlreiche Rückforderungsklagen von uns gefasst machen", erklärte Richard Eibl, Geschäftsführer von Padronus, in einer Aussendung. "Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, müssten Versicherer die Erhöhungen der letzten 30 Jahre zurückzahlen."

Der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO) sieht das naturgemäß anders. Die Urteile zu Mietverträgen seien nicht auf Versicherungsverträge übertragbar, weil das Anpassungssystem bei Krankenversicherungen "grundlegend anders" sei als in anderen Rechtsbereichen. Die Anpassung sei zudem "vor allem im Interesse der Versicherten, weil dadurch sichergestellt wird, dass die Leistungen im erforderlichen Ausmaß erhöht werden und die Versicherten eine gleichbleibende Deckung erhalten (Stichwort: Kostensteigerungen im Medizinbereich)", erklärte der VVO im Versicherungsjournal.

Gerichtliche Klärung notwendig

In Österreich dürfte es rund drei Millionen private Krankenversicherungsverträge geben. Ob alle diese Verträge eine derartige Klausel enthalten, ist unklar. Und ob die Klagen des Prozessfinanziers erfolgreich sein können, wird sich wohl erst vor Gericht zeigen. Zu erwarten ist, dass die Versicherungen die Verfahren im Fall einer Niederlage bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) tragen werden. Sollten die Klauseln tatsächlich ungültig sein, müssten die Versicherungen freilich neu kalkulieren. Neuverträge könnten dann teurer werden.

"Der Versicherer ist gegenüber der Finanzmarktaufsicht dazu verpflichtet, die Prämien so zu kalkulieren, dass die Leistungen für ihn auch leistbar sind", erklärte Zivilrechtsprofessor Stefan Perner am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. "Wenn er berechnet, dass er in den bestehenden Verträgen zu wenig hereinkommt, dann muss er das irgendwo anders wieder hereinholen." Denkbar wäre laut Perner, dass der Gesetzgeber eine rechtliche Klarstellung trifft. Theoretisch könnte man so auch in bestehende Verträge eingreifen, auch wenn das heikel sei. Dass es vor der Wahl dazu kommt, ist aber eher unwahrscheinlich. (Jakob Pflügl, 2.7.2024)