Bild von der Trassenführung der geplanten Lobau-Schnellstraße.
Das Straßenbauprojekt Wiener S1-Nordostumfahrung inklusive Lobautunnel wurde von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) bereits im Dezember 2021 auf Eis gelegt. Die noch notwendigen Behördenverfahren laufen ungeachtet dessen seither weiter.
HANS KLAUS TECHT / APA / picture

Um das umstrittene Milliardenprojekt S1-Nordostumfahrung inklusive Lobautunnel ist es öffentlich vergleichsweise ruhig geworden. Verkehrsministerin Leonore Gewessler von den Grünen hatte das Straßenbauvorhaben bereits Anfang Dezember 2021 auf Eis gelegt. Sie begründete das Vorgehen angesichts des voranschreitenden Klimawandels vorrangig mit dem Naturschutz und dem enormen Bodenverbrauch. Dennoch werden die verschiedenen noch notwendigen Behörden- und Gerichtsverfahren rund um das Projekt seither weiter geführt, wie auch die Asfinag bestätigt.

Weiterhin ausständig sind aber die Ergebnisse einer sogenannten Strategischen Prüfung Verkehr, die das Verkehrsministerium initiierte und die im September 2022 startete. Gewessler will erreichen, dass zumindest der geplante S1-Abschnitt Schwechat – Knoten Raasdorf inklusive Lobautunnel aus dem Bundesstraßengesetz gestrichen wird. Die ÖVP hat hingegen bereits mehrmals darauf hingewiesen, diesem Vorhaben nicht zuzustimmen. Hinter dem Projekt Lobautunnel stehen weiterhin auch die SPÖ und die FPÖ. Nach der Nationalratswahl im September werden die Karten diesbezüglich neu gemischt.

Grafik Straßenbauvorhaben
Die geplanten Straßenbauvorhaben im Nordosten Wiens. Die S1-Nordostumfahrung zwischen Schwechat und Süßenbrunn liegt derzeit auf Eis.
Grafik: DER STANDARD

Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation Virus wies am Montag aber auf Mängel bei der Strategischen Umweltprüfung (SUP) hin. Das habe ein Rechtsgutachten ergeben, das Virus bei Thomas Müller von der Universität Innsbruck in Auftrag gegeben hatte. Demnach sei die geplante S1-Nordostumfahrung ursprünglich im Jahr 2002 nicht von der SUP-Pflicht umfasst gewesen. Das gelte aber nicht für die in den Jahren 2006 und 2011 erfolgten Projektänderungen, für die es zumindest ein "Screening" und somit eine Neuprüfung der SUP-Pflicht hätte geben müssen. Laut Müller wurde "zu Unrecht keine SUP durchgeführt". Der Kern des Gutachtens besagt, dass Pläne und Programme, die unionsrechtswidrig keiner SUP unterzogen wurden, aufzuheben oder auszusetzen sind. Mängel bei der SUP wurden auch bei den Straßenbauvorhaben S8 Marchfeld-Schnellstraße sowie S34 Traisental-Schnellstraße festgestellt.

UVP-Verfahren seit 2018 positiv abgeschlossen

Rehm meinte dazu: "Für uns bedeutet das hinsichtlich der Verfahrensebene, dass in den laufenden oder ausständigen Verfahren keine Genehmigungen erteilt werden dürfen." Der Stopp des S1-Projekts durch Ministerin Gewessler sei demnach durch EU-Recht gedeckt, meinte er. Eine Verkehrsministerin oder ein Verkehrsminister einer neuen Regierung müsse dies ebenfalls nachvollziehen – oder setze sich ansonsten "ins Unrecht", wie Rehm anmerkte. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gab jedenfalls bereits im Mai 2018 und unter vielen Auflagen grünes Licht für die Lobau-Schnellstraße: Die UVP galt mit diesem Entscheid als positiv abgeschlossen. Weiterhin sind aber Materienverfahren zu Wasser- und Naturschutzrechten anhängig. (David Krutzler, 1.7.2024)