Deborah Kerr als Sister Clodagh in "Black Narcissus" (1947)
imago images/Mary Evans

Das Kino und die Farben, das ist eine spannende Beziehung. Die ersten Filme waren in Schwarz-Weiß. Und als schließlich Verfahren entwickelt wurden, die erlaubten, die Welt so zu zeigen, wie sie dem nicht farbenblinden Auge erscheint, schoss die Technik ein wenig über das Ziel hinaus. Die ersten Farbfilme waren nämlich in der Regel richtig bunt, die Farben wurden viel stärker betont als in der Wirklichkeit.

Das britische Duo Michael Powell und Emeric Pressburger verkörpert dieses spannende Verhältnis wie kaum jemand sonst. Einer ihrer schönsten Filme überhaupt ist A Canterbury Tale, eine Geschichte aus der Zeit, in der Hitler England in die Knie zwingen wollte. Eine Feier der englischen Natur, der englischen Mystik – gefilmt in einem leuchtenden Schwarz-Weiß. 1943 entstand The Life and Death of Colonel Blimp, eine exzentrische Mischung aus Liebes- und Kriegsfilm, eine Feier der Männerfreundschaft vor wechselndem Korpsgeist und einer der ersten Filme in Technicolor. Je älter die Uniform, desto üppiger das Dekor – in diesem Fall führte das zu einer wahren Orgie an Farbreizen, die aber immer genau mit den jeweiligen Emotionen abgestimmt waren.

MUBI

Romantisches Kino

Powell und Pressburger standen für alteuropäisches, antifaschistisches, romantisches Kino par excellence – und waren dabei immer very, very british. Ihre Filme waren beinahe in Vergessenheit geraten, als Powell in den 1970er-Jahren in New York auf Martin Scorsese traf. Der italoamerikanische Kultregisseur (Taxi Driver) war immer schon ein Liebhaber des klassischen Kinos, und Powell/Pressburger repräsentierten für ihn alles, was das analoge Medium im 20. Jahrhundert so groß werden ließ: überlebensgroße Gefühle und mutige technische Innovationen.

Der Dokumentarfilm Made in England: The Films of Powell and Pressburger gibt nun einen umfassenden Überblick über das Schaffen der beiden Freunde, die sich gemeinsam auch The Archers nannten (Die Bogenschützen). Und wer könnte ein besserer Führer durch die Vielzahl von Filmclips, Interviews und Archivmaterialien sein als der Enthusiast Martin Scorsese? Die Regie überließ er nominell David Hinton, so konnte er selbst vor der Kamera erscheinen.

Michael Powell und Emeric Pressburger in den späten 1940ern.
imago images/Ronald Grant

Das beeindruckende Kapitel Filmgeschichte ist in Österreich auf den Streamern Amazon Prime und Mubi zu sehen, die Vision von Powell und Pressburger braucht und verdient aber einen möglichst großen Bildschirm – eigentlich eine Leinwand und eine Projektion, die Farben erst so richtig erstrahlen lässt. (Bert Rebhandl, 2.7.2024)