Rund um den Wiener Hauptbahnhof wird es wohl eng werden. Die Public-Viewing-Zone auf dessen Vorplatz dürfte einer der Hotspots sein, wo die hiesige türkische Community das Türkei-Österreich-Match am Dienstagabend verfolgen wird. Dort, an der Grenze zum migrantisch geprägten Favoriten, wo 4,6 Prozent der Bevölkerung türkische Staatsangehörige sind, haben 500 Fußballfans Platz. Die ÖBB geht davon aus, dass dies nicht reichen könnte: Sobald die Obergrenze erreicht ist, müsse der Zugang gesperrt werden, darauf wurde am Montag vorsorglich aufmerksam gemacht.

Vorplatz des Wiener Hauptbahnhofs, Favoritner Fußgängerzone, Brunnenmarkt, Prater und die Strandbar Herrmann: Alles beliebte Plätze für gemeinsames Fußballschauen, auch bei der türkischen Community.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Eine Ausweichlocation ist nicht weit entfernt: die Favoritner Fußgängerzone. Ebenso erfreue sich das Public Viewing beim Feuerdorf im Prater großen Zulaufs aus der türkischen Fangemeinde, sagt Muhammed Yüksek, SPÖ-Mandatar im zehnten Bezirk. Nicht umsonst habe es unweit des Pratersterns bereits vergangenen Mittwoch lautstarke Freudenkundgebungen und Hupkonzerte gegeben. Der Rathausplatz, der Ottakringer Brunnenmarkt und die Strandbar Herrmann am Donaukanal dürften ebenfalls gut frequentiert werden.

Güngör: "Feiern gehört dazu"

Rund 76.000 Menschen mit türkischem Pass leben in Wien, sie sind nach den Serbinnen und Serben die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Ein großer Teil der Community drücke der Türkei die Daumen, schätzt der dort geborene Soziologe Kenan Güngör im Gespräch mit dem STANDARD. "Es gibt inzwischen aber auch einen großen Teil, der gleichzeitig zu 50 Prozent auf österreichischer Seite steht oder mit Österreich mitfiebern würde, wäre der Gegner ein anderer."

Güngör rechnet in Wien mit einem friedlichen Verlauf des Spielabends, auch wenn man das im Vorfeld freilich nie genau sagen könne. Sehr wohl zu erwarten seien beflaggte Autos und Gehupe: "Das gehört zum Fußball dazu, Feiern ist in Ordnung." Er hoffe jedenfalls darauf, dass flashmobartige Zusammenkünfte von Fans ausbleiben und der Spielabend "ein sportliches Event" werde.

Viel los auf den Straßen

Trotzdem existiere bei Nationalsport wie Fußball auch Nationalismus. Besteht da auch eine Gefahr für ultranationalistisches Gebaren, etwa das Zeigen des in Österreich verbotenen Wolfsgrußes? Güngör hat den Eindruck, das als extremistisch eingestufte Handzeichen werde auf offenere Straße mittlerweile weniger vorbehaltlos verwendet als früher, es habe eine gewisse Bewusstseinsbildung stattgefunden. Sein Eindruck: Die Thematik sei besser unter Kontrolle.

Die Wiener Polizei geht am Dienstag aufgrund des Spiels "mit einem erhöhten Personenaufkommen besonders bei den Public-Viewing-Örtlichkeiten als auch im gesamten Stadtgebiet" aus. Beamtinnen und Beamte werden "verstärkt im Einsatz sein", sowohl in Uniform als auch in Zivil, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Inspektionsdienste seien jedenfalls rund um alle Fanzonen geplant. Wie viele Einsatzkräfte genau unterwegs sein werden, kommuniziere man "aus einsatztaktischen Überlegungen" nicht.

Berlin, Kreuzberg: So feierten Türkinnen und Türken vergangenen Mittwoch den Einzug ins Achtelfinale. Ähnliches könnte sich auch am Dienstag in Wien abspielen.
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Was die Risikoeinschätzung angeht, heißt es aus der Landespolizeidirektion, dass strafbare Handlungen nie zur Gänze ausgeschlossen werden können: "Insbesondere bei öffentlichen Plätzen, Veranstaltungen oder sonstigen Vorkommnissen, bei denen viele Personen an einer Örtlichkeit zusammenkommen, können sich strafbare Handlungen jeglicher Form ereignen." Die Polizei versuche, diese "mit einem umfassenden Sicherheitskonzept hintanzuhalten".

Kontrollen in Gastgärten

Unterwegs wird auch die Gruppe Sofortmaßnahmen der Stadt Wien sein – wie auch schon an vergangenen Matchtagen. Sie wird in Schanigärten auf Streife gehen. Dort werde stichprobenartig kontrolliert, ob alles mit rechten Dingen zugehe und Public Viewing nur stattfinde, wo es auch angemeldet wurde, sagt ein Sprecher. Die übrigen Sicherheitsbelange seien Sache der Polizei. (Stefanie Rachbauer, Oona Kroisleitner, 2.7.2024)