Engagement und Spaß in Baden: Verena Scheitz und Florian Stohr.
Christian Husar, BuehneBaden

Budapest 1934. Im Etablissement Orpheum steppt der genderfluide Bär. Leichtbekleidete Männer wirbeln in der eleganten Tanztruppe herum, die Leitung des Varietés hat eine Frau im Frack inne. Vergiss das Berlin der Goldenen Zwanziger! Es ist das Ungarn des Admiral Horthy, das man sich augenscheinlich als den Hort der Liberalität im Europa der Zwischenkriegszeit vorzustellen hat.

In ihrer Inszenierung in der Badener Sommerarena hat Ruth Brauer-Kvam nicht nur die Geschichte neu interpretiert, sondern auch Emmerich Kálmáns Kassenschlager. Sie hat dessen Csárdásfürstin, eigentlich Jahrgang 1915, um knapp zwei Jahrzehnte verjüngt. Sehr charmant gegenüber der alten Dame Operette! Das hätte sicher auch Kálmáns legendäre Witwe Vera sehr gefreut. Zudem zeigt die Tochter Arik Brauers die Varietétruppe und ihren Star, die Sängerin Sylva Varescu, als jüdische Künstler. Aber die langen Schatten der NSDAP, sie dräuen im dekadenten Budapest schon über Kärnten und die Steiermark heran.

Lebendigkeit und Komödiantik

Was kann da helfen außer Unmengen von Champagner und ein verliebter Fürstenspross namens Edwin? Der jüdische Witz. Mit diesem versucht Tania Golden als Feri Bacsi – hier in der Varietéleitung tätig –, mit schnarrender Stimme das Publikum zu unterhalten, im ersten Akt leider ohne Erfolg. Aber auch die besten Gags im Originallibretto von Leo Stein und Bela Jenbach bleiben ohne Resonanz – weil das Timing nicht passt. Nach einer Eingewöhnungsphase und ein paar Glaserln Wein reagiert das Publikum nach der Pause lebendiger.

Lebendig geht es auch auf der Bühne zu. Das Ballett der Bühne Baden agiert mit Verve, die einfallsreiche Choreografie (auch Brauer-Kvam) findet in der "Hurrah!"-Nummer ihren virtuos-kreativen Höhepunkt. In der Solistenriege bildet der wundervolle Ricardo Frenzel Baudisch das Bindeglied zur Tanztruppe, in seinem Graf Boni verschmelzen die Eleganz eines Fred Astaire und der spanische Akzent eines Jorge González zu bezaubernder, immer individueller Komödiantik. Gut: An sein Kostüm im ersten Akt – eine Perlenkettenlandschaft vor nackter Brust – mussten sich manche im Publikum erst gewöhnen.

Mal Comedy, mal elegant

Eher grelle Comedy bieten die Publikumslieblinge Verena Scheitz und Oliver Baier als Fürstin und Fürst Lippert-Weylersheim. Deren Filius Edwin hat sich ja in die Varietékönigin Varescu verliebt: Iurie Ciobanu verströmt als ebendieser lautstarke Tenortöne sowie Gigawatteinheiten an Frohsinn, wie es Andy Borg nicht eindrücklicher gelungen wäre. Erstklassig in Ton und Optik ist auch Alma Sadé als Csárdásfürstin, welcher Ursula Gaisböck zum Fest im Fürstenpalais ein umwerfendes Outfit geschneidert hat. Überhaupt sind die Kostüme der Produktion enorm elegant; das Bühnenbild von Monika Rovan huldigt hingegen eher der Neuen Sachlichkeit.

Komödiantisch stark, stimmlich nicht so sehr: Anna Overbeck als Komtesse Stasi. Unter der Leitung von Christoph Huber musizieren Orchester und Chor der Bühne Baden engagiert. Jubel für eine verjüngte jüdische Csárdásfürstin. (Stefan Ender, 1.7.2024)