So etwas hat es in der Zweiten Republik wohl noch nie gegeben: eine Anklage gegen einen Ex-Politiker mehr als 24 Jahre nach dem Vorfall, der zu Ermittlungen geführt hat. Es geht um Peter Pilz, der unter anderem deshalb am Freitag vor Gericht stehen wird.

Möglich ist das, weil Pilz aufgrund seiner Mandate jahrzehntelang parlamentarische Immunität genossen hat. Die hemmt Ermittlungen, daher verjähren die Vorwürfe nicht. Pilz war zwischen 1999 und 2017 Abgeordneter, dann wieder von 2018 bis 2019.

Peter Pilz im Wahlkampf 2019
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Während seiner langen Tätigkeit im Parlament legte sich Pilz immer wieder mit Behörden an, Machtmissbrauch war eines seiner großen Themen. Daraus resultieren auch die drei Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft (StA) Wien dem Ex-Politiker jetzt macht. Der Strafantrag liegt dem STANDARD und Ö1 vor.

Spitzelaffäre und Kampusch

Da geht es einerseits um Informationen aus Disziplinarverfahren gegen Polizisten, die Pilz im Jahr 2000 präsentierte. Ihnen war damals vorgeworfen worden, auf Anstiftung von FPÖ-Politikern illegal Daten abgefragt zu haben, das Ganze ging als Ekis-Spitzelaffäre in die Geschichtsbücher ein. Im Jahr 2008 präsentierte Pilz dann weitere Details aus einem Disziplinarverfahren, diesmal rund um die Aufklärung, was bei der Suche nach der jahrelang entführten Natascha Kampusch schiefgegangen war.

Die Staatsanwaltschaft argumentiert in beiden Fällen, dass Pilz damals aus Disziplinarverfahren berichtet habe, die laut Beamtendienstrecht nicht öffentlich sind. Daher stelle dies eine verbotene Veröffentlichung nach Strafgesetzbuch dar. Pilz' Anwalt Johannes Zink hält dem entgegen, dass das Beamtendienstrecht nur für Beamte gelte. Würde Pilz hier verurteilt, hätte das massive Auswirkungen auf die Möglichkeiten von Abgeordneten und auch Journalisten, Missstände in Behörden aufzuzeigen. Zudem gebe es keine Judikatur in dieser Frage, man könne Pilz also so oder so keinen Vorsatz unterstellen, sagt Zink.

"Ich habe mich in allen Fällen wie ein Abgeordneter und nicht wie ein Beamter verhalten. Missstände vom EkisSkandal bis zu 'Kampusch' aufdecken war nicht nur mein Recht, sondern meine wichtigste Aufgabe", sagt Pilz dazu.

Protest gegen Abschiebung

Der dritte Anklagepunkt im Strafantrag gegen ihn betrifft eine Aussage, die der damalige Politiker im April 2018 getätigt hat. Damals wurde ein junger Afghane abgeschoben, der gut integriert war und angegeben hatte, nicht religiös zu sein. Er erhielt kein Asyl – sein Bruder, der zum Christentum konvertiert war, hingegen schon. Dem Abgeschobenen drohte in Afghanistan große Gefahr, weshalb Pilz von einem "amtlichen Mordversuch" durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) sprach. Dieses wertete die Aussage als üble Nachrede und erstattete Anzeige.

Die Staatsanwaltschaft begann Ermittlungen, unterbrach sie aber offenbar, als Pilz im Juni 2018 wieder Abgeordneter wurde – einen Antrag, seine Immunität aufzuheben, gab es nicht. Erst nach Pilz' Ausscheiden aus dem Parlament im Herbst 2019 wurde weiterermittelt – und auch das dauerte.

Die Gründe dafür sind laut Pilz' Anwalt Zink unklar. Die Ermittler haben keine Zeugen einvernommen und es auch nicht geschafft, den von Pilz erwähnten Flüchtling zu finden – er soll mittlerweile in Deutschland Asyl erhalten haben.

Pilz: "Ich stehe zu allem, was ich getan habe" 

Schon im Jänner 2023 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Wien, dass die Ermittlungsdauer "unangemessen" und bedenklich sei. Kurios: Einem Antrag auf Akteneinsicht durch Zink entsprach die StA Wien im Februar 2022 nicht, da sich der Akt "seit April 2018 bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien" befinde. Dem widersprach wiederum die Oberstaatsanwaltschaft selbst, die Zink mitteilte, der Akt sei erst 2021 eingelangt.

Pilz selbst sieht dem Verfahren gelassen entgegen: "Ich stehe zu allem, was ich getan habe. Für künftige Abgeordnete ist es wichtig, dass es endlich Rechtssicherheit für die parlamentarische Kontrolle gibt." Aber, so der Gründer von zackzack.at und Buchautor (Ostblock): "Ich will wissen, wer meinen Akt so lange hat verschwinden lassen. Und ich will wissen, wer jetzt ohne ernsthafte Ermittlungen diesen Prozess will." (Fabian Schmid, 2.7.2024)