Stickstoff ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Chemie des Lebens. Er steuert das Wachstum von Nutzpflanzen an Land ebenso wie jenes des mikroskopisch kleinen Phytoplanktons im Meer, das rund die Hälfte des Sauerstoffs auf unserem Planeten beisteuert. Der größte Teil des weltweiten Stickstoffvorrats besteht aus atmosphärischem Stickstoff. Doch diesen können Pflanzen nicht direkt verwerten.

Stattdessen haben sich viele Landpflanzen mit Bakterien als Partner zusammengetan. Diese Rhizobien "fixieren" atmosphärischen Stickstoff in Ammonium, den die Pflanzen schließlich nutzen können. Wie Pflanzen im Meer an den für sie unverzichtbaren Stickstoff kommen, war jedoch bislang nicht restlos geklärt.

zwei Schiffe
Zwei Forschungsschiffe auf hoher See im Atlantik: Die Forschenden spürten während der Expedition marinem Plankton nach.
Foto: Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen/Wiebke Mohr

Produktive Zusammenarbeit

Nun ist es einem deutsch-österreichischen Team gelungen, dieses Mysterium teilweise aufzuklären: Offenbar haben sich marine Kieselalge mit einem Bakterium zusammengetan, um für einen Großteil der Stickstoff-Fixierung im Ozean zu sorgen. Wie die Forschenden im Fachjournal Nature berichten, ist diese Lebensgemeinschaft in den Weltmeeren weitverbreitet und trägt daher entscheidend zur Produktivität der Meere bei.

Viele Jahre lang ging man davon aus, dass der Großteil der Stickstoff-Fixierung in den Ozeanen von photosynthetischen Lebewesen, den Cyanobakterien, durchgeführt wird. Allerdings gibt es in weiten Teilen des Ozeans gar nicht genug Cyanobakterien für die gemessene Stickstoff-Fixierung. Wegen dieser Unstimmigkeit vermuteten viele Forschende, dass nicht-cyanobakterielle Mikroorganismen für die "überschüssige" Stickstoff-Fixierung verantwortlich sind.

Genfragmente unklarer Herkunft

"Seit Jahren finden wir in Meerwasserproben Genfragmente des für die Stickstoff-Fixierung verantwortlichen Enzyms Nitrogenase, die aber anscheinend nicht zu Cyanobakterien gehören", sagt Marcel Kuypers vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Hauptautor der Studie. "Aber wir konnten nicht genau feststellen, um welchen rätselhaften Organismus es sich handelte. So konnten wir auch nicht untersuchen, ob er wirklich wichtig für die Stickstoff-Fixierung ist."

Deswegen beteiligten sich die Forschenden im Jahr 2020 an einer Expedition mit zwei deutschen Forschungsschiffen in den tropischen Nordatlantik. In dieser Region, in der ein großer Teil der marinen Stickstoff-Fixierung stattfindet, sammelten sie hunderte Liter Seewasser in der Hoffnung, darin den mysteriösen Stickstoff-Fixierer zu identifizieren und quantifizieren.

Eng mit Rhizobien verwandt

Es dauerte drei Jahre, bis sie schließlich sein Genom entschlüsseln konnten. "Es war eine lange und mühsame Detektivarbeit", sagte Bernhard Tschitschko, Erstautor der Studie und Bioinformatik-Experte, der jetzt an der Universität Innsbruck arbeitet, "aber letztendlich konnten wir anhand des Genoms viele Rätsel lösen."

"Ausgehend von dem Nitrogenase-Genfragment, das wir zuvor in vielen Meeresproben gesehen hatten, hätte man erwartet, dieses Gen in einem mit Vibrio verwandten Bakterium zu finden", sagte Koautor Daan Speth, ein Bioinformatiker, der inzwischen an der Universität Wien tätig ist. "Aber durch sorgfältiges Zusammensetzen der genetischen Informationen stellte sich heraus, dass es stattdessen zu einem Genom gehörte, das eng mit bekannten Rhizobien verwandt ist, die normalerweise in Symbiose mit Hülsenfrüchten leben."

stickstofffixierende Symbionten
Die den Rhizobien zugehörigen stickstofffixierenden Symbionten (mit fluoreszierenden Gensonden markiert in Orange und Grün) befinden sich innerhalb von Kieselalgen, die im tropischen Nordatlantik gesammelt wurden.
Foto: Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen/Mertcan Esti

Symbiont gesucht und gefunden

Und weil diese Rhizobie auch noch ein sehr kleines Genom hat, erschien es gut möglich, dass sie ein Symbiont ist. Angespornt von diesen Entdeckungen entwickelten die Forschenden daraufhin eine Gensonde, durch die sie die Rhizobien mit einem fluoreszierenden Farbstoff markieren konnten. "So konnten wir die Rhizobien direkt in ihrem natürlichen Lebensraum – den komplexen Umweltproben, die im Atlantik gesammelt wurden – sichtbar machen", sagte Katharina Kitzinger von der Universität Wien.

Tatsächlich bestätigten sich die Vermutungen der Forschenden: Es handelt sich bei dem Rhizobium um einen Symbionten. "In den Kieselalgen fanden wir an immer der gleichen Stelle innerhalb der Alge jeweils Gruppen von vier Rhizobien", berichtet Kuypers. Die Bremer Forschenden nannten den neu entdeckten Symbionten Candidatus tectiglobus diatomicola.

Big Player bei der marinen Stickstoff-Fixierung

Nachdem sie nun endlich geklärt hatten, wer der fehlende Stickstoff-Fixierer war, konnten sich die Forschenden den Details der Symbiose zuwenden. Mithilfe einer Technologie namens nanoSIMS hat das Team gezeigt, dass die Rhizobie der Kieselalge fixierten Stickstoff im Austausch gegen Kohlenstoff liefert. Dabei strengt sie sich richtig an: "Um die Kieselalge in ihrem Wachstum zu unterstützen, fixiert das Bakterium 100-mal mehr Stickstoff, als es für sich selbst benötigen würde", erklärt Wiebke Mohr, eine der Co-Autorinnen.

Es zeigte sich, dass diese Lebensgemeinschaft in den Weltmeeren weitverbreitet ist, insbesondere in jenen Regionen, in denen cyanobakterielle Stickstoff-Fixierer selten sind. Diese winzigen Organismen spielen also tatsächlich eine Hauptrolle bei der weltweiten marinen Stickstoff-Fixierung. Nach Ansicht des Teams sind sie entscheidend, um die Produktivität der Meere und die globale Aufnahme von Kohlendioxid durch den Ozean zu gewährleisten. (tberg, red, 01.07.2024)