Angeklagter im Gerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts
Der Angeklagte bewegte sich in einer düsteren Onlinewelt aus Terroristen, Mördern und Schulattentätern.
APA/ROLAND SCHLAGER

Ein junger Mann mit bebrilltem Bubengesicht und gewelltem braunen Haar betritt in Handschellen den Gerichtssaal am Wiener Landl. Der 21-jährige HTL-Absolvent unscheinbarer Erscheinung, ja ein "Musterschüler" mit gewählter Sprache, hat äußerlich nichts mit einem Burschenschafter und schon gar nicht mit einem Neonazi gemein. Laut Anklage aber trügt der Schein. Angeblich soll er einer der derzeit wohl gefährlichsten Rechtsradikalen Österreichs sein.

Als Teenager von 17 Jahren begann der Angeklagte in der zerschlagenen "Feuerkrieg Division" aktiv zu werden. Das war eine europaweit operierende rechtsterroristische Online-Splittergruppe junger Neonazis, die bis zu 70 Mitglieder gezählt haben soll. Deren Chats trieften nur von NS-Verherrlichung, Antisemitismus und Hetze. Darin tauchten aber auch Pläne zum Bomben- und Waffenbau auf.

Geteilt unter anderem von "v00rm" – so nannte sich der Angeklagte in den Chats unter Neonazis – und er präsentierte in den Chats beklemmende Anschlagsfantasien: Man solle doch Bleiche und Ammoniak mischen, ein bisschen schütteln und in eine Gruppe von Juden werfen, schrieb er etwa. Darüber hinaus rief er zu "ethnischen Säuberungen" auf, schrieb von "dreckigen Muslimen" und leugnete den Holocaust.

"Fühlte mich alleine, wurde gemobbt"

Konkrete Terrorpläne konnten "v00rm" im Zuge der Ermittlungen zwar nicht nachgewiesen werden. Aber er dürfte damit kokettiert haben: So prahlte der IT-versierte Bursche gegenüber seinen Mitstreitern beispielsweise damit, 3D-Drucker zu besitzen und in der Lage zu sein, damit Waffen zu bauen. Zwei solcher Geräte konnten bei ihm sichergestellt werden. Eine Anleitung dafür besaß er obendrein.

Es sei ihm nicht gut gegangen, verlas der Angeklagte sein Schlussstatement. "Ich fühlte mich alleine, wurde gemobbt." Er habe nach Anerkennung gesucht und sie offenbar im Nationalsozialismus, in einer Wiener Burschenschaft und bei den Identitären gefunden. Und eben bei der "Feuerkrieg Division". Dort habe er "cool sein" wollen, habe aber nie vorgehabt, dass jemand zu Schaden komme. Mittlerweile will der Angeklagte jegliche Verbindungen zur Szene gekappt haben – und bekannte sich schuldig. "Ich wünsche mir, das alles wäre nicht passiert, ich würde am liebsten den Kopf in den Sand stecken." Darüber hinaus schwieg er.

Bei einer ersten Razzia im Jahr 2023 stellten Ermittler beim Angeklagten Schusswaffen und Messer in seiner damaligen Wohnung sicher. Ebenso eine Gasmaske, eine schusssichere Weste und diverses NS-Material. Bei einer weiteren Razzia war der in Favoriten Lebende im Besitz einer Broschüre mit dem klingenden Titel "Der Führer sagt".

"Fürchten nichts außer Gott"

Auf seinen Smartphones und Laptops fanden sich Huldigungen von rechtsextremen Attentätern. Darunter Brandon T., der im März 2019 in Neuseeland 51 Muslime ermordete. Der Angeklagte selbst präsentierte sich in der Vergangenheit vor einer einschlägigen Fahne in Kampfmontur mit den Worten: "Wir Deutsche fürchten nichts außer Gott". In der Hand hielt er ein Maschinengewehr.

Sorgen bereitete der Staatsanwaltschaft und dem Staatsschutz zudem, was der Angeklagte im Internet suchte: etwa nach der Adresse des jüdischen Stadttempels in Wien. "v00rm" war im Sommer 2022 beim Bundesheer und für den Objektschutz eingeteilt. Angeblich wollte er einem Freund zeigen, wo er eingesetzt worden sei, sagte er. Allerdings machte das Heer dem Gericht in einem Bericht deutlich: Der Angeklagte war dort nie zuständig.

Angeblich aber zum Schutz anderer jüdischer Einrichtungen, darunter eine Volksschule, ein Kindergarten und ein Gebäude der Israelitischen Kultusgemeinde im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Dazu sei aber gesagt, dass "v00rm" den Ermittlern erst Monate später ins Netz gehen sollte. Davor konnte dieser seine Identität noch verschleiern.

Sein Verteidiger versuchte sich diesen Umstand aber prompt zunutze zu machen: Sein Mandant habe diese Objekte mit geladener Waffen geschützt. Passiert sei nichts. Eine "besondere Gefährlichkeit" vermochte der Anwalt bei dem 21-Jährigen deshalb nicht zu erkennen.

Darüber hinaus sei sein Mandant vor seiner Inhaftierung zurück zu seinen Eltern gezogen, habe seine Telefonnummer gewechselt, sei mittlerweile Student und habe an einem Deradikalisierungsprogramm teilgenommen. Die Bewährungshilfe attestierte ihrem Schützling Fortschritte auf seinem Weg aus der Szene und plädierte wie die Verteidigung für ein mildes Urteil.

Der Fehler: das Schul-WLAN

Was im Prozess aber deutlich wurde: Der junge Mann beschäftigte sich zumindest eine Zeit lang mit einer besonders düsteren Welt, die zu einem Gutteil aus Terroristen, Mördern oder Schulattentätern bestand. Auch im echten Leben fiel er als Jugendlicher etwa bei einer Nachfolgeorganisation der Identitären "Die Österreicher DO5" auf. Als im August 2020 ein Stammtisch der Rechtsextremen angegriffen worden sei, soll der Angeklagte einen messerähnlichen Gegenstand gezogen und versucht haben, die Angreifer damit abzuwehren.

Der Staatsschutz wurde übrigens mit etwas Glück auf den Neonazi aufmerksam: Weil er den Fehler beging, sich mehrere Male ins öffentliche WLAN seiner Schule einzuloggen.

Am Ende wurde "v00rm" wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung, der Mitgliedschaft einer kriminellen Vereinigung, wegen Verhetzung und der Aufforderung zur mit Strafe bedrohten Handlungen schuldig gesprochen. Er fasste eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus, davon acht Monate unbedingt. Da der Angeklagte bereits viereinhalb Monate in U-Haft sitzt, verbleibt eine Reststrafe von dreieinhalb Monaten.

Der vorsitzende Richter schätzte den jungen Mann nach heutigem Stand auch nicht als besonders gefährlich ein. Das hätte das Strafmaß auf bis zu 20 Jahre erhöht. Das sei in der Vergangenheit eher bei Neonazis wie "Mr. Bond" zu tragen gekommen, der mitunter das Manifest von Brandon T., des Christchurch-Attentäters, übersetzte und anderen Leuten als Vorbild diente.

So liege die Freiheitsstrafe für "v00rm" in etwa in dem Verhältnis zu jener von Jihadisten, die sich propagandistisch betätigen. Das fand der Richter angemessen, wiewohl dieser festhielt: "Es kommen schon einige Sachen zusammen, die auffällig und seltsam sind." Der Angeklagte nahm das Urteil an, die Staatsanwaltschaft gab vorerst keine Stellungnahme ab. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. (Jan Michael Marchart, 1.7.2024)