Die seit rund zwei Jahren strauchelnde Konjunktur samt steigender Arbeitslosigkeit hat sich zuletzt besonders in der Industrie bemerkbar gemacht. Ende Juni 2024 waren in Österreich rund 28.000 Personen aus dem Bereich der Warenerzeugung beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos gemeldet oder in Schulung. Das sind um 16,4 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, geht aus einer Spezialauswertung des AMS hervor. Die Zunahme fiel verglichen mit allen anderen Branchen um gut sechs Prozentpunkte höher aus. Über alle Branchen hinweg ist die Arbeitslosigkeit um 9,9 Prozent gestiegen.

Ein Arbeiter vor der tief stehenden Sonne.
Der Bau und die Industrie sind derzeit die Schwachstellen der Wirtschaft. Das macht sich auch am Arbeitsmarkt bemerkbar.
APA/dpa/Julian Stratenschulte

Mit dem wirtschaftlichen Boom nach der Corona-Pandemie war die Arbeitslosigkeit in der Warenerzeugung vor nicht allzu langer Zeit noch deutlich zurückgegangen, Mitte 2022 erreichte der Bestand an Arbeitslosen in diesem Sektor den tiefsten Stand der vergangenen fünf Jahre. Infolge der Kriegswirren und der Inflationskrise verschlechterte sich die wirtschaftliche Großwetterlage danach aber spürbar – mit Folgen für die Industrie, in der die Zahl der Arbeitslosen verglichen mit dem jeweiligen Vorjahresmonat seit April 2023 wieder ansteigt.

Wichtiger Sektor

AMS-Vorstand Johannes Kopf streicht vor diesem Hintergrund die Bedeutung des Sektors hervor. "Österreichs Industrie ist für unser Land viel wichtiger, als viele wissen. Allein im Bereich der Warenproduktion arbeiten Ende Mai 2024 rund 639.000 Menschen in rund 25.000 Unternehmen und erwirtschaften dort rund ein Fünftel unseres BIPs". Dementsprechendes Gewicht habe die Industrie auch für den gesamten Arbeitsmarkt.

Als Gründe für die verschlechterte Lage führt er die schwache internationale Nachfrage sowie die schlechtere Wettbewerbsfähigkeit durch die im europäischen Vergleich deutlich stärker gestiegenen Lohnstückkosten an. "Es hängen also Wolken über Österreichs Industrie", sagt Kopf, "wir müssen daher dieser Branche besonderes Augenmerk schenken, denn auch der zukünftige Erfolg der so wichtigen europäischen Automobilindustrie ist alles andere als gewiss." Die Industrie und der Bau befinden sich seit längerem in einer Rezession, das Wifo erwartet, dass der Sektor erst 2025 seine Wertschöpfung wieder etwas steigern kann.

Insgesamt sieht das Wifo für heuer eine stagnierende Wirtschaft in Österreich, was zu steigenden Arbeitslosenzahlen führt. Ende Juni waren 338.051 Personen beim AMS arbeitslos oder in Schulung gemeldet, davon waren 264.018 arbeitslos und 74.033 in Schulungsmaßnahmen des AMS. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Zahl der Arbeitslosen und AMS-Schulungsteilnehmer um 9,9 Prozent bzw. 30.319 Personen gestiegen. Die Arbeitslosenrate erhöhte sich um 0,5 Prozentpunkte auf 6,2 Prozent.

Reaktion des Arbeitsministers

"Aktuell verzeichnen wir nach wie vor die drittniedrigste Arbeitslosenquote der letzten zehn Jahre an einem 30. Juni", will Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) dem Anstieg der Arbeitslosigkeit etwas Gutes abgewinnen. "Nur in den Jahren 2022 und 2023 war die Quote aufgrund von Nachholeffekten nach der Corona-Pandemie noch niedriger."

Die schwache Wirtschaftsentwicklung in Österreich macht sich auch am Stellenmarkt bemerkbar. Beim AMS waren Ende Juni knapp 98.000 offene Stellen als sofort verfügbar gemeldet, ein Minus von rund 17 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten erhöhte sich hierzulande leicht um 0,1 Prozent bzw. 2000 Personen auf 3,99 Millionen. (APA, aha, 1.7.2024)