Es wird ein Wein sein. Diese Entscheidung fällt, besonders im Sommer, schnell einmal, doch dann hat man die Qual der Wahl. Die Winzerei gilt in Österreich praktisch als Wissenschaft, dementsprechend groß ist die Weinvielfalt im Land. Weil es schwer ist, den Überblick zu behalten, lassen sich viele bei der Auswahl von der Etikette auf der Flasche leiten – stehen darauf Attribute wie "Erste Lage" oder "Große Lage", lässt das den Rebensaft gleich attraktiver wirken.

Wer Wein künftig so bewerben darf, sollen ab 2025 eigene regionale und nationale Komitees entscheiden. DER STANDARD hat berichtet. Der Überbegriff dafür lautet Lagenklassifikation, im Vorjahr wurde mittels einer Sammelverordnung dafür die rechtliche Grundlage geschaffen. Es sollen also auf rechtlicher Basis Riede definiert werden, die sich qualitativ von anderen Rebflächen abheben. Dadurch wird jede einzelne Riede, also der Standort, wo der Wein genau wächst, bewertet und bekommt eine Klassifizierung – bisher wurde das ganze Weinbaugebiet beworben.

Weinberge in der Sonne
Eine Verordnung der Regierung, die künftig eine Klassifizierung österreichischer Weine nach ihrer Herkunft vorsieht, sorgt für Unmut unter Winzerinnen und Winzern.
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Einerseits soll diese Klassifikation den Konsumentinnen und Konsumenten einen besseren Einblick geben, andererseits soll sie dabei helfen, den heimischen Weinbau besser zu vermarkten. So etwas gab es bisher etwa in Frankreich. Doch der Schritt spaltet die österreichische Branche, der Widerstand ist groß.

Verfassungsgerichtshof ist dran

Eine Gruppe von 26 Winzerinnen und Winzern hat nun einen Individualantrag, der dem STANDARD vorliegt, beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht. Der VfGH soll überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Bezeichnung von Weinen mit "Erste Lage" und "Große Lage" verfassungskonform sind. "Eine kleine Gruppe soll in Zukunft bestimmen können, was die besten Lagen sind, und der Großteil der Winzer hat überhaupt kein Mitspracherecht. Das ist mit der Verfassung nicht vereinbar", sagt Alois Höllerer im Gespräch mit dem STANDARD. Er ist ein Winzer aus Niederösterreich und Sprecher der Klassifikationsgegner. Auf gluecklichelage.at fasst er die Standpunkte der Gegner zusammen.

In einem Weinland wie Österreich spielt ein solches Qualitätsmascherl vor allem finanziell eine gewichtige Rolle. Wer sein Produkt als erst- oder großlagig bezeichnen darf, dem wird automatisch finanziell der Rücken gestärkt. Sowohl die Trauben als auch das Grundstück sind plötzlich mehr wert. "48.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche werden auf einen Schlag auf- oder abgewertet", sagt Höllerer. "Man verschiebt einfach so hunderte Millionen Euro. Die Komitees und das Ministerium teilen also in 'bessere' und 'schlechtere' Lagen ein, das wirkt sich auf jeden Einzelnen aus". Doch es fehle die Transparenz. Vor allem kleinere Betriebe fürchten, dass Unternehmen mit besseren Kontakten die besten Lagen zugeschanzt werden könnten.

Die Mitglieder der jeweiligen Komitees werden von Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer für fünf Jahre bestellt. Eine ehemalige Mitarbeiterin der PR-Agentur Wine+Partners von der bekannten Winzerin Dorli Muhr begleitet die Abwicklung als Expertin für das Landwirtschaftsministerium.

Unverständnis bei Weinbauverband

Einer, der die Aufregung nicht versteht, ist Josef Glatt, Geschäftsführer des Weinbauverbands: "Es hat in der Branche immer den Wunsch gegeben, dass eine Klassifikation für alle zugänglich gemacht wird und für alle dieselben Spielregeln gelten." Diese Bewertung könne nun umgesetzt werden, oder eben nicht. "Viele Winzer wollen das Konzept nicht, und es passt auch nicht zu ihnen – für sie ändert sich dadurch aber nichts, nur weil es andere machen", sagt Glatt. Nichts werde abgewertet. Diese Klassifikation solle dazu dienen, dass das ganze Gebiet aufgewertet wird, nur darum sei das System überhaupt eingeführt worden.

So funktioniert die Klassifikation

Wie funktioniert die Klassifikation? Die Bewertung basiert auf einem Kriterienkatalog, der die historische Bedeutung der Weinlagen, Geologie, Klima und Ausrichtung der Rebflächen beinhaltet. Von wesentlicher Bedeutung sind jedoch auch der Wert und die Menge des Weins, also wirtschaftliche Aspekte. Handverlesung ist Pflicht, und es wurde ein maximaler Ertrag pro Hektar gesetzlich festgelegt. Besonders die privaten Verbände Österreichische Traditionsweingüter (ÖTW) und Steirische Terroir- und Klassikweingüter (STK) haben sich dafür starkgemacht, dass dieses neue Bewertungssystem eingeführt wird. Winzer kritisieren, dass die Arbeit im Weingarten, die Verarbeitung im Keller außer Acht gelassen werde. Außerdem verändere der Klimawandel die Rahmenbedingungen, das werde künftig eine noch wichtigere Rolle spielen. (Andreas Danzer, 2.7.2024)