Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft werde "holprig", aber "keinen großen Schaden" anrichten, so Andreas Bock vom European Council of Foreign Relations in der ZiB 2 am Sonntagabend.

Mit 1. Juli 2024 wandert das Staffelholz von Belgien weiter zu Ungarn – sechs Monate lang stellt Viktor Orbáns Kabinett den Vorsitz im EU-Ministerrat. "Es gibt die Sorge, dass Ungarn nicht dieser ehrliche, neutrale Makler ist", sagt Bock, der aus Berlin zugeschaltet ist. Ungarn könnte versuchen, nationale Interessen bei Fragen wie dem Ende der Russland-Sanktionen oder der militärischen Hilfe für die Ukraine voranzustellen.

Andreas Bock in der
Ungarn-Experte Andreas Bock war Sonntagabend zu Gast in der "ZiB 2".
Screenshot: ORF On

"Make Europe Great Again" – beim Motto der Ratspräsidentschaft kommt einem sofort das Bild von Kappen, T-Shirts, Fahnen der Trump-Anhängerschaft 2016 in den Sinn. Laut Bock sei es "eigentlich eine Provokation" und zeige offen die Nähe Orbáns zu Donald Trump.

Kann Ungarn also als Vorsitzland die Linie der ganzen Union beeinflussen?, fragt Marie-Claire Zimmermann. "Nein, aber es wird bestimmte Dossiers geben, die zentral sind", sagt Bock und nennt einmal mehr die Unterstützung der Ukraine und Sanktionen gegen Russland. Hier gebe es "durchaus Spielraum, wo die ungarische Ratspräsidentschaft Einfluss nehmen kann". Allerdings stehe man am Anfang der EU-Gesetzgebungsperiode, die Kommission muss erst gebildet werden. "Bis sie dann arbeitet, ist die ungarische Ratspräsidentschaft im Prinzip schon fast vorbei", so Bock. "Großen Schaden, denke ich nicht, dass sie anrichten wird, gleichwohl wird es eine holprige sein."

"ZiB 2": Expertenanalyse: Was kommt jetzt auf die EU zu?
ORF

Am Sonntag wurde eine neue Allianz von FPÖ, Orbáns Fidesz-Partei und Ano von Tschechiens Ex-Premier Andrej Babiš in Wien vorgestellt. Zwei rechtsnationale Fraktionen gab es bisher im EU-Parlament. Dass Patrioten für Europa die größte Fraktion am rechten Rand wird, sieht Bock als "aktuell relativ unrealistisch" an – "die Rechten in Europa sind relativ zersplittert".

Auch der Sieg des Rassemblement National (RN) in der ersten Runde der Parlamentswahlen in Frankreich war im Interview Thema. Falls die rechte Partei künftig den Premier stellen sollte, "hätte Orbán sicherlich einen Mitstreiter gefunden, wenn es jetzt in die sechs Monate andauernde Ratspräsidentschaft geht", so Bocks Einschätzung. (Felix Neumann, 1.7.2024)