Zwei Autos hintereinander.
Max Verstappen (vorne) gegen Lando Norris. Das Duell prägte Spielberg.
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Und dann hat's gekracht. Die verhängnisvolle Kollision zwischen Max Verstappen im Red Bull und Lando Norris im McLaren beim Grand Prix von Österreich, wodurch Mercedes-Mann George Russell den Sieg abstauben konnte, erhitzt die Gemüter. "Eine Freundschaft im Gefrierfach", schrieb die englische Daily Mail. Eifrig diskutiert wurde auch die Schuldfrage. Für Norris war die Antwort klar, er sagte bei Sky: "Ich hatte etwas mehr von Max erwartet. Was er da gemacht hat, war grenzwertig, und am Ende war es etwas dumm und sorglos seinerseits."

Packendes Duell

Lange Zeit sah es in Spielberg nach einem ungefährdeten Start-Ziel-Sieg von Pole-Mann Verstappen aus. Nach einem verpatzten Boxenstopp und einem Verbremser war aber plötzlich Norris dran an ihm. Es entwickelte sich eine Hetzjagd über mehrere Runden. Mehrmals probierte es Norris in Kurve drei. In Runde 59 stach er innen durch, verbremste sich aber. In Runde 63 probierte es der Brite erneut, trieb Verstappen nach außen, kam aber nicht vorbei. Eine Runde später krachte es.

Norris fuhr diesmal außen, Verstappen zog nach. Der rechte Hinterreifen des McLaren touchierte daraufhin Verstappens linken Hinterreifen. Beim Einlenken berührten sich beide Fahrzeuge nochmals. Die Führenden mussten mit Reifenschäden in die Box. Für Norris war das Rennen beendet, Verstappen rettete sich als Fünfter ins Ziel.

Die Rennkommissare sahen Verstappen in der Verantwortung und gaben ihm eine, für das Endresultat letztlich irrelevante, Zehnsekundenstrafe. "Vor dem Einbiegen zog Verstappen nach links und verursachte einen Zusammenstoß", begründeten die Stewards. Der Niederländer trage die überwiegende Schuld. Norris: "Es gibt Regeln dafür, was du tun darfst und was du nicht tun darfst. Er hat Dinge getan, die du nicht tun darfst." So sah das auch McLarens Teamchef Andrea Stella. Er habe "großen Respekt vor Max und Red Bull, aber warum macht man so etwas? Damit beschädigen sie ihren Ruf."

RB-Motorsportberater Helmut Marko sagte im ORF: "Es war ein toller Zweikampf, aber beide haben übertrieben. Von beiden Seiten war's am Limit oder überm Limit." Verstappen bezeichnete die Zehnsekundenstrafe als "lächerlich." Und weiter: "Jedes Mal, wenn ich rübergezogen bin, hatte ich noch gar nicht gebremst."

ORF-Experte Alexander Wurz sah die Strafe als ungerechtfertigt. Robert Lechner stimmte ihm zu: "Ich sehe es als Rennunfall. Vorne und links war noch Platz für ein Auto. Lando war, glaube ich, überrascht, wie klein die Lücke war." Sky-Experte Timo Glock sagte: "Max macht es immer sehr clever. Er geht ans Limit des Reglements und dann weiß man nicht, ob es im oder über dem Limit war. Er hat es ausgereizt bis zum Graubereich. Er bewegt sich zwar, aber immer langsam und stetig. Für mich war er über dem Limit."

Frustreiche Tage für Norris

Was an Norris besonders nagen dürfte: Erneut war sein Auto siegfähig, erneut stand er nicht am obersten Treppchen. In Barcelona vermasselte der Polesetter den Start. Im Spielbergsprint am Samstag war er bereits an Verstappen vorbei, deckte kurz darauf aber innen nicht gut genug ab und fiel sogar auf Rang drei zurück. Schon bei der Pressekonferenz danach wirkte Norris merklich geknickt: "Ich habe die Tür offen gelassen und verteidigt wie ein Amateur." Am Sonntag folgte der noch größere Rückschlag, der auch die Freundschaft auf die Probe stellt.

Verstappen und Norris wohnen beide in Monaco und sind auch gemeinsam im E-Sport aktiv. "Ich vermute", sagte RB-Teamchef Christian Horner, "dass sie erst mal kein Padel-Tennis zusammen spielen." Norris sagte: "Wird die Freundschaft zwischen Max und mir enden? Ich weiß es nicht, es wird von ihm abhängen und davon, wie er es erklärt." Wenn er behaupte, dass er recht habe, "wird es vorbei sein, wenn er zugibt, dass er etwas Dummes getan hat, werde ich es verstehen." Verstappen sagte am Montag, es war unglücklich, dass es zum Unfall gekommen sei. Beide Fahrer gaben zu verstehen, dass sie erstmals etwas Abstand gewinnen müssen, bevor sie sich aussprechen.

Wolffs "größte Dummheit"

Mercedes hatte indes allen Grund zur Freude. Die Silberpfeile beendeten eine lange Durststrecke. 2023 blieben sie erstmals seit 2012 sieglos. Nun feierten sie den ersten Erfolg seit November 2022, als Russell seinen bis Sonntag einzigen Grand-Prix-Sieg in Brasilien gefeiert hatte. Teamchef Toto Wolff war sich bewusst, dass "wir die glücklichen Gewinner heute waren." Aber man müsse eben auch zur Stelle sein, wenn die Chance da sei. Russell sagte: "In Montreal hätten wir gewinnen müssen und wurden Dritter. Heute hätten wir uns den dritten Platz verdient und haben gewonnen. So ist das eben im Sport."

Teamfoto
Mercedes-Jubel.
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Mercedes ist jedenfalls im Aufschwung, feierte den dritten Podiumsplatz in Folge. Hamilton und Russell landeten zum dritten Mal in Folge in den Top vier. Wolff hofft, dass man die rund zwei fehlenden Zehntelsekunden auf McLaren und Red Bull mit Upgrades in den kommenden Wochen gutmachen könne.

Eine Schrecksekunde für Mercedes gab es übrigens doch in Spielberg. Als Wolff sah, dass Norris und Verstappen kollidierten, schrie er lautstark zu Russell in den Funk: "Wir können das Rennen gewinnen!" Allerdings war der Brite zu diesem Zeitpunkt gerade im Bremsvorgang bei einem Tempo von 320 Stundenkilometern. "Ich bin fast gecrasht, als er das in meine Ohren geschrien hat. So laut war das", sagte Russell und lachte. "Aber es zeigt die Leidenschaft, die wir alle teilen." Wolff sprach bei Servus TV von der "größten Dummheit in meinen zwölf Jahren in der Formel 1". (Andreas Gstaltmeyr, 1.7.2024)

WM-Stand (nach 11 von 24 Rennen und 3 von 6 Sprints):

1. Max Verstappen (NED) Red Bull Racing 237
2. Lando Norris (GBR) McLaren 156
3. Charles Leclerc (MON) Ferrari 150
4. Carlos Sainz (ESP) Ferrari 135
5. Sergio Perez (MEX) Red Bull Racing 118
6. Oscar Piastri (AUS) McLaren 112
7. George Russell (GBR) Mercedes 111
8. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes 85
9. Fernando Alonso (ESP) Aston Martin Aramco 41
10. Yuki Tsunoda (JPN) Racing Bulls 19
11. Lance Stroll (CAN) Aston Martin Aramco 17
12. Nico Hülkenberg (GER) Haas 14
13. Daniel Ricciardo (AUS) Racing Bulls 11
14. Oliver Bearman (GBR) Ferrari 6
15. Pierre Gasly (FRA) Alpine 6
16. Kevin Magnussen (DEN) Haas 5
17. Esteban Ocon (FRA) Alpine 3
18. Alexander Albon (THA) Williams 2

Stand Konstrukteurs-WM (nach 11 von 24 Rennen und 3 von 6 Sprints):

1. Red Bull Racing 355
2. Ferrari 291
3. McLaren 268
4. Mercedes 196
5. Aston Martin Aramco 58
6. Racing Bulls 30
7. Haas 19
8. Alpine 9
9. Williams 2

Nächstes Rennen:

Grand Prix von Großbritannien am 7. Juli in Silverstone