Es sind kleine gelbe Kästchen, die einen brisanten Vorgang nahelegen. Denn sie enthalten Verbesserungen, Anmerkungen und "Zusatzfragen" zu parlamentarischen Anfragen der ÖVP, die an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) gestellt wurden – verfasst wohl von keinem Geringeren als Christian Pilnacek, einem ihrer Spitzenbeamten.

Der erste Schauplatz: Vorwürfe gegen Pilnacek

Diese PDF-Dateien sind Teil der Szenerie, die den ersten Schauplatz des Justizkonflikts ausmachen. Sie legen einmal mehr offen, dass Pilnacek im aktiven Zusammenspiel mit dem Parlamentsklub der ÖVP verdeckt gegen die Justizministerin agiert hat. Dieser Verdacht bestand schon lange: So wurden auf Pilnaceks Smartphone bereits Anfrageentwürfe der ÖVP gefunden, zudem Chats, in denen er eine Hausdurchsuchung der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Finanzministerium als "Putsch" bezeichnete. Pilnacek fühlte sich von Zadić unfair behandelt, weil diese zunächst seine Sektion aufteilte und ihn damit durchaus entmachtete, danach sprach sie wegen strafrechtlicher Ermittlungen gegen ihn eine Suspendierung aus.

Christian Pilnacek vor Gericht
Der frühere Sektionschef Christian Pilnacek, zu sehen im Sommer 2022, starb im Oktober 2023.
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Nach seinem überraschenden Tod im Oktober 2023 offenbarte etwa Ex-Kanzler Kurz, gegen den damals prozessiert wurde, er habe erst kürzlich mit Pilnacek telefoniert. Wenig später tauchte eine Aufnahme vom Sommer 2023 auf, in der Pilnacek davon erzählte, wie ÖVP-Spitzenpolitiker in Strafverfahren interveniert hatten.

Als Reaktion darauf wurde von Zadić eine Untersuchungskommission unter Leitung von Martin Kreutner eingesetzt, die Interventionsvorwürfe prüfen soll. Deren Ergebnisse sollen binnen der nächsten zehn Tage publik werden, mitten im Vorwahlkampf – und dem Vernehmen nach wird der Bericht durchaus für Wellen sorgen.

Der zweite Schauplatz: Angriffe auf Zadić

Der bittere Konflikt, der die Justiz jahrelang heimsuchte, scheint also wiederaufzuleben – und auch die ÖVP richtet Vorwürfe gegen Zadić und ihr Kabinett. So berichteten Krone und Presse am Sonntag über einen "Daten-Krimi" im Justizministerium – und wieder geht es um heimlich aufgenommene Gespräche. Das ist der zweite Schauplatz in dieser verworrenen Affäre, die in den Nationalratswahlkampf ausstrahlen könnte.

Auch hier geht es um Christian Pilnacek, wenngleich nicht in der Hauptrolle. In den Monaten vor seinem Tod soll er mit einer Person zusammengearbeitet haben, die bis 2012 mit dem Verfassungsschutz gearbeitet haben soll. Der Mann sieht sich von Teilen der Justiz, etwa der WKStA, diskreditiert, es seien falsche Informationen über ihn in Akten festgehalten worden.

Er hatte immer wieder mit Peter Barthold zu tun, der seit Jahren gegen den Novomatic-Konzern kämpft. Barthold war einst Rapid-Goalie und Fußballtrainer gewesen, danach war er ins Glücksspielgeschäft eingestiegen und hatte sich mit Geschäftspartner Novomatic überworfen. Seither ist er einer der prominentesten Aktivisten gegen das Glücksspiel.

Justizministerin Alma Zadić bei einem Ministerrat im Mai.
APA/HANS KLAUS TECHT

Barthold soll mit dem Mann über Ermittlungen gesprochen haben. Letzterer fertigte ohne Bartholds Wissen eine Aufnahme davon an, um den Wahrheitsbeweis über das Gespräch antreten zu können. In dem Gespräch behauptete Barthold, er könne über Zadićs Kabinettschefin "Akteneinsicht organisieren". Das ist nun Gegenstand einer Anzeige. Die Staatsanwaltschaft (StA) Wien prüft nun, ob Ermittlungen gegen Zadićs Kabinettschefin eingeleitet werden – ein normaler Vorgang nach einer Anzeige. Sie selbst weist die Vorwürfe strikt von sich und überlegt rechtliche Schritte.

Barthold betont, niemals Akten aus dem Kabinett Zadić erhalten zu haben. Er habe nie in seinem Leben mit Zadić oder deren Kabinettschefin gesprochen, sagt Barthold.

Schauplatz drei: Die ÖVP gegen Peter Pilz

Verbunden werden die beiden Stränge des Justizkonflikts nicht nur durch Christian Pilnacek, sondern auch durch eine Reizfigur für die ÖVP: Peter Pilz. Der langjährige Abgeordnete hatte ja 2017 die Grünen verlassen und war mit seiner eigenen Partei in den Nationalrat eingezogen. Dort hatte Alma Zadić ihre Karriere begonnen – und auch deren heutige Kabinettschefin war einst Mitarbeiterin im Parlamentsklub der Liste Pilz.

Pilz bringt wiederum diese Woche ein neues Aufdeckerbuch namens Ostblock heraus, das sich unter anderem intensiv mit der Pilnacek-Affäre beschäftigt. Für die Recherche griff Pilz auch auf Dokumente von Pilnaceks Datenträgern zurück, die nach dessen Tod verschwunden waren – so etwa auf die Entwürfe der parlamentarischen Anfragen der ÖVP. Darüber berichtete Pilz auch auf Zackzack, DER STANDARD konnte die Dokumente unabhängig prüfen. Pilz fragte laut eigenen Angaben am Freitag bei der ÖVP an, am nächsten Tag kam via Krone und Presse die Geschichte über Zadić und ihre angeblich Pilz-affine Kabinettschefin.

Die ÖVP sprach am Sonntag in einer Aussendung von Zadićs Kabinettschefin als einer "zumindest ehemaligen Vertraute von Peter Pilz". Die Vorwürfe gegen sie "wiegen schwer", die Kreutner-Kommission solle sich ihrer annehmen, forderte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Das sei nicht möglich, weil man nur bis Ende Mai Erhebungen durchführen durfte, so Kreutner dazu auf Anfrage des STANDARD.

Und was sagt man im Parlamentsklub der Kanzlerpartei zu den durch Pilnacek redigierten Anfragen? Kein Kommentar. (Fabian Schmid, 1.7.2024)