Beinahe lautlos rollt der knallgelbe Bulli in die Einfahrt von Haus Herberstein bei Ptuj in der slowenischen Steiermark. Natascha Golob, unsere Gastgeberin, nimmt erst Notiz von uns, als die Hühner auseinanderstieben, um vor der Holzhütte Platz für den vermeintlichen Oldtimer aus dem vorigen Jahrtausend zu machen. Wo gibt’s denn so was? Ein alter VW-Bus, der nicht tuckert und rattert, kein Gequietsche und keine dunklen Rauchzeichen aus dem Auspuff von sich gibt, wenn die campende Hippie-Meute einreitet?

Alter VW-Bus mit Sromladekabel
Unterwegs mit einem elektrifizierten Oldtimer in Slowenien.
Sascha Aumüller

Warum der Bulli so leise ist, fragen sich vermutlich auch die ersten regulären Mieter dieses VW-Modells T3. Seit Juli 2024 kann man mit ihm ungewöhnliche Kurztrips unternehmen. Antworten auf technische und andere Fragen finden sie im Hinterhof eines Grazer Theaters, wo drei kreative Köpfe seit fünf Jahren am Projekt "Schau aufs Land" arbeiten und zuletzt auch in vielen Bastelstunden dieses Gefährt fit für die Gegenwart gemacht haben.

Logische Fortführung

Der VW-Bus namens E-Luise, verraten Leonard Röser, Karin und Christian Gruber-Steffner, sei nur eine logische Fortführung ihrer Geschäftsidee gewesen. Mit "Schau aufs Land" wollen sie erreichen, dass Campen nicht auch zu einer weiteren Spielart des Massentourismus verkommt. Seit 2019 bietet das Team eine App an, die für eine geringe Jahresgebühr motorisierte Vagabunden und Bauersleut’ zusammenbringt. Noch feiner wäre es allerdings, dachte sich das Trio, umweltfreundlicher bei den Gastgebern anzukommen. Um mit gutem Beispiel vorauszufahren, verpassten sie ihrem alten Bulli ein Upgrade in Form eines Elektromotors.

Altes Haus mit reetgedecktem Dach
Das Haus Herberstein ist 200 Jahre alt und war einst ein Weingut.
Sascha Aumüller

Über 500 Bio-Bauernhöfe und andere nachhaltig geführte Betriebe haben sich mittlerweile in dem Netzwerk zusammengetan, um Camper, die Campingplätze verabscheuen, für eine Nacht bei sich aufzunehmen. Im Gegenzug können die Gäste in deren Hofläden einkaufen oder eine freiwillige Spende dalassen. Denn auch viele dieser Betriebe haben ein Projekt am Laufen – so wie Natascha Golob.

Die Slowenin hat viele Jahre in Amsterdam gelebt, bis es ihr dort zu bunt und zu aufgeregt wurde. Noch knapp vor der Pandemie zog sie in die Hiška Herberstein in den Hügeln um Ptuj und legte sich dort ein paar Hendln, Katzen und einen bis dahin frauchenlosen Straßenköter zu. Der Hof besteht aus einem mehr als 200 Jahre alten Haus aus Lehm und Holz sowie Nebengebäuden, die in der Vergangenheit das Weingut der steirischen Familie Herberstein waren. Golob hat ihn mit Schmäh und Kitsch zu einem lebenden Museum umfunktioniert. Unter dem mit Getreide eingedeckten Strohdach befindet sich ein Schlafzimmer mit Bad, Klimaanlage und Porträt der niederländischen Königsfamilie.

Schuppen mit Steckdose

Über "Schau aufs Land" bietet Golob überdies Menschen mit einem kleinen Van oder Zelt an, bei ihr auf dem Hof zu übernachten. Auch sie dürfen das Gemeinschaftsbad im Seitentrakt des Haupthauses mitbenützen, für elektrifizierte Old­timer oder den Tesla mit Dachzelt gibt es im Schuppen eine Steckdose zum Laden. Die Hiška Herberstein ist somit einer von 40 Höfen in Slowenien, die das ursprünglich rein österreichische Netzwerk vor zwei Jahren vergrößert und bereichert haben. Seither ist es möglich, als Camper bei slowenischen Bauern, Imkern oder Winzern in der Untersteiermark, in den Alpen oder im karstigen Hinterland der kleinen Adriaküste des Landes zu übernachten.

Hühner, VW Bus mit geöffneterTür und Stromladekabel
Zwischen den Hendln wird der elektrifizierte VW-Bus an der Steckdose im Schuppen geladen.
Sascha Aumüller

Nach einer mucksmäuschenstillen Nacht, die auch der schläfrige, krähende Hahn im Stimmbruch erst spät beendet, bringt Golob zum Frühstück frische Eier aus dem Hühnerstall. Sie kennt viele Geschichten von den Vorbesitzerinnen des Hauses, darunter eine schrullige Lehrerin, von der sie das unmittelbar angrenzende Wildgehege und die schönen alten Zwetschkenbäume übernommen hat.

Weil wir mit dem alten Bulli noch einige steile slowenische Hügel erklimmen wollen, machen wir uns auf den Weg. Diesmal allerdings nicht völlig geräuschlos. Der Kastenwagen hat einen Knopf zum Abspielen der originalen Motorengeräusche, die noch auf Tonband konserviert wurden, bevor der Bulli gestromt wurde. So hört uns sogar der Traktorfahrer, der arglos durch die Weingärten brettert, während wir verkehrt aus der Einfahrt des Herberstein-Hauses schieben.

Hügelige Landschaft mit Teichen
Auf dem slowenischen Weingut Wild Winež gibt es ruhige Stellplätze mit Blick auf die südsteirische Weinstraße.
Sascha Aumüller

Kurz vor unserer Ankunft in Zgornja Kungota schalten wir einen Gang zurück. Obwohl der alte Bulli nunmehr als Elek­trofahrzeug mit realistischen 250 Kilometern Reichweite unterwegs ist, hat man ihm drei manuell auf dem alten Knüppel schaltbare Gänge belassen. In der "Zweiten" kommen wir knapp vor dem Stillstand gerade die steile Schotterstraße hinauf bis zu Elke Nezmahen und Florian Wirth. Die beiden betreiben in Sichtweite der südsteirischen Weinstraße das Weingut Wild Winež. Wirth hat die Winzerei beim Weingut Gross in Ehrenhausen gelernt und ist mit seiner Familie auf die andere Seite der Grenze gezogen, weil ein Weingut für Neulinge in der Südsteiermark einfach nicht mehr leistbar ist.

Gefüllter Kühlschrank

Auf ihrem Weingut bieten sie, ohne einem Netzwerk anzugehören, gegen Gebühr ein paar Stellplätze für Fahrzeuge oder Zelte rund um einen Schwimmteich. Dazu gibt’s Strom, Trinkwasser, nagelneue Badezimmer und einen gut gefüllten Kühlschrank im Haupthaus. Darin eingekühlt: ein dem Riesling nicht unähnlicher Kerner, ihr wunderbar sprudelnder Pet Nat und Wildwürstel sowie weitere feine Schmausereien aus der Gegend.

Während man hier das Nichtstun genießt, am kalten Weißwein nuckelt und den herrlichen Blick in die Weinberge nur mit einem Paar auf der Durchreise von Sachsen weiter in den Süden teilt, tankt der Bulli schon wieder Strom für die Rückreise nach Graz am nächsten Morgen. (Sascha Aumüller, RONDO, 4.7.2024)