Nahaufnahme einer Fahrradreparatur in einer Werkstatt
Die Pilotphase für den Lehrberuf Fahrradmechatronik wird um weitere zwei Jahre verlängert.
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Trotz guter Aussichten am Jobmarkt entscheiden sich immer weniger Junge für einen Lehrberuf. Mit Ende Mai befanden sich in Österreich insgesamt rund 100.000 Personen in einer Lehrausbildung. Die Anzahl der Lehrlinge in Österreich ist seit Jahrzehnten rückläufig. Rund ein Drittel absolviert seine Ausbildung in Wien, Niederösterreich oder dem Burgenland. Dort sieht die Situation tendenziell anders aus als im Rest Österreichs: In der Ostregion gibt es mehr Lehrstellensuchende als Ausbildungsplätze. Trotz eines deutlichen Anstiegs an Lehranfängern im Vorjahr in der Bundeshauptstadt hat die duale Ausbildung nach wie vor mit Imageproblemen zu kämpfen.

Mit dem sogenannten Lehrberufspaket, das mit 1. Juli in Kraft getreten ist, möchte die Regierung nun gegensteuern. Durch den raschen Beschluss sollen Änderungen bereits im neuen Ausbildungsjahr 2024/25 umgesetzt werden können. Betroffen sind davon rund 2400 Lehrverhältnisse. Die Zahl ergibt sich aus der Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer Österreich sowie Schätzungen für die geplanten neuen Lehrberufe, heißt es dazu auf Anfrage des STANDARD aus dem Arbeits- und Wirtschaftsministerium.

Fokus aufs Klima

Neue Ausbildungen sollen künftig in den Bereichen Faserverbundtechnik, Fernwärmetechnik sowie als Klimagärtnerin und Klimagärtner möglich sein. In diesen drei Green Jobs sollen angehende Fachkräfte künftig zur Klimawende beitragen. Die Spezialisierung des Gärtnerberufs legt den Fokus vor allem auf den urbanen Raum. Mittels verschiedener Bepflanzungen, Begrünungen und Beschattungen auf Dächern und Gebäudefassaden soll künftig die Temperatur in den Städten reguliert werden.

Gerechnet wird laut Ministerium mit rund 25 angehenden Klimagärtnerinnen und Klimagärtnern pro Jahr, ebenso viele Neuzugänge werden in der Faserverbundtechnik erwartet. Im Bereich Fernwärmetechnik geht man von etwa 35 Lehranfängerinnen und -anfängern im Herbst aus. Alle drei Berufe sind zunächst als Ausbildungsversuche mit zeitlicher Begrenzung angelegt, und die Zahl der Lehrlinge soll sukzessive steigen.

Auch die bestehenden Lehrberufe Elektronik und Holztechnik sollen einen grünen Anstrich bekommen. Im Paket ist eine Überarbeitung der Berufsbilder hin zu mehr Nachhaltigkeit und der Erfüllung der Klimaziele vorgesehen. Insgesamt sind davon rund 1000 Lehrlinge betroffen – der Großteil mit rund 800 in der Elektronik. Aufgrund der positiven Evaluierung wird der Ausbildungsversuch Bauwerksabdichtungstechnik zudem in einen Regellehrberuf überführt. Die Pilotphase im Bereich Fahrradmechatronik wird um weitere zwei Jahre verlängert.

Ausbildung attraktivieren

Die neuen "Ausbildungsordnungen" orientierten sich laut Aussendung des Ministeriums in Zukunft an unterschiedlichen Kompetenzen – zusätzlich zur eigentlichen Fachausbildung – und gliedern sich in fachliche und fachübergreifende Kompetenzbereiche wie "Arbeiten im betrieblichen und beruflichen Umfeld", "Qualitätsorientiertes, sicheres und nachhaltiges Arbeiten" sowie "Digitales Arbeiten".

Mit dem Paket soll die Lehre laut Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) weiter gestärkt und modernisiert werden. "Besonders neue Lehrinhalte, wie digitale Kompetenzen und Nachhaltigkeit, werden durch das neue Lehrberufspaket zum einen in bestehende Ausbildungen integriert und zum anderen durch neu geschaffene Ausbildungsversuche vermittelt. Durch eine fundierte und zukunftsträchtige Ausbildung profitieren nicht nur unsere künftigen Fachkräfte, sondern auch die ausbildenden Betriebe und der heimische Standort", sagt Kocher.

Ein neuer Lehrberuf abseits des neuen Pakets, der für mehr berufliche Neuzugänge sorgen könnte, ist die fleischlose Kochlehre. Trotz hitziger Debatte soll die Ausbildung zur "Fachkraft für vegetarische Kulinarik" im Ausbildungsjahr 2025/26 an den Start gehen. Darauf haben sich die Regierungsparteien ÖVP und Grüne vergangene Woche geeinigt. Die neue Lehrausbildung sei ein Instrument gegen Fachkräftemangel, argumentierte Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft. Denn gerade in der Gastronomie fehlt es an Nachwuchs: Auf rund zehn offene Lehrstellen kommt nur ein Interessent. Ob ein grünes Etikett für Lehrberufe reicht, um die Ausbildungsform bei den Jungen wieder attraktiver zu machen, bleibt abzuwarten. (Anika Dang, 3.7.2024)