Raiffeisen-Generaldirektor Michael Höllerer kündigt konkrete Schritte an, um den Kurier ganz zu übernehmen. Auch einen Einstieg von Raiffeisen bei der Kronen Zeitung würde er sich "anschauen", wenn sich die Möglichkeit bietet, sagt er im STANDARD-Interview. Von der Medienpolitik erwartet er bessere Wettbewerbsbedingungen und Chancengleichheit für private Medien – und Beschränkungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Der sei "zu dominierend in diesem kleinen Markt. Der ORF spielt aufgrund seiner öffentlichen Finanzierung, aufgrund seiner Marktmacht alle anderen an die Wand."

Was ansteht: Umbau bei "Kurier", "Krone", Mediaprint

Anlass für die geplante Komplettübernahme des Kurier und die Idee einer Beteiligung von Raiffeisen an der Krone ist die Pleite der Signa-Gruppe. Die Signa Holding hält 49,49 Prozent an einer Holdinggesellschaft der deutschen Funke-Gruppe. Und diese Holding besitzt:

Raiffeisen will nun die 49,44 Prozent am Kurier ebenfalls übernehmen, die Dichands die 50 Prozent an der Krone. Dabei könnte Raiffeisen helfen und sich etwa mit 25 Prozent an der Krone beteiligen, lautet eine der vielen Denkvarianten in dieser Gemengelage. Die Funke-Gruppe hat erkennen lassen, dass sie sich einen Komplettausstieg vorstellen kann, eine entscheidende Rolle dürfte die Zahlungsbereitschaft der Käufer spielen.

Komplexer wird die Gesamtsituation durch einen gemeinsamen Verlag der beiden Zeitungen: Kurier und Krone haben ihre Verlagsaktivitäten 1988 beim Einstieg der Funke-Gruppe im gemeinsamen Verlagskonzern Mediaprint zusammengelegt, wo derzeit die drei häufig zerstrittenen Eigentümergruppen Dichand, Raiffeisen und Funke gemeinsam über alle verlegerischen Fragen beider Titel entscheiden, was immer wieder zu schweren Blockaden führt.

Künftig soll die Mediaprint eine Servicegesellschaft für Krone, Kurier und (wie bisher schon) andere Titel in Druck und Zeitungsvertrieb sein. Krone und Kurier sollen eigenständiger wirtschaften und die Werbevermarktung wieder selbst übernehmen.

Raiffeisen-Generaldirektor Michael Höllerer.
Raiffeisen-Generaldirektor Michael Höllerer.
Christian Fischer

"Gesellschaftspolitische Verantwortung"

STANDARD: Raiffeisen ist einer der großen Medieneigentümer im Land. Die wirtschaftliche Lage der Medien ist, vorsichtig ausgedrückt, schwierig. Warum engagiert sich Raiffeisen im Medienbereich? Wie erklären Sie das Ihren Shareholdern, Ihren Genossenschaftern?

Höllerer: Die Frage ist, warum wir im Medienbereich engagiert bleiben.

STANDARD: Und die Antwort darauf?

Höllerer: Das Medienportfolio von Raiffeisen ist über Jahre, weit vor meiner Zeit, aufgebaut worden. Ich habe den Zugang: Wenn ich eine Beteiligung habe, will ich diese weiterentwickeln. Man könnte auch aussteigen und sich dem Thema nicht mehr widmen. Das tun wir sicher nicht. Wir haben einen genossenschaftlichen Förderauftrag. Für mich gehört zu diesem genossenschaftlichen Förderauftrag auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Ich sehe das Halten von Medienbeteiligungen absolut als Teil dieser Verantwortung.

STANDARD: Große Renditen dürften derzeit jedenfalls nicht der Grund sein.

Höllerer: Ja, wir durchleben gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten. Wir müssen hier eine Transformation schaffen, neue Geschäftsmodelle entwickeln und uns reinknien.

STANDARD: Täuscht der Eindruck: Seit Christian Konrad Raiffeisen-Generalanwalt war, hier mit sehr viel Medienphantasie diese Beteiligungen aufgebaut und ausgebaut hat, ist dieser Bereich eher verwaltet worden?

Höllerer: Obmann Erwin Hameseder hat den Medienbereich auch mitgestaltet. Die Medienphantasie teile ich stark mit Christian Konrad, jeder natürlich aus der Perspektive einer anderen Zeit. Für mich sind Medien ein gesetztes Geschäftsfeld in unserer Gruppe.

STANDARD: Sie haben auch für Medien in den vergangenen Monaten intern eine Strategie neu formulieren lassen. Was sieht die vor?

Höllerer: Wir gehen, wie in anderen Bereichen, in Richtung Ökosystem. Wir verbinden Medien mit anderen Geschäftsfeldern. Und wir wollen in der Ostregion Österreichs ein absoluter Player sein.

"Es ist aber nicht die Aufgabe eines Generaldirektors, den Chefredakteur anzurufen und zu sagen, was am nächsten Tag im Blatt stehen muss. Niemals."

STANDARD: Sie haben als Generaldirektor im Konzern ohnehin das Sagen …

Höllerer: … nicht so viel, wie alle glauben …

STANDARD: Ich unterstelle Ihnen das jetzt einfach einmal, und so auch das Sagen im Mediensektor. Übernehmen Sie auf Sicht auch die Funktionen von Erwin Hameseder bei den Medienbeteiligungen? Er ist etwa Aufsichtsratsvorsitzender des Kurier und der Mediaprint und dort auch im Gesellschafterausschuss, in der Kurier-Medienholding Medicur sind Sie ohnehin schon beide Geschäftsführer.

Höllerer: Erwin Hameseder und ich sind ein Team. Egal in welchem Gremium wer sitzt, wir sind inhaltlich immer hervorragend aufgestellt. Ich sehe meine Aufgabe nicht primär darin, in Gremien zu sitzen. Ich sehe sie primär darin, zu gestalten, mich als Eigentümer einzubringen. Das funktioniert bisher hervorragend.

STANDARD: Haben Sie schon Kurier-Geschäftsführer Richard Grasl oder Chefredakteur Martin Gebhart angerufen, wenn Ihnen eine Story im Kurier nicht gepasst hat?

Höllerer: Ich habe das noch nie getan und werde das nicht tun.

STANDARD: Warum nicht?

Höllerer: Weil ich die Unabhängigkeit der Redaktion achte. Wenn ich wo sehe, dass es Probleme oder Missstände gibt, müsste ich einschreiten. Es ist aber nicht die Aufgabe eines Generaldirektors, den Chefredakteur anzurufen und zu sagen, was am nächsten Tag im Blatt stehen muss. Niemals. In der Zeitung soll stehen, was die Leserinnen und Leser interessiert, und nicht, was ich lesen will.

STANDARD: Das größte dieser Medienengagements von Raiffeisen ist der Kurier. Ich frage noch einmal: Warum betreibt ein genossenschaftlicher Finanz- und Industriekonzern eine Tageszeitung, ein Tagesmedium. Geht es da, wie Raiffeisen oft nachgesagt wird, um Medienmacht, um Einfluss auf die öffentliche Debatte?

"Ich habe mich noch niemals aufgedrängt"

Höllerer: Nein. Wenn es um Einfluss gehen würde, würde ich sagen: Das möchte ich lesen, das muss sein. Und das ist wirklich absolut nicht der Fall. Warum betreibt man eine Tageszeitung: Das war über Jahrzehnte wirklich ein guter Ertragsbringer. Das hat sich in den letzten Jahren für die gesamte Branche geändert. Ich glaube aber, dass man im Medienbereich mittel- und langfristig Geld verdienen kann, insbesondere in Kombination mit anderen Geschäftsfeldern.

STANDARD: Zum Beispiel?

Höllerer: Banken zum Beispiel kommen über andere Wege zu den Menschen als allein über Konten und Kredite. Wir haben einen Stromtarif, weil wir wissen, dass das ein großes Thema unserer mittelständischen Kunden ist. Ich muss als Bank für unseren Kundenkreis, den Mittelstand, fast so eine Art Lebensgefühl sein und ihnen Mehrwert bringen. Da können die Medien eine Rolle spielen. Wir haben mit der Kurier Freizeit ein cooles Lifestyle-Produkt. Da ist eine Kombination etwa mit Raiffeisen Reisen ein Angebot.

STANDARD: Geschäftsführer Grasl und Chefredakteur Gebhart haben dieses Frühjahr im Ö1-Medienmagazin #doublecheck recht offen ein Problem des Kurier benannt: Wofür steht das Medium eigentlich? Wofür steht der Kurier für Sie als Leser?

Höllerer: Der Kurier ist für mich als Leser eine sehr objektive Tageszeitung, eine absolute Qualitätszeitung. Und er ist ein Medium, das mir einen tollen Überblick über die gesamte Ostregion bietet. Zum dritten hat der Kurier Themen im Softnewsbereich, die ich gerne lese.

STANDARD: Der Medienwatchblog Kobuk stellte in einer Inhaltsanalyse fest, dass Raiffeisen und sein Management im Kurier weit häufiger vorkommt als in anderem Medien.

Höllerer: Ich kenne die Kritik, ich kann sie aber nicht nachvollziehen. Ich habe mich noch niemals aufgedrängt. Und wir führen hier, soweit ich weiß, ein Interview für den STANDARD.

"Wir haben aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Signa Holding ein Interesse an der Übernahme aller Anteile am Kurier und werden auch entsprechende Schritte setzen."

STANDARD: Frage an den Banker Höllerer: Was ist der Kurier im Jahr 2024 wert?

Höllerer: Der Kurier hat keine schlechte Bewertung, den Wert sage ich ihnen aber nicht.

STANDARD: Nach unserem Informationsstand will Raiffeisen der deutschen Funke-Gruppe beziehungsweise der Signa Holding deren gemeinsam knapp unter 50 Prozent am Kurier abkaufen. Wie ist der Stand?

Höllerer: Wir haben aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Signa Holding ein Interesse an der Übernahme aller Anteile am Kurier und werden auch entsprechende Schritte setzen.

STANDARD: Wenn Raiffeisen alle Anteile am Kurier übernimmt und die Familie Dichand alle Anteile an der Kronen Zeitung von der Funke-Gruppe. Wie geht es dann mit der Mediaprint weiter, dem gemeinsamen Verlag von Kronen Zeitung und Kurier?

Höllerer: Wir haben mit Richard Grasl auch in der Mediaprint einen neuen Geschäftsführer. Mir ist wichtig, dass die Geschäftsführung Vorschläge macht, wie man das gesamte Konstrukt Kurier-Krone-Mediaprint so weiterenwickelt, dass sie den Gesellschaftern, den Eigentümern und insbesondere den beiden Medien etwas bringt. Daran werden wir die Geschäftsführung messen.

STANDARD: Gerade in diesen Tagen soll ein Umlaufbeschluss der Mediaprint-Gesellschafter über deren Neuausrichtung am Nein der Familie Dichand gescheitert sein.

Höllerer: Insgesamt bin ich da zuversichtlich, dass wir da einen gemeinsamen Weg finden.

STANDARD: Die Idee ist: Eigenständige Zeitungen, die Mediaprint als eine Art Servicegesellschaft für Druck und Zeitungszustellung?

Höllerer: Shared Service, genau. Alles, was beide Medien kundenorientierter macht und ökonomisch weiterbringt, ist ein begrüßenswerter Schritt.

"Krone"-Beteiligung? "Bin bekannt, dass wir uns alles anschauen."

STANDARD: Nach unserem Informationsstand soll Raiffeisen konkret interessiert sein, sich an der Kronen Zeitung zu beteiligen im Zuge dieses Deals. Ist da was dran? Und, so höre ich auch, wäre Raiffeisen bei einer Krone-Beteiligung verhandlungsbereit über die derzeit fixe Gewinnaufteilung im Verhältnis von 30 zu 70 zwischen Kurier und Krone in der Mediaprint?

Höllerer: In den Fragen stecken viele Hypothesen und Annahmen. Ich bin bekannt dafür, dass ich alle Möglichkeiten auf dem Tisch haben möchte, wir uns alles anschauen, wie den Aufkauf des Kurier. Wenn wir hier zu Konstrukten, zu Ideen kommen, die uns gemeinsam weiterbringen, bin ich der Letzte, der dazu nein sagt. Aber Themen, die Sie jetzt angesprochen haben, liegen heute absolut nicht auf dem Tapet.

STANDARD: Wäre ein Einstieg von Raiffeisen bei der Krone kartellrechtlich überhaupt möglich?

Höllerer: Das müsste man prüfen. Wir müssen bei unseren Transaktionen, nicht nur im Medienbereich, richtigerweise immer vor die Wettbewerbsbehörde gehen. Ich denke so: Was bringt uns am deutlichsten weiter? Was hat für unsere Kunden den größten Mehrwert. Und dann musst du ohnehin alle Rechtsgebiete prüfen. Aber das wäre auch in einem solchen Fall eine gewisse Herausforderung.

"Diese Zahlen waren ein Wachrütteln. Das war natürlich höchste Zeit."

STANDARD: Die Mediaprint hat im Frühjahr nach langen Mühen ihren Jahresabschluss für 2022/2023 mit einer positiven Fortbestandsprognose durchgebracht, mit fast 25 Millionen Verlust. Nun steckt die Medienbranche in einer Vielzahl von Krisen, aber: Was ist da passiert, dass der größte private Verlagskonzern in eine solche Lage kommt?

Höllerer: Ich glaube schon, dass es da einen gewissen Reformstau gab. Diese Zahlen zeigen aber zugleich, wie schnell die Transformation im Medienbereich vor sich geht, wie schnell das klassische Geschäftsmodell erodiert. Diese Zahlen waren ein Wachrütteln. Das war natürlich höchste Zeit. Jetzt haben wir Maßnahmen gesetzt. Das neue Team wird an seinen Erfolgen gemessen werden.

STANDARD: Beim Kurier wurde etwa ein Drittel des redaktionellen Personals gekürzt, bei der Krone wird gerade ein Siebentel gekürzt, in der Mediaprint wurde bisher ein Teilbetrieb in Kärnten eingestellt. Trauen Sie sich, bei der sehr volatilen Branchensituation, zu sagen: Damit sind wir jetzt nachhaltig solide aufgestellt?

Höllerer: Wir erleben nicht nur in der Medienbranche eine große Volatilität. Auf ein tolles Quartal folgt ein Absturz, dann geht es vielleicht halbwegs weiter. Wir haben dort ein neues Team eingesetzt. Dieses Team genießt unser Vertrauen. Es hat uns glaubwürdig dargelegt, wie man jetzt mit den eingeschlagenen Maßnahmen wieder auf die ökonomische Erfolgsspur kommt. Daran wird dieses Team gemessen werden.

"Der Erfolg hat viele Väter, die Niederlage ist ein Waisenkind, und einer zeigt auf den anderen. Ich beteilige mich daran nicht. Ich möchte gemeinsam Erfolg haben."

STANDARD: Ein Klassiker in der Mediaprint ist: Wenn es im Konzern schlecht läuft, sagt die Krone, der Kurier sei schuld. Ist das so?

Höllerer: Der Erfolg hat viele Väter, die Niederlage ist ein Waisenkind, und einer zeigt auf den anderen. Ich beteilige mich daran nicht. Ich möchte gemeinsam Erfolg haben.

STANDARD: Vor dem Kurier wurde schon dessen Magazin Profil von Manager Richard Grasl neu aufgestellt, das Sie einmal in einem Gespräch "Spatzenpost" genannt haben sollen…

Höllerer: Ich kann mich an eine solche Aussage nicht erinnern.

STANDARD: Wie beurteilen Sie Profil nach der Neuaufstellung mit Chefredakteurin Anna Thalhammer? Oder ist das Thema zu klein für den Generaldirektor?

Höllerer: Für den Generaldirektor ist kein Thema zu klein. Und der Generaldirektor ist bei sehr vielen Dingen involviert, vor allem jenen, die nicht so toll laufen. Ich bin mit der Neuaufstellung von Profil sehr zufrieden. Man muss jetzt, wie beim Kurier, dem Team eine Chance geben. Das Profil gewinnt für mich wieder mehr Profil, und das ist gut so.

STANDARD: Sie haben bei Kurier und Profil von Chancen für das Team gesprochen. Solche Chancen haben meist Fristen – drei Jahre, manchmal nur eines, manchmal fünf. Und: Was ist das Ziel?

Höllerer: Lassen Sie mich allgemeiner antworten: Wenn man bei größeren Projekten nach zwei Jahren sieht, es geht in die richtige Richtung, das Team braucht aber aufgrund der Rahmenbedingungen, der Konjunktur noch länger, wird man ihm die Zeit geben. Wenn man nach einer Zeit sieht, dass etwas nicht aufgeht und es massive Themen gibt, muss man sich zusammensetzen und besprechen, was man tun muss, dass es doch etwas wird, oder ob es keinen Sinn macht. Das ist aber nicht nach einem Jahr.

"Ich werde alles dafür tun, dass es Profil, Kurier und die Medien, die wir haben, noch sehr, sehr lange gibt."

STANDARD: Was ist das Ziel? Sollen diese Medien kein Geld kosten oder zumindest nicht dramatisch Geld verbrennen, oder werden gar zweistellige Renditen erwartet? Werden sie am publizistischen Gewicht gemessen, am gesellschaftlichen Mehrwert?

Höllerer: Es sind zwei Punkte. Wenn das Medium Relevanz am Markt hat, im Sinne von: wird gelesen, hohe Glaubwürdigkeit, Qualität. Zugleich darf es nicht in Schönheit sterben: Es muss ökonomisch zumindest so geführt werden, dass es nicht dauerhaft ein Zuschussbetrieb ist. Renditeerwartungen aus anderen Branchen kann und sollte man nicht auf die Medienbranche anwenden. Das geht einfach nicht.

STANDARD: Da ist man schon froh, wenn es sich ausgeht.

Höllerer: Absolut, ja.

STANDARD: Wie lange wird es das Profil geben, wie lange den Kurier?

Höllerer: Ich werde alles dafür tun, dass es Profil, Kurier und die Medien, die wir haben, noch sehr, sehr lange gibt. Ich kann Ihnen dazu aber keine genaue Jahreszahl sagen. Wir sind langfristig orientiert, und wir wollen, dass diese Medien langfristig bestehen.

STANDARD: Sie haben noch einige andere, kleinere Medien im Portfolio, und sich gerade in den vergangenen Monaten an weiteren beteiligt (Anm: Nach dem Interview wurde bekannt, dass die Raiffeisen-Beteiligung Ärzteverlag "Medizin populär" von der Ärztekammer übernehmen will). Steht da noch etwas auf der Wunschliste?

Höllerer: Wir führen Gespräche über Beteiligungen an kleineren Medien in der Dimension des Börsianer, aber da sind wir noch nicht so weit, dass wir darüber reden können.

STANDARD: Was ist die Idee hinter der Beteiligung am Agrarverlag mit Titeln wie Holzkurier und Garten + Haus und am Finanzmedium Börsianer?

Höllerer: Solche Fachpublikationen können durchaus profitabel arbeiten. Und sie passen sehr gut in unsere Medienstrategie, neben den großen Dampfern mit einigen innovativen Speedbooten unterwegs zu sein – wie hektar.com oder dem Börsianer. Und ich freue mich über Medien, die sich positiv zum Kapitalmarkt äußern wie der Börsianer und das Thema inhaltlich gut abdecken.

STANDARD: Fehlt noch die NÖN aus Ihrem Portfolio, Raiffeisen hält 20 Prozent am Niederösterreichischen Pressehaus.

Höllerer: Die NÖN sehe ich wie den Kurier und unsere angestammten Medien, auch dort muss man durch diesen Transformationsprozess, im Einklang mit dem Haupteigentümer…

STANDARD: … der Diözese St. Pölten. Wie arbeitet man in einem Medienunternehmen mit der Kirche?

Höllerer: Wir sind da in sehr konstruktiven Gesprächen. Bei der Beteiligung wartet auch viel Arbeit auf uns beziehungsweise das dortige Management.

STANDARD: Ihre lukrativste Medienbeteiligung dürften die 40 Prozent an der ORF-Sendertochter ORS sein. Trägt die den Kurier-Medienbereich mit?

Höllerer: Ich würde nicht sagen, dass sie den Medienbereich mitträgt. Die ORS ist eine sehr gut geführtes Unternehmen, wirtschaftet sehr gut, und wir sind absolut glücklich damit.

STANDARD: Die Onlineplattform Exxpress soll bei Ihnen angeklopft haben, ob Sie sich nicht beteiligen wollen. Warum wurde nichts daraus?

Update: Raiffeisen will die Anteile am Niederösterreichischen Pressehaus aufstocken, dem Verlag der NÖN, von derzeit 20 auf zumindest 25 und bis zu 28,6 Prozent.

Höllerer: Wir haben immer wieder Medien, Verlagshäuser, die bei uns anklopfen, ob wir interessiert sind. Wir schauen uns Vieles an. Aber wir sind nicht beim Exxpress eingestiegen, das stimmt.

STANDARD: Am 29. September wird gewählt. Welche medienpolitischen Maßnahmen sollte eine nächste Regierung setzen? Welche Rahmenbedingungen wären sinnvoll für diese gebeutelte Branche?

Höllerer: Nicht alleine in der Medienbranche, aber jedenfalls auch dort sollte man davon abkommen, fehlende Rahmenbedingungen, fehlende Chancen- und Wettbewerbsgleichheit zu kompensieren mit einem Übermaß an Förderungen, mit einem staatlichen Füllhorn. Ich denke da an den ORF und das ORF-Gesetz. Man macht lieber ein Gesetz und gibt dann Förderungen. Man muss Infrastruktur für private Medien schaffen. Klären, welche Rolle der öffentliche Rundfunk wirklich spielen soll. Und man sollte den Medien abseits der Tagespolitik mehr Beachtung schenken. Ich wundere mich immer wieder, warum es keinen Ausschuss des Nationalrats für Medien gibt, in dem man sich diesen Themen strukturiert widmet.

STANDARD: Der ORF, Österreichs größter Medienkonzern, ist also zu groß mit rund 700 Millionen Euro aus dem ORF-Beitrag, insgesamt einer Milliarde Euro und Marktführerschaft in TV, Radio, Online?

Höllerer: Zu dominierend in diesem kleinen Markt. Der ORF spielt aufgrund seiner öffentlichen Finanzierung, aufgrund seiner Marktmacht alle anderen an die Wand. Man muss sich überlegen, welche Rolle der ORF in Zukunft spielen soll. Und ich halte es für wichtig und berechtigt, dass es einen öffentlichen Rundfunk gibt. Wie etwa auch im lange von einem staatlich dominierten Player am Mobilfunkmarkt gilt: Wettbewerb belebt, Wettbewerb bringt bessere Produkte.

STANDARD: Dann müssten Ihnen die medienpolitischen Pläne der FPÖ gefallen, die den ORF deutlich reduzieren will.

Höllerer: Ich kommentiere nicht die Programme einzelner Parteien.

STANDARD: Wie sollte die nächste Regierung aussehen?

Höllerer: Das wird der Wähler entscheiden. (Harald Fidler, 3.7.2024)