Die USA, so lernt man es früh im Schulfach "Geschichte und politische Bildung", leben von einem ausgeklügelten System der "checks and balances". Will heißen: Die Gewaltenteilung ist so geregelt, dass Regierung, Parlament und Gerichte sich gegenseitig in Schach halten. Keines der drei ist dem anderen übergeordnet. Das Urteil, das der US Supreme Court am Montag – erwartbar, aber doch schockierend – gefällt hat, ändert dieses System.
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Der Präsident kann für Taten in der Ausübung seines Amtes nicht gerichtlich verfolgt werden, sondern allenfalls vom Kongress über das Instrument des Impeachment. "Kann der Präsident nun einen Putsch anordnen oder die Ermordung eines Gegners?", fragt die liberale Höchstrichterin Sonia Sotomayor in ihrer Replik auf die Mehrheitsmeinung am Gericht. Ja, lautet offenbar die Antwort, solange er dies nicht ganz offensichtlich als Privatmann tut.
Aktivisten auf der Richterbank
Jahrelang haben Konservative in den USA vor sogenannten Activist-Judges gewarnt, also angeblich liberalen Juristinnen und Juristen, die das Recht so auslegen würden, dass es ihren Gesellschaftsvorstellungen entspricht. Nun zeigt sich am Urteil der sechs vom republikanischen Präsidenten eingesetzten Richterinnen und Richter, von denen mehrere in politischen und geschäftlichen Positionen längst wegen Handlungen am Rande der Bestechlichkeit über Ethikregeln gestolpert wären: Der Vorwurf sollte verschleiern, was man selbst zu tun plante.
Das Urteil im Fall Trump vs. United States geht weit über den Gefallen hinaus, den der Supreme Court dem Ex-Präsidenten damit tut. "Wir schreiben hier eine Regel für die Ewigkeit", sagte der konservative Höchstrichter Neil Gorsuch bei einer Anhörung zu dem Fall. Zumindest da hatte er recht. Leider. (Manuel Escher, 1.7.2024)