Die Sicherheitssprecher des österreichischen Nationalrats
Was auffällt: Teilweise ähnlichen die von den Parteien ausgemachten Problemfelder einander, was die Lösungsansätze anbelangt, gibt es da und dort dann doch recht unterschiedliche Herangehensweisen.
Collage: derStandard Fotos: APA

Wenn es um den globalen Terrorismus der Gegenwart geht, dann dominiert aktuell meist der bewaffnete Jihadismus die Schlagzeilen. Er soll mit Anschlägen in Europa und anderswo Angst und Schrecken verbreiten. Und tatsächlich ist derzeit das Risiko eines Terrorangriffs durch den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) so hoch wie schon seit Jahren nicht mehr. Insbesondere Kämpfer des afghanischen Ablegers "Provinz Khorasan" bereiten westlichen Diensten große Sorgen – auch in Österreich.

Dabei darf aber nicht die Gefahr unter den Tisch fallen, die vom Rechtsextremismus ausgeht. Davor warnen Staatsschützer permanent. Denn jene Bedrohung ist dem Jihadismus mindestens ebenbürtig.

Und als wären diese Phänomene für den heimischen Sicherheitsapparat nicht schon Aufgabe genug, gibt es auch noch in der Organisierten Kriminalität jede Menge zu tun. Aber was hat für die vier Sicherheitssprecher und die Sicherheitssprecherin im Nationalrat Priorität? Und welche Lösungsansätze gibt es dagegen?

Stocker: Chat-Überwachung im Kampf gegen Terroristen

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker
Christian Stocker geht nicht davon aus, dass sich mit den Grünen auf den letzten Metern der Koalition noch eine Echtzeit-Kontrolle von Terror-Chats umsetzen lässt.
APA/Max Slovencik

Der Terrorismus habe viele Seiten, eine islamistische, aber auch eine rechts- und eine linksextreme, sagt Christian Stocker, ÖVP-Generalsekretär und Sicherheitssprecher der Volkspartei. Um derlei Umtriebe bekämpfen zu können, müssten Ermittler besser ausgestattet werden. Stocker fordert die Überwachung der Chats von Terrorverdächtigen in Echtzeit – "natürlich unter Einhaltung strenger rechtsstaatlicher Regeln".

Das ist eine Langzeitforderung von Österreichs oberstem Staatsschützer Omar Haijawi-Pirchner. Mit den Grünen sei eine solche Reform im Legislatur-Endspurt aber "leider nicht mehr zu erwarten", klagt Stocker. Die Überwachung von Terrorchats bleibe aber auf der Agenda.

Wenn es um Radikalisierung geht, warnt Stocker vor Parallelgesellschaften, vor "No-Go-Zonen" wie in Frankreich oder Belgien. "Solche Zustände müssen wir in Österreich verhindern", sagt der 64-jährige Jurist. "Mit starker Polizeipräsenz, stringenten Konsequenzen für Straftäter und einer effektiven Integrationspolitik."

Im Bereich der organisierten Kriminalität hält Stocker die Schleppermafia für das zentrale Übel. Die habe "den größten destabilisierenden Effekt auf unsere Gesellschaft und unser Sozialsystem". Hier sei die Kooperation mit anderen Staaten entscheidend, ebenso Kontrollen an den Grenzen: "Sobald das Risiko den potenziellen Nutzen übersteigt, wird deren Aktivität zurückgehen."

Einwallner: Mehr Polizisten für Reaktion auf Angriffe

SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner
Verlangt in Sachen Cyberkriminalität noch mehr Aufklärung und eine Fachkräfteoffensive: Reinhold Einwallner.
APA/ Dietmar Mathis

Der Staatsschutz warne laufend vor islamistischen und rechten Extremisten, "beide Gruppierungen treten immer gewalttätiger auf", sagt Reinhold Einwallner, roter Sicherheitssprecher. Für die Gefährder sei die liberale, demokratische und pluralistische Gesellschaft der Hauptfeind. Frauen, Minderheiten- und Freiheitsrechte seien zu schützen und auszubauen.

Gegen Terrorismus von beiden Seiten sei ein gut aufgestellter Staatsschutz vonnöten, um Anschlagspläne zu vereiteln. Aber auch 4000 Polizistinnen und Polizisten mehr, um bei "Spontanangriffen" wie zuletzt in Mannheim eine schnelle Reaktion zeigen zu können, sagt der 51-jährige Augenoptiker aus Vorarlberg.

Bei islamistischem als auch bei rechtem Extremismus stelle die Radikalisierung auf Tiktok und Telegram einen gemeinsamen Nenner dar – Echokammern voller Fake News und ideologisierter Inhalte. Einwallner schlägt vor, Plattformen stärker in die Pflicht zu nehmen, rechtswidrige Inhalte zu löschen und die Medienförderung an Qualitätskriterien zu binden.

Ein Gefahrenherd für Einwallner sei zudem die Cyberkriminalität in Form von Angriffen auf kritische Infrastruktur, aber auch Daten- und Identitätsdiebstahl bis hin zu Finanzbetrug und Erpressung. Hier brauche es aus Sicht der SPÖ mehr Aufklärung, aber auch eine Fachkräfteoffensive in Polizei und Staatsschutz.

Amesbauer: Verbotsgesetz gegen radikale Islamisten

FPÖ-Sicherheitssprecher Hannse Amesbauer
Will dem "dreckigen Millionengeschäft" der Schlepper die Geschäftsgrundlage entziehen: Hannes Amesbauer.
APA/ Eva Manhart

Aus Sicht von Hannes Amesbauer ist die Sache klar: Der radikalislamistische Terrorismus sei die größte Herausforderung für Österreichs Sicherheitspolitik – und die "illegale Masseneinwanderung" der Nährboden für diese Gefahr. Daher solle Schluss sein mit der "toleranzromantischen Asyl- und Migrationspolitik" – vor allem mit Blick auf islamisch geprägte Regionen. Amesbauer und die FPÖ fordern zudem ein Verbotsgesetz gegen den radikalen politischen Islam.

Ebenso sieht Amesbauer die größten Gefahren hinsichtlich Radikalisierung insbesondere beim Islamismus. Im Rahmen der Palästinenser-Demos habe sich aus Sicht des 43-jährigen Vertragsbediensteten aus der Steiermark ein "Import von Antisemitismus" bemerkbar gemacht. Das Problem sei mittlerweile so groß, dass es sich mit ein paar Wertekursen und "Kodex-Vereinbarungen" nicht mehr einhegen lasse. Dafür verantwortlich seien ÖVP, SPÖ und Grüne.

Neben einer "Asylobergrenze null" fordern Amesbauer und die Freiheitlichen, dass "nicht rechtskräftig aufhältige Fremde, abgelehnte Asylwerber oder kriminelle Asylanten konsequent abgeschoben werden".

Hinsichtlich der organisierten Kriminalität spiele das "dreckige Millionengeschäft" der Schlepper die größte Rolle. "Diesen menschenverachtenden Banden gehört die Geschäftsgrundlage entzogen", fordert er.

Bürstmayr: Verschwörungstheorien auf Apps brechen

Grünen-Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr
Georg Bürstmayr warnt davor, dass die extreme Rechte zu einer "wahren Drehscheibe" des europäischen Waffenhandels geworden sei.
APA/ Helmuth Fohringer

Die größten Bedrohungen im Terrorismus gehen für Georg Bürstmayr von radikalen Islamisten und von Rechtsextremisten aus. Um sie einzuhegen, brauche aus Sicht des Strafverteidigers nicht zuletzt eine beharrliche Arbeit des Staatsschutzes mit "offenen Quellen".

Damit meint Bürstmayr etwa Tiktok, Telegram und Co. Diese hält der 61-jährige Wiener für die wichtigsten Radikalisierungstreiber. Immer mehr Menschen würden sich mit enormer Geschwindigkeit "selbst" radikalisieren", weil sie dort "nur einseitige, oft stark emotionalisierte, hasserfüllte und sehr häufig völlig faktenbefreite Inhalte ausgespielt bekommen".

Themenwoche: Kriminalität, Sicherheit und Radikalisierung
Illustration/ STANDARD

Der Grüne appelliert an alle demokratischen Kräfte, für die Anerkennung von Wissenschaft, Institutionen und Medien zu kämpfen, um Verschwörungserzählungen zu brechen. Wichtig sei ebenso Präventionsarbeit in Schulen, der Jugendarbeit und im Sport, um junge Menschen im "realen" Leben zu halten, sie widerstandsfähiger zu machen.

In der organisierten Kriminalität streicht Bürstmayr den Waffenhandel hervor. Rechtsextreme aus Österreich seien oft eine "regelrechte Drehscheibe" in Europa. Die aufgespürten Waffenlager "haben erschreckendes Ausmaß". Hier sei die internationale Kooperation von Nachrichtendiensten und der Polizei vonnöten.

Krisper: Schulfach für demokratisches Zusammenleben

Neos-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper
Aus Sicht von Stephanie Krisper bräuchten die Deradikalsierungsstellen in Österreich dringend mehr Geld.
APA/ Georg Hochmuth

Geht es nach Stephanie Krisper, Sicherheitssprecherin der Neos, braucht es gegen rechten und und islamistischen Extremismus sowie Terrorismus vor allem einen Staatsschutz, der mit ausreichend Fachpersonal ausgestattet wird. Bisher sei das im seit 2000 vor allem ÖVP-geführten Innenressort zu wenig der Fall: "Es zählte nicht, was man kann, sondern wen man kennt."

Außerdem seien die Deradikalisierungsstellen chronisch unterfinanziert und hätten im Verhältnis zur hohen Anzahl an Gefährdern zu wenig Personal, sagt die 44-jährige Juristin. Österreichs Gefängnisse seien als Radikalisierungsstätten bekannt. Da gehöre nachjustiert.

Gerade der Hamas-Terror vom 7. Oktober habe bei allen Extremismen, auch dem linken, zu mehr Radikalisierung und Antisemitismus geführt – nicht zuletzt im digitalen Raum. Krisper plädiert für ein Schulfach, das demokratische Werte und Medienkompetenz vermitteln soll. Im Falle islamistischer Radikalisierung hätte Krisper gerne Programme, in denen sich Vertreterinnen und Vertreter aus muslimischen Communitys engagieren, um extreme Haltungen einzudämmen.

Mehr Fachpersonal brauche es aus Krispers Sicht zudem vor allem gegen zwei florierende Kriminalitätsphänomene: Cyberkriminalität und Geldwäsche. (Jan Michael Marchart, 3.7.2024)